Jedes Gespräch über legendäre Livery Designs im Motorsport führt in der Classic Driver-Redaktion zu einer pro Tag um mindestens 50 Prozent sinkenden Produktivitätsrate. Sie wissen schon: Gulf, Jägermeister, Martini, Marlboro... Aber auch die weiß-grüne Totip-Folierung, wie hier in Reinkultur an einem Alfa Romeo GTV6 Baujahr 1982 zu bestaunen, gehört in die Reihe der ikonischsten Sponsorfarben. Als wir erfuhren, dass Strada e Corsa aus Haarlem in Holland jetzt diesen coolen, zwischen 1982 und 1985 vom italienischen Jolly Club S.r.l. eingesetzten Gruppe-A-Renner zum Verkauf anbietet, wussten wir, dass wir mehr herausfinden mussten.
Falls Sie es noch nicht wussten: Die farbenfrohe Totip-Lackierung geht auf ein großes italienisches Pferdewettbüro zurück, das 1948 gegründet wurde und seine größte Popularität in den 1980er Jahren erreichte, als dieses Auto auf Rennstrecken in Italien und Europa unterwegs war. Die Totip-Scheine wurden an Kiosken in ganz Italien verkauft und brachten dem Unternehmen so viel Geld ein, dass es Hauptsponsor des berühmten San-Remo-Festivals — eines der ältesten Musikfestivals der Welt — wurde. Wo es den Gamblern die Möglichkeit bot, im Rahmen einer Publikumsabstimmung für ihren Lieblingssänger abzustimmen.
Jolly Club wiederum war ein 1957 in Mailand gegründetes Rennteam. Es entwickelte sich zu einem äußerst professionellen und gut finanzierten Rennstall, der in seiner Blütezeit rund 2.000 Mitarbeiter beschäftigte. Die Aktivitäten waren weitgespannt und reichten von der Tourenwagen-Europameisterschaft bis zu Offshore-Rennen. Der Club verfügte sogar über eine eigene Hubschrauberflotte, um seine Rallyefahrzeuge aus der Luft zu verfolgen.
Lennart und Jurriaan Schouwenburg, die beiden Brüder, die hinter Strada e Corsa stehen, sind in den 1980er Jahren mit diesem GTV6 aufgewachsen. Bei dessen Starts in der 2,5-Liter-Klasse der Tourenwagen-EM zog das Coupé sie immer wieder in seinen Bann. „Wir haben viele Stunden damit verbracht, Rennen zur Europa- und zur britischen Meisterschaft auf Eurosport zu sehen. In der Praxis unterschieden sich diese Gruppe-A-Autos natürlich stark von den Serienmodellen, was ihnen den ultimativen „Wolf-im-Schafspelz“-Status verlieh. Und genau diesen Effekt wollten die Hersteller erreichen. Diese Tourenwagenformel war nicht nur für die Fans an der Strecke gedacht, sondern sollte diese auch dazu bewegen, später die Ausstellungsräume der Händler zu besuchen.“ Win on Sunday, sell on Monday.
Während die Silhouette dieses GTV6 den im Showroom posierenden Serienkollegen noch sehr ähnelt, verbergen sich unter den auffälligen Totip-Farben eine ganze Reihe von Modifikationen. Jolly Club S.r.l. erhielt von Alfa Romeo die Lizenz, diese Rennwagen zu bauen, was bedeutete, dass sie Zugang zum kompletten Teilekatalog von AutoDelta, der Motorsportabteilung von Alfa Romeo, erhielten. Nur fünf dieser GTV6 entstanden beim Jolly Club, was ihnen passenderweise den Namen „Squadra Totip“ einbrachte.
Zu den zahlreichen Änderungen gehörten ein verstärktes Fahrgestell, ein spezielles, eng abgestuftes Transaxle-Getriebe, Alu-Querlenker, Achsschenkelverstärkungen und verstärkte Torsionsstäbe. Die Fahrzeuge verfügten außerdem über ein Sperrdifferenzial und Radnaben mit Zentralverschluss sowie ein modifiziertes, leichteres Armaturenbrett. Und natürlich wurde auch sonst alles aus dem Innenraum entfernt, dass auch nur ein Gramm Gewichtsersparnis versprach.
Der eigentliche Clou an diesen Autos waren jedoch die Bremsen. Da das Reglement in diesem Punkt ein Maximum an Freiheiten gewährte, stattete man die GTV6 an der Vorderachse mit je zwei doppelten Bremssätteln aus. An der Hinterachse kamen riesige, von den Brabham-Alfa Formel 1 entliehene Bremsen zum Einsatz, mit denen die Piloten so spät bremsen konnten wie kein anderer Konkurrent. Das Sahnehäubchen war dann, wie bei vielen Alfa aus jener Zeit, der sonore und von Ing. Busso entworfene V6. Wohl der beste Sechser, der je gebaut wurde.
Dieser GTV6 des Jolly Club-Teams nahm zwischen 1983 und 1985 an rund 24 Gruppe-A-Rennen in Italien teil, darunter die zur Tourenwagen-EM von 1985 zählenden 500 Kilometer von Monza, dort gefahren von Dr. Roberto de Gaetano, Giorgio Schön und dem Le-Mans-erfahrenen Duilio Truffo. Generell erwies sich der GTV6 als extrem schnell und ließ in der Hubraumklasse bis 2,5 Liter mit neben dem Jolly Club auch von Luigi Racing eingesetzten und von Top-Piloten wie Lella Lombardi, Gianfranco Brancatelli, Rinaldo Drovandi oder Giorgio Francia gesteuerten Modellen die Konkurrenz in der 2,5-Liter-Klasse hinter sich. Die enorme Bremskraft trug neben der 50:50-Gewichtverteilung zweifellos dazu bei, dass Alfa Romeo in den Jahren 1983 bis 1985 dreimal in Folge die Markenwertung der Tourenwagen-EM gewann. Es überrascht daher nicht, dass die Fahrer/innen die Autos zu lieben schienen. Der ehemalige australische Profi-Rennfahrer Colin Bond kommentierte: „Diese Autos haben ein großartiges Handling und so gute Eigenschaften. Man kann sie regelrecht in die Kurven werfen, da sie sehr viele Fehler verzeihen.“
Doch was hat es mit der Geschichte dieses Wagens abseits der Rennstrecke auf sich? Nachdem der Jolly Club 1997 seine Tore geschlossen hatte, wurde Maurizio Tabucchi, der angesehene italienische Alfa Romeo-Historiker, auf das Auto mit Chassisnummer B60000529B aufmerksam. Und reiste nach Mailand, um es zu erwerben. Zum Paket des nun bei Strada e Corsa zum Verkauf stehenden Wagens gehören ein beeindruckender Katalog von Ersatzteilen, darunter vier Ersatzmotoren, einer mit den extrem seltenen 40-mm-Vergasern von Dell'orto (FRPA-40) anstelle der sonst üblichen Einspritzanlage.
Zu den weiteren begehrten Teilen des Wagens gehören vier Sätze der seltenen Campagnolo-Magnesium-Felgen mit Zentralverschluss und der originale Sitz vom Rennen in Monza 1984. Natürlich kann sich der neue Besitzer auch über einen Berg von Dokumenten freuen, darunter ein offizielles Alfa Romeo RIAR-Ursprungszertifikat sowie ein ebenso offizielles Jolly Club-Testat. Wenn Sie also Lust haben, sich an historischen Rennen zu beteiligen, dann wählen Sie doch etwas, das so lebendig ist wie dieser Alfa und so viel Spaß macht.
Fotos: Pieter E. Kamp