Haben Sie sich auch jemals gefragt, wie der Porsche Carrera GT ausgesehen hätte, wenn ihn seine technischen Väter für Langstreckenrennen präpariert hätten? Mit seinen am Boden schabenden Splittern, den mächtigen Lufteinlassschnorcheln und dem aktiven Heckspoiler überträgt dieser von Gemballa auf den Namen „Mirage GT“ getaufte V10-Supersportwagen die Phantasie in die Realität.
Anders als es das mehr als auffällige Design des langjährigen deutschen Tuners – dessen enigmatischer Gründer Uwe Gemballa 2010 in Südafrika unter mysteriösen Umständen ermordet wurde – vermuten ließe, soll diese Version des von 2003 bis 2006 produzierten Porsche sogar benutzerfreundlicher sein. Müssen wir Sie an eine Reihe von Unfällen erinnern, die es mit Carrera GT in den letzten Jahren gab?
Ob Sie es nun glauben oder nicht – aber hinter diesem Wahnsinn steckt Methode. Denn das ist nicht das Werk einer x-beliebigen Tuningfirma, die ohne Not einen zweifellos wunderbaren Supersportwagen aufschneidet, um ein wenig Einschaltquote bei You Tubern zu erhaschen oder auf Instagram die Leute verrückt machen wollen.
Das neue „aktive“ Fahrwerk arbeitet mit Gasdruckdämpfern und kann je nach Gusto und auf Knopfdruck höher- oder tiefergelegt werden. Die normalerweise schwergängige Kupplung erhielt spezielle Beläge, um speziell beim Anfahren ein Rupfen zu unterdrücken. Und die neu designten Felgen und vergrößerten Lufteinlässe – darunter die Hutze auf dem aus Kohlfaser gefertigten Dach – helfen bei der Kühlung von Bremsen und Motor.
Die 1000 Arbeitsstunden, die Gemballa in die Fertigung eines jeden der 25 Carrera GT steckte, zielte jedoch nicht ausschließlich auf eher langweilige und der Praxistauglichkeit dienliche Lösungen. Schließlich waren Gemballa Autos seit jeher aufgrund ihrer Wildheit bei Ölscheichs, Hollywood-Filmstars und Rappern besonders beliebt. Wer erinnert sich nicht an den in den 80er-Jahren gebauten Avalanche auf Basis Porsche 930 Turbo? Ein Auto, das in einer Zeit des Exzesses noch mehr Staub aufwirbelte als alle anderen.
Allein die Idee zum Mirage GT ist an sich schon ungeheuerlich. Doch funktioniert das Ergebnis auf wundersame Weise. Zugegeben, er ist extravagant, wild und so diamantbehangen wie der US-Schauspieler Mr T, doch bleiben alle stilistische Änderungen in Harmonie mit dem Ursprungsdesign. Wenn ein Carrera GT auf der Szene erschien, folgten weitere Supersportwagen aus aller Welt. Daher war es wohl nur logisch, dass sich einige Besitzer des Porsche weiter absetzen wollten.
Der Mirage GT sieht in der Tat aus, als würde er gleich an den Start eines FIA GT-Rennens rollen. Und würde er es tun, hätte er sogar gute Siegchancen. Denn Gemballa drehte auch an der Leistungsschraube. Der mächtige 5,7-Liter-V10 erhielt ein neues Einlasssystem, vier frei exhalierende Auspuffrohre aus Edelstahl und eine neue Software für das Motorsteuergerät. Das Ergebnis: Um 58 auf nunmehr 670 PS gesteigerte Leistung, verkürzte 0-100-km/h-Sprintzeit von 3,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 340 km/h.
Wir können gut verstehen, dass vielen von Ihnen die – mangels eines besseren Wortes – Verunstaltung – eines der spektakulärsten Supercars der Welt mit Schrecken erfüllt. Doch in einer Autowelt, in der es mehr denn je darauf anzukommen scheint, sich von anderen abzusetzen, gibt es einen Platz für diese ultraseltenen und polarisierenden Kreationen – schließlich wurden von insgesamt nur 1.270 gebauten Carrera GT nur 25 zu einem Mirage GT umgebaut.
Der Schätzwert von 775.000-875.000 Euro für dieses spezielle Modell, das von RM Sotheby’s bei deren Paris Auktion am 5. Februar, versteigert wird, scheint diesen Aspekt zu berücksichtigen. Es handelt sich um nur einen von drei Mirage GT „Gold Editions“, was wohl soviel bedeutet, dass sich rund ums Auto überall goldene Akzente finden. Für unseren Geschmack sind die goldenen Auspuffendstücke allerdings ein bisschen zu viel Knightsbridge, doch sieht der Rest ganz stimmig aus – sogar die tiefschwarze Wagenfarbe mit ihren vielfarbigen metallischen Flocken.
Viele Interessenten wird vor allem interessieren, für wen Gemballa dieses Modell damals aufgebaut hat: Es war Samuel Eto’o, der großartige Fußballer aus Kamerun, der für solch renommierte Clubs wie Barcelona, Chelsea und Inter Mailand gekickt hat. Ob es die Kosten für den Umbau von 400.000 Euro angesichts einer Fahrleistung von 6.500 Kilometern wert war, kann nur er – der bislang einzige Besitzer – beurteilen. Mit näherkommendem Sommer haben wir die Hoffnung, dass ein neuer Besitzer den neu gefundenen Wagemut – und auch die gesteigerte Nutzerfreundlichkeit - dieses Porsche ohne Scham genießen will. Vielleicht ist der Mirage GT am Ende ja doch nur eine Illusion.
Fotos: Kevin Van Campenhout für RM Sotheby’s © 2020