Es liegt recht versteckt zwischen den Gipfeln und Tälern der italienischen Alpen: Südtirol. Eine von Bergen gesegnete Region voller verfallener Schlösser, üppiger Weinberge und Seen, mächtiger Gebirgszüge und der einzigartigen Felsenformationen der Dolomiten. Südtirol sorgt immer wieder für unvergessliche Momente und Drehmomente. Italienische, deutsche, österreichische und ladinische Einflüsse – eine Ethnie, die in den abgelegenen Tälern der Dolomiten beheimatet ist – inspirieren das Land und seine Cuisine, Architektur, Geschichte und Tradition.
Zwölf historische Sportwagen durchkämmen die Idylle von München aus mit einem Ziel: Imola – dem dritten Saisonstopp des Porsche Carrera Cup Deutschland. Unter ihnen finden sich Rennfahrer, Motorsportfans und Enthusiasten, die sich beim Porsche Passion Drive 2022 eingeloggt haben, um auch zwischen den Rennen der gemeinsamen Leidenschaft zu frönen. Man findet sie also nicht auf einem Segelboot, oder auf der Driving Range wieder, sondern hinter dem Sportwagen-Volant: ihrer Bestimmung.
Ihre Autos, das sind zwei Porsche GT3 Touring, das Turbo S Cabriolet, der 992 Targa, sowie das Coupé, der 993 als Coupé und Cabrio, der Porsche Boxster, zwei G-Modelle - und ein Lancia Delta Integrale. Auf der Rennstrecke sind zwar alle Fahrer im Porsche unterwegs, beim Porsche Passion Drive bringt aber jeder seine Schätze von zu Hause mit. Gegen 8.30 Uhr an Tag 1 der Etappe schlüpfen alle aus der Münchener Tiefgarage und machen sich auf ihren Weg.
Es geht über Garmisch-Partenkirchen vorbei an der Zugspitze – mit 2.962 Metern Deutschlands höchstem Berg – durchs Vinschgau, dem nördlichsten Teil Südtirols. Ein paar Kehren und Pässe später grüßt bereits der charakteristische Reschenpass mit einer besonderen Rarität: St. Katharina. Die 1357 erbaute Pfarrkirche liegt überschwemmt im Reschensee, einzig ihr Turm ragt aus den Fluten. Ein überaus mysteriöses Motiv, das tausendfach geteilt und schon verfilmt wurde.
Ein paar wenige Schaltgänge weiter liegt das Gault Millau-Restaurant Flurin. Unter einem romanischen Gewölbe verströmt es eine besondere Noblesse. Ein Eindruck, der sich beim Betreten des Restaurants und schlussendlich im Gaumen nahtlos fortsetzt. Das in Glurns, im Herzen des Vinschgaus gelegene Restaurant, bietet eine regionale Küche, die durch die Originalität ihres Maître de Cuisine Thomas Ortler 2022 den ersten Michelin Stern erhielt. Mehr als beeindruckt verlässt die Crew den mittelalterlichen Turm, doch es naht bereits das nächste Abenteuer.
Allmählich stimmen die Straßenverläufe die Fahrer darauf ein, was allen unmittelbar nach der Apfeltarte mit Rosenwasser und Thymian bevorsteht: die 48 Haarnadelkurven des Stilfser Jochs. Die Sportwagen machen sich auf Richtung Gipfel. Manche Fahrer sind nervös, andere außer sich vor Freude und können es kaum abwarten, sich in den Apex zu stürzen. Apropos Coolness: das Thermometer fällt um ein halbes Grad Celsius mit jeder Kehre. Mit einer Höhe von 2.758 m ist der kurvenreiche Passo dello Stelvio die höchstgelegene Straße Italiens – und die wohl atemberaubendste. 48 Kehren allein auf der Südtiroler Seite machen sie zu einer eindrucksvollen aber auch fordernden Bergstraße. Die charakteristischen, in den Steilhang geschnittenen, Kehren vor der atemberaubenden Kulisse des Nationalparks machen das Stilfser Joch nicht umsonst zur "Königsetappe" des Giro d'Italia bekannt. Das 49 km lange Prestigeprojekt wurde zwischen 1820 und 1825 erbaut und hat sich seitdem kaum verändert.
Die Porsche und der Lancia gleichen die zum Gipfel hin dünner werdende Luft gut aus und erreichen ihn ohne Mühe. Einzig die Fahrer brauchen eine Verschnaufpause. „Wahnsinn, so eindrucksvoll hätte ich mir das nicht vorgestellt,“ erzählt Carlos Rivas, dreimaliger ProAm-Champion im Porsche Carrera Cup Deutschland, der für diese Tour seinen Dienstwagen, den Porsche 911 GT3 Cup der Generation 992 gegen ein G-Modell eingetauscht hat. „Es war eine tolle Übung. Vor dieser Kulisse versetzt man sich automatisch in die Zeit früherer Bergrennen“, so der gebürtige Portugiese.
Die Abfahrt auf der anderen Bergseite schließlich ist nicht annähernd weniger herausfordernd und so entspannt sich die Crew, als Bozen endlich mit ein paar Apfelbaumplantagen aufwartet und man zur zweitägigen Erholungspause im Hotel Hanswirth einkehrt. Das 4-Sterne-Haus ist nur ein Steinwurf von Reinhold Messners Museum Schloss Juval entfernt, ein sehenswertes architektonisches Exempel. Allein die Glaskuppel über dem mittelalterlichen Schloss versetzt den Gast in Staunen.
Nach der gemeinsamen Eroberung des Stelvio warten ein UNSECO-Welterbe, die Dolomiten, auf den Porsche Passion Drive. Der Weg dorthin führt auch durch Cortina d'Ampezzo, einer malerische Bergstadt mit weißen Fachwerkhäusern vor der Kulisse rauschender Bäche, üppiger Wälder und der einnehmenden Gipfel der Dolomiten. Im Winter verfügt das Skigebiet über mehr als 115 Kilometer weiße Piste sowie über zahlreiche Seilbahnen und Sessellifte. Jetzt lassen sich nur Radfahrer und Sportwagen auf den Straßen unterhalb der schroffen Giganten blicken. Der Passo di Gardena, das Grödner Joch, ist ein weiterer Pass, der im Jahr 1915 einfach malerisch, wie eine Linguine in die Landschaft gelegt wurde. Er führt von Wolkenstein nach Kolfuschg, das zur Gemeinde Corvara gehört und mit 1.645 Metern über dem Meeresspiegel der höchstgelegene Ferienort der Region ist. Die Bergwelt am Grödnerjoch ist überwältigend und das in alle vier Himmelsrichtungen: sei es die mächtige Sellagruppe im Süden, die Cirspitzen der Puezgruppe im Norden, die Langkofelgruppe im Westen oder die Gipfel des Gadertals mit der Fanesgruppe im Osten.
Es folgen weitere unvergessliche Meilensteine eindrucksvoller Küchenkunst und Straßenarchitektur vom Lago di Garda bis Bologna. Die Crew des Passion Drive verabschiedet sich nur ungern von dieser Reise und doch blickt man motiviert in Richtung des nahenden Rennwochenendes im Porsche Carrera Cup in Imola.
Am letzten Abend in Bologna lässt der Erste endlich mal durchblicken, was alle auf dem Autodrome Enzo e Dino Ferrari erwartet: der Wettkampf. Er ist als Erster da und genießt bereits sein Kaltgetränk. Ob er es auch in Imola schaffen wird?
Text: Bastian Fuhrmann / Fotos: Mathieu Bonnevie © 2022