Sattgrüne Wiesen, Weinberge und Wälder, malerische Städte mit italienischem Flair, Dörfer aus Naturstein an steilen Berghängen, hölzerne Motorboote auf glitzernden Seen: Jenseits der Alpen lockt seit jeher das Tessin – und gibt eine Vorahnung jener mediterranen Verheißungen, die Reisende seit Jahrhunderten in den Süden ziehen. Wenn in Basel und Zürich noch der Schnee fällt, spaziert man ins Ascona bereits mit hochgeschlagenen Hemdsärmeln die Seepromenade entlang. Und im Herbst, wenn die Nebelschwaden durchs Mittelland ziehen, kann man zwischen Locarno, Bellinzona und Lugano bei einem Glas Maggia-Merlot noch kraftvolle Sonnenstrahlen für den Winter tanken. «Dahin! Dahin!», forderte Goethe auf dem Weg über den Gotthard. Es folgten Hermann Hesse, Thomas Mann, Richard Strauss, Billy Wilder, Max Frisch. Die Tage der Belle Époque, als das europäische Jet-Set auf großem Fuß durchs Tessin flanierte, mögen zwar vorbei sein – doch seit dem ersten Lockdown, als die Malediven und Südafrika plötzlich in unerreichbare Ferne rückten, erinnert man sich in der Schweiz, welches fast vergessene Juwel dort unten, im Süden, noch innerhalb der Landesgrenzen darauf wartete, wieder entdeckt zu werden.
Tief und dunkel hängen die Wolken zwischen den Bergen, das regennasse Asphaltband windet sich schmal zwischen Steilwand und Vierwaldstättersee. Die Wischerblätter pendeln über die Scheibe, Finger gleiten über glattes Leder, die Sportsitze umschließen sanft den Rücken, aus den Lautsprechern tönt ein Klavierkonzert – nur im Tunnel wird Alfred Brendels Tastenspiel übertönt vom Bariton des Biturbo-Motors im Heck. Müsste man den perfekten Reisesportwagen für eine Grand Tour zu den entlegensten Ecken Europas auswählen, man käme unweigerlich auf den neuesten Porsche 911 Turbo S.
Kein anderer Elfer ist derart stark, souverän, komfortabel. Gewaltige 650 PS warten nur darauf, entfesselt zu werden. Ein 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, das unter Porschefahrern berühmte PASM-Sportfahrwerk und der Allradantrieb mit Torque Vectoring bringen die Kraft derweil stets sicher auf die Straße. Auf dem Gotthardpass türmt sich jedoch schon der Schnee. Also eintauchen in die Tunnelröhre – in Kindheitserinnerungen ein Ort voller Lärm und Dieselduft, nun gleitet man in sanfter Ruhe durch das Gebirgsmassiv und blinzelt Momente später bereits in die Sonne, die am Tