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Clay Regazzonis G 600 TE Dakar Racer war das erste Mercedes G-Modell mit V8-Motor

Jahre bevor AMG erstmals einen V8 in den legendären Mercedes Geländewagen einbaute, nutzte dieser Rally Raid G 600 TE zur Zähmung der Wüstenrallye Paris-Dakar erstmals Achtzylinder-Power...

In den 43 Jahren seit seiner Vorstellung hat sich das Mercedes G-Modell von seiner ursprünglichen Rolle als geländegängiges Nutzfahrzeug zu einem unkonventionellen und (mit AMG-Paket) bis zu 240 km/h schnellen Luxus-SUV mit sonorem Auspuffsound entwickelt. 

Doch lange bevor sich Brabus oder AMG an das Tuning des verdienstvollen Geländewagens machten – und volle fünf Jahre, ehe Mercedes erstmals einem Modell mit Straßenzulassung einen V8 spendierte (1993, 500 GE und 500 GE 6.0 AMG) – wirbelte diese feuerspeiende Rally Raid-Version bei der Rallye Paris-Dakar riesige Sand- und Staubfontänen auf.

Der aktuell friedlich im Showroom des auf Exoten und seltene Modelle spezialisierten Schweizer Händlers Andreas Wüest stehende Wagen war einer von drei extremen Offroadern auf G-Basis, die 1988 für die Teilnahme an der immer anspruchsvoller gewordenen Rallye Paris-Dakar aufgebaut wurden. Zwei Fakten machen dieses Modell ganz besonders: zum einen ist es das einzige mit V8-Motor und zugleich der einzige Überlebende des Trios mit dieser Karosserieform. 

Ein Jahrzehnt nach ihrer Gründung durch den 1986 tödlich verunglückten Thierry Sabine hatte sich die Paris-Dakar von einer verrückten Fahrt durch die Sahara für einen zusammengewürfelten Haufen von Amateuren - viele auf handelsüblichen Trail-Bikes - zu einem prestigeträchtigen Härtetest gemausert, auf dem Top-Werksteams um den Sieg kämpften.

Und niemand nahm die Aufgabe ernster als Mercedes-Benz, das sein damals relativ neues G-Modell als Ausgangspunkt für den ultimativen Dünenboliden der 1980er Jahre wählte. Doch während die ersten für die Dakar vorbereiteten G-Modelle noch ihren straßentauglichen Vettern sehr ähnelten, hoben sich die drei ab 1988 gefertigten Exemplare innen, außen und auch am Unterboden deutlich ab.

Die Karosserie beispielsweise bestand komplett aus Glasfaser, während der vordere Teil des serienmäßigen Kastenrahmens durch einen robusten, aber leichten Gitterrohrrahmen ersetzt wurde. Die Achsen wurden neu geschweißt und verstärkt, um den hohen Belastungen standzuhalten, denen sie unweigerlich ausgesetzt sein würden. Schließlich wurde auch die Tankkapazität drastisch erhöht, im Falle des Wüest-Autos auf beachtliche 450 Liter.

Schon die zivilen G-Typen waren für ihren Durst bekannt, aber dieser hier war ein echter Petrolholic, denn er war wie erwähnt der erste Vertreter mit V8-Triebwerk. Und es war auch nicht irgendein V8. Aufgebohrt auf sechs Liter Hubraum, leistete er sagenhafte 331 PS bei einem maximalen Drehmoment von 525 Newtonmeter. Dass die Mercedes-Ingenieure bei der Spezifikation keine Zurückhaltung üben mussten, lag am künftigen Fahrer des Boliden: Ex-Formel-1-Star Clay Regazzoni.

Classic Driver-Leser, die sich mit der Geschichte der Formel 1 auskennen, wissen, dass sich der Tessiner nach Anfängen in der Formel 3 und 2 mit Tecno nach und nach in der Königsklasse einen Namen gemacht hatte. Über die Stationen Ferrari, BRM, Ensign, Shadow und schließlich Williams. „Rega“ galt aufgrund vieler glücklich verlaufender Unfälle als der „Unzerstörbare“ und erfreute sich durch seine draufgängerische Fahrweise und seine speziell das weibliche Geschlecht extrem anziehende Persönlichkeit einer großen Fangemeinde. Mit seinem Sieg beim GP von England 1979 in Silverstone verhalf Regazzoni dem Rennstall von Frank Williams zum ersten Grand Prix-Sieg und eroberte nebenbei auch noch die Herzen der britischen Fans. 

