Das versammelte Publikum musste damals vermutlich laut und kollektiv nach Luft geschnappt haben, als beim Genfer Autosalon 1970 die Hülle vom Pininfarina Modulo gezogen wurde. Designer Paolo Martin, von dem unter anderem auch der Rolls-Royce Camargue und der Lancia Montecarlo gezeichnet wurden, hatte ein veritables Raumschiff für den Planet Erde geschaffen: Ein hyper-futuristischer „abgerundeter Keil“ mit zwei überlappenden Bodyshells mit voll verkleideten Rädern und einem gläsernen Vordach, das nach vorne ausschwingt, damit man einsteigen konnte. Im Heck war eine zweite gläserne Verdachung mit 24 Öffnungen, die den Ferrari V12-Motor umfasste sowie ein 512S-Fahrwerk, das dem 900 Kilo schweren Modulo eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von rund 354 Stundenkilometer schenkte.
Erst im Jahr zuvor hatte ein Mensch den Mond betreten und nun hatte es ganz den Anschein, als sei die Raumfahrt auf dem Heimatplaneten gelandet. Ein Auto, das aussah, als sei es nicht von dieser Welt. Was könnte irrer sein? Zum Beispiel, wenn sich die Chance ergäbe, tatsächlich selbst einen Modulo zu besitzen, wenn auch virtuell. Das ist das Angebot, das Pininfarina und RM Sotheby's in der kommenden Woche unterbreiten: Zwischen dem 24. Mai und 3. Juni wird es möglich sein, zu bieten, um die erste NFT Collection, die das legendäre italienische Designhaus offeriert, zu kaufen.
Für ihre Investition erhalten die erfolgreichen Bieter eines oder der fünf einmaligen NFT-Digitalkunst-„Pakete“, die den Modulo in „einer Mischung aus Design, Musik und Technologie“ feiern. Zu dem Konvolut zählt ein digitales Booklet mit Martins Originalzeichnungen für das Konzeptfahrzeug, die mehr als 50 Jahre im Pininfarina- Archiv aufbewahrt wurden und noch nie zuvor der Öffentlichkeit gezeigt worden waren.
Es gibt ebenfalls zwei physische Drucke dieser Werke, die jeweils vom aktuellen Pininfarina-CEO Paolo Pininfarina signiert wurden. Weitere Elemente umfassen fünf digitale Art Renderings und fünf einmalige Video-animierte NFTs von dem bekannten Künstler Sasha Serota. Serota, ein in Los Angeles basierter Sänger, Musiker und Toningenieur, der auch Justin Biebers Debütalbum „Purpose“ produzierte, platzierte jede dieser fünf Videoanimationen in einer der fünf Dekaden des Modulo. Er nennt sie Modulo 70, 80, 90, 00 und 10.
Nicht nur lockt eine zusätzliche, ebenfalls einmalige digitale Darstellung des Modulo, die siegreichen Bieter erhalten zudem eine Serie von „live“ VIP-Experiences wie beispielsweise eine private Führung durch das Pininfarina-Museum, ein Treffen mit der Autodesign-Abteilung der legendären Styling-Schmiede und ein „Eintauchen“ in das virtuelle Labor der Kreativen.
„Pininfarina und die NFT-Gemeinde passen gut zusammen, denn gemeinsam sind ihnen die Werte und das innovative Design, die auch unseren Kern ausmachen“, sagt Paolo Pininfarina. „Dieses Projekt ist ein spannendes Unterfangen für Pininfarina, weil es eine historische Vision in der Metaverse zum Leben erweckt und zugleich Vorteile aus der realen Welt bietet.“
„Unser internationales Ansehen beruht auf Innovation und Schönheit und wir haben uns nie davor gescheut, Konventionen radikal in Frage zu stellen und neue Technologien einzusetzen. Die Metaverse ist der Ort, wo Pininfarina weiter Neuerung und Veränderung ohne Grenzen entwickeln kann und wir unsere einzigartige DNA nicht nur den etablierten Enthusiasten, sondern auch einer neuen Generation von Begeisterten näherbringen können“, ist sich Pininfarina sicher.
Wie viele Classic Driver-Leser vermutlich wissen, verkaufte Pininfarina den echten Modulo 2014 an den Filmregisseur und Produzenten James Glickenhaus, der eine neue Karriere als Autohersteller startete. Der Chef der Supersportwagenmarke sowie des Langstreckenrennteams Scuderia Cameron Glickenhaus nannte bereits eine Garage voller seltener und wertvoller Klassiker sein Eigen, ehe er den Modulo für eine ungenannte Summe kaufte. Seinerzeit konnte das Auto nur statisch ausgestellt werden, aber Glickenhaus ließ es sorgsam restaurieren und verwandelte den Modulo in ein voll fahrfähiges Hypercar. Im Jahr 2019 sorgte es wie einst in Genf auch beim Publikum des Concorso d` Eleganza Villa d` Este für atemloses Staunen, doch kurz danach entzündete sich das Heck, als Glickenhaus auf den heißen, vom Verkehr verstopften Straßen Monacos unterwegs war.
Eine rasche Reaktion bewahrte die großartige Schöpfung davor, vollständig zerstört zu werden. Aber als Folge blieb ein versengtes und verbranntes Heck – man vermutet als Ursache, dass das Auspuffsystem mangelhaft geleitet worden war. Wer die Modulo NFT-Sammlungen ersteigert, muss sich über derlei keine Sorgen machen, man darf außerdem mit einer Kryptowährung bezahlen.
RM Sotheby´s warnt allerdings, dass es nötig sein wird, eine Digital Wallet zu besitzen, „die in der Lage ist, den NFT zu unterstützen und zu akzeptieren.“ Sollte diese „Geldbörse“ diese Investition nicht leisten können, ist auch der Zugang zu dem NFT unmöglich. Man könnte also auch in der Metaverse sein Auto verlieren…