Um es mit Lord Bryon, dem großen Romantiker des 19. Jahrhunderts, zu sagen: Unter Kennern gilt der Porsches Carrera GT als „verrückt, verdorben und gefährliche Bekanntschaft”. Und das trifft nur auf die Serienversion zu. Umso mehr ziehen wir unseren Hut vor den schwäbischen Spezialisten von Mechatronik, die es tatsächlich wagten, diese noch verrücktere, verdorbenere und potentiell gefährlichere Rennversion des Carrera GT für eine Fotoproduktion auf die (kurzzeitig eigens dafür gesperrte) Neuffener Steige zu schicken – ein an diesem Tag schon leicht angefrorener Albaufstieg auf 724 Meter.
Die Außentemperatur von minus 2 Grad, kalte Reifen, ein 650 PS starker V10 und das Fehlen jeglicher elektronischen Helfershelfer hätten für einen ungemütlichen Start in den Tag sorgen können – doch sowohl die Crew als auch der einzigartige Porsche kamen ohne Schaden zurück. Was erstaunlich ist, hatte doch selbst Walter Röhrl, der damals für Porsche die Fahrwerksabstimmung der Vorserienmodelle erledigte, dazu geraten, das Auto mit einer auf Wunsch auch abschaltbaren Traktionskontrolle zu bestücken. Überliefert ist sein Spruch: „Ohne Traktionskontrolle fängt in diesem Auto der Ernst des Lebens an.“
Sein Autoleben begann dieses besondere Exemplar im Jahr 2005 als einer von 1270 „regulären” und im neuen Werk Leipzig gebauten Porsche Carrera GT. Doch während die große Mehrheit der Besitzer glücklich darüber gewesen sein dürfte, diese straßenzugelassene und vom ursprünglich für den Arrows Footwork Formel 1 von 1992 entwickelten Motor angetriebene Rakete ihr Eigen zu nennen, reichte das dem belgischen Eigner dieses Supersportlers nicht. Ihm schwebte der Einsatz auf der Rennstrecke vor – und zwar am besten in Le Mans, so wie es Porsche 1999 mit dem unter dem damaligen Motorsportchef Herbert Ampferer begonnenen LMP2000-Projekt einmal vorgehabt hatte.
Obwohl es der intern als 9R3 bekannte Spyder dann nie auf die Rennstrecke schaffte, diente der LMP2000 als Basis für die im Jahr 2000 auf dem Pariser Salon enthüllte Konzeptstudie des Carrera GT. Von Walter Röhrl präsentiert, erweckte sie derart ernsthaftes Interesse, dass Porsche eine Serienproduktion ernsthaft in Betracht ziehen konnte.
Und so kam es, dass im Januar 2004 der erste Porsche Carrera GT auf die Straße rollte – in Amerika, wohin mehr als die Hälfte der Produktion ging. Sofort zog der Zehnzylinder-Sportwagen die Fachwelt mit seiner wahnsinnigen Performance in Bann – während er zugleich durch seine Eigenart, schon die kleinste Spur von Inkompetenz zu bestrafen, Profi- und Amateurrennfahrer ebenso wie Magazin-Autotester und TV-Präsentatoren in Angst und Schrecken versetzte.
In der Rückschau ist es natürlich wenig überraschend, dass man einen Porsche Carrera GT nicht der Großmutter zum Einkaufen überließ. Mit dem mittschiffs installierten V10 mit Formel 1-Genen, 612 PS Leistung für 1380 Kilo Gewicht, Handschaltgetriebe und Keramikbremsen, die erst richtig zupackten, wenn sie richtig heiß waren, war das nur ein Auto für Menschen, die „wirklich fahren“ konnten.
Der ursprüngliche Besitzer dieses Modells mit Chassisnummer WPOZZZ Z4L 000 145 zählte sich wohl zu dieser elitären Gruppe, brachte er sein Exemplar doch unmittelbar nach Anlieferung zum Tuner GPR Racing. Der Auftrag hieß: Bauen Sie den einzigen voll rennsporttauglichen Carrera GT des Planeten.
So flogen neben der luxuriösen Lederausstattung auch der Beifahrersitz, das „Porsche Online Pro” Infotainment-System (mit Telefon und Internet-Zugang), die Bose-Soundanlage, das fünfteilige Koffer-Set und sogar die Keramikverbund-Bremsscheiben raus. Dafür erhielt der Renner ein Motec-Steuergerät, maßgeschneiderte Querlenker und Spurstangen, AP Rennbremsen, eine spezielle Pedalbox, integrierte „Air Jacks” – also hydraulische Wagenheber – und eine Hochleistungs-Kupplung. Damit nicht genug, verpasste man dem Carrera GT noch einen Überrollkäfig von Thibaut, BBS Magnesium-Felgen ersetzten die speziell für das Straßenmodell von Porsche entwickelten Serienräder und dem Reglement entsprechend wurden ein automatischer Feuerlöscher und ein für Renneinsätze taugliches Kraftstoffsystem installiert.
So war das Auto prinzipiell gerüstet für Einsätze in der FIA GT Meisterschaft – doch sahen die Regelmacher keine Möglichkeit, den weltweit einzigen Porsche Carrera GT-R aufgrund seiner extremen Leistung in das Balance of Power-Raster einzuordnen. Als Folge landete diese potentiell schärfste vorstellbare Rennsportwaffe des GT-Sports nach rund 2.000 Kilometern auf Rennstrecken, zumeist vom Rennfahrer Marc Duez auf Trackdays abgespult, in der Sammlung des Erstbesitzers. Seit 2015 befindet sich der Porsche Carrera GT-R in den sicheren und kundigen Händen von Mechatronik. Als das Auto das Werk verließ, war es in „GT Silber“ lackiert, einer von fünf Serienfarben für den Carrera GT. Doch hat Mechatronik zuletzt die Zeit gefunden, dem Auto eine Optik zu verleihen, die mit ihren feinen geschwungenen Linien und den Mobil 1-Stickern an den Le Mans-Siegerwagen von 1998, den Porsche 911 GT1 ‘98, angelehnt ist.
So wirkt das Auto heute noch kompletter – und wahnwitziger. Uns wurde versichert, dass der GT-R bei hohen Geschwindigkeiten noch delikater zu kontrollieren ist als ein regulärer Carrera GT – aber in den richtigen Händen auch noch schneller und befriedigender. Und ob Sie es glauben oder nicht: Er tönt auch dank des schnurgerade geführten Auspuffstrangs nochmals kerniger als das im Vergleich fast lieblich klingende Serientriebwerk. Und nebenbei wurden so auch noch 30 zusätzliche PS freigesetzt.
Wenn Sie über die nötigen Mittel verfügen, bietet Ihnen dieser einzigartige Porsche Carrera GT-R die Chance, beim nächsten Track Day der Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Mechatronik bietet ihn für 849.000 Euro an – nach unserer Einschätzung ein sehr fairer Preis. Natürlich wird es nicht möglich sein, damit wirklich ein Rennen zu fahren – selbst wenn es dafür eine Serie gäbe, könnte es passieren, dass Porsche sein Veto einlegt. Doch Sie haben in jedem Fall ein wirklich einzigartiges und bemerkenswertes Rennsportgerät, dass auf Druck des Starterknopfes bereit ist, sofort los zu preschen. Und genau für diesen Zweck wurde es schließlich vor 20 Jahren entwickelt.
Fotos: Keno Zache © 2021