Wenn das Leben nur Zitronen bereithält, macht man bekanntlich Limonade. Als unser guter Freund Pascal Stephan vom Classic Driver-Händler Mechatronik bei Stuttgart am späten Donnerstagnachmittag erfuhr, dass The International Concours of Elegance wegen des Coronavirus abgesagt worden war, blieb er unbeirrt. Schließlich hatte er den Weekender gepackt und die Ski auf dem Dach seines schönen Mercedes-Benz 300SL Roadster montiert, mit dem er nach St. Moritz fahren wollte. Warum nicht trotzdem nach Graubünden fahren, dachte er sich, um ein Wochenende lang entspanntes winterliches Fahren zu genießen?
„Ich finde, dass man in diesen Zeiten, die in vielerlei Hinsicht nicht so positiv für Petrolheads sind, jede Gelegenheit nutzen sollte, um diese klassischen Autos so oft wie möglich zu genießen“, sagt Stephan trotzig. „Erinnerungen schaffen, Spaß haben, Gleichgesinnte kennenlernen sind die Gründe, weshalb wir Autos lieben – und genau darum sollte es bei The Ice drehen. Ein Ereignis, bei dem sich die wahren Enthusiasten treffen – und diese wahren Enthusiasten scheren sich nicht um Wettervorhersagen und die Kilometerzahl auf ihrem Tacho. Es ist schön, Autos zu fahren, aber, hey, man will sie doch lieber bewegen!“
Stephan und seine Roadtrip-Begleitcrew waren nicht die einzigen Unverbesserlichen, die St. Moritz am letzten Wochenende beehrten – trotz der Absage des Concours und dem Covid-19-Risiko. Sicherlich waren sie die stilvollsten. Strahlend in White Grey mit burgunderrotem Leder besitzt „ihr“ 300SL Roadster die Auszeichnung, tatsächlich nur drei Vorbesitzer gehabt zu haben. Aber deswegen fristet er noch lange nicht sein Dasein in einer Garage. „Mit 79.000 Kilometer auf der Uhr liebt es dieser Roadster, gefahren zu werden“, erklärt Stephan. „Der zweite Besitzer, dem der SL von 1974 bis 2008 gehörte, bewahrte jede Werkstattrechnung auf – ein Umstand, den wir heute kaum noch antreffen. Außerdem besitzt das Auto das sehr seltene Werks-Hardtop, das mir sehr gefällt.“
Mit rund 430 Kilometern ist die Strecke von Stuttgart nach St. Moritz nicht sonderlich lang. Aber für Abwechslung entlang der Route sorgte die malerische österreichische Bodenseestadt Bregenz und natürlich die beeindruckende Bergwelt des Engadin. Wenn man mit einer atemberaubenden Ikone wie dem Mercedes 300SL unterwegs ist – dicht gefolgt von den Meisterfotografen Alex Penfold und Zach Brehl -, dann bieten sich Gelegenheiten im Überfluss, um Hunderte von Fotos zu schießen. „Wir waren ehrlich gesagt froh, überall mal anzuhalten, um diese Erinnerungen ins Gedächtnis zu brennen.“
Den Samstag verbrachte das Team damit, sich über den Berninapass zu schlängeln, eine der schönsten Straßen überhaupt, um die Höhenluft Graubündens einzuatmen. Sehr zur Freude der Skifahrer, die trotz der Warnungen der Gesundheitsämter die Pisten bevölkerten. Nach einem prallen Tag mit den spektakulärsten Panoramablicken dieser Region durfte sich der 300SL über Nacht ausruhen, während die wackeren Enthusiasten trotz Absage in das legendäre Nachtleben des mondänen Skiorts stürzten.
Die Heimreise nach Stuttgart schien sogar noch schöner als der hinweg nach St. Moritz, denn die Sonnenstrahlen tanzten auf dem Bodensee und der Mercedes einverleibte sich zufrieden grummelnd jeden Kilometer. „Es gab keine Staus, nur leere Straßen und einen perfekt laufenden 300SL“, schwärmt Stephan. „Ein Durchschnittstempo von 140 Stundenkilometer ist ziemlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieses Auto genau 60 Jahre alt ist. Abgesehen von der ganzen Aufregung um das Coronavirus, war es ein ideales Wochenende.“
Mit einem Auge blicken wir bereits in die Zukunft und daraus folgt die Ungewissheit, über die mögliche Ausbreitung des Virus in Europa. Es ist wohl unausweichlich, dass noch mehr internationale Autoveranstaltungen abgesagt werden müssen. Aber wie das Team Mechatronik beim winterlichen Roadtrip nach St. Moritz beeindruckend vor Augen führte, gibt es keine Ausrede, weshalb man nicht trotzdem ausfahren sollte. Letztlich ist das doch unser aller Elixier.
Fotos: Alex Penfold and Zach Brehl für Classic Driver © 2020