Doch nach zehn oft stürmischen Jahren in der Formel 1, in denen er fünf Siege holte und 1974 im Finale um die WM-Krone nur knapp gegen Emerson Fittipaldi unterlag, verließ Regazzoni das Glück. Es war beim GP der USA West 1980, als er auf dem Stadtkurs von Long Beach einen Ensign N180 steuerte. Nach einem totalen Bremsversagen auf der langen Geraden, bei geschätzt über 270 km/h, krachte er in den in der Auslaufzone liegengebliebenen Brabham von Ricardo Zunino.

Regazzoni verlor sofort das Bewusstsein, erst zehn Minuten später kam er mit einem stechenden Schmerz in der Hüfte wieder zu sich. Wie sich herausstellte, war er nun von der Hüfte abwärts gelähmt und würde nie wieder in der Lage sein, einen Formel-Rennwagen zu fahren.

Trotz dieses schrecklichen Vorfalls war er ein klassischer Fall von „einmal Rennfahrer, immer Rennfahrer“. Er gewann seine Rennlizenz zurück und wurde einer der ersten behinderten Piloten, die auf hohem Niveau weiter im Motorsport aktiv waren.

Für Einsätze bei Rallye-Raid-Rennen wurden Einsatzautos wie dieser G 600 TE mit speziellen, von Regazzoni teils selbst entwickelten Speziallösungen so umgebaut, das sie von ihm gefahren werden konnten. Sie finden sich noch heute im Auto, darunter Vertiefungen im Fahrersitz, um seine nervengeschädigten Beine zu stützen, und Handsteuerungen für Bremse und Gas.

Es sollte jedoch keine glanzvolle Dakar für Regazzoni werden. Er überschlug sich mit seinem 600 TE und wurde von Motorradfahrern des italienischen Cagiva-Teams gefunden, wie er hilflos in einer Treibstofflache aus dem geplatzten Tank saß und nicht in der Lage war, sich aus ihr zu entfernen. Die Fahrer entdeckten, dass Regazzonis Rettungsrollstuhl bei dem Unfall zerstört worden war, zogen ihn zur Seite und lehnten ihn zur Unterstützung an einen Felsen.

In der (buchstäblichen) Hitze des Gefechts soll niemand sonst angehalten haben, um zu helfen. Lediglich ein Team warf eine Flasche Wasser aus dem Fenster seines Fahrzeugs, als es an der Unfallstelle vorbeifuhr. Obwohl er mit ihm nicht erfolgreich war, behielt Regazzoni den Dakar-600 TE für seine umfangreiche persönliche Sammlung. Am 15. Dezember 2006 kam er auf der Autobahn A1 bei Parma ums Leben, als er mit seinem Chrysler Voyager auf das Heck eines Lkw prallte.

Der 600 TE verblieb seitdem im Besitz der Familie Regazzoni und obwohl er als „mechanisch teilweise restauriert“ beschrieben wird, ist er laut Wüest voll funktionsfähig und fährt einwandfrei.

Er steht nun zum Verkauf und wird, so hoffen wir, von seinem neuen Besitzer wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, und sei es nur, um als ergreifende Erinnerung an das zu dienen, was Clay Regazzoni als Pionier für Behinderte im Motorsport erreicht hat. Und um anderen verletzten Fahrern zu zeigen, dass es so etwas wie ein „Nicht-Können“ nicht gibt.

Fotos von Rémi Dargegen

Sie finden dieser Rally Raid G 600 TE neben weiteren faszinierenden und bei Andreas Wuest zum Verkauf stehenden Sammlermodellen im Classic Driver Markt. 

Dieser gesponserte Artikel wurde im Rahmen einer bezahlten Partnerschaft mit der Andreas Wüest AG erstellt und veröffentlicht. Classic Driver ist nicht verantwortlich für den Inhalt und die Informationen, die oben angegeben sind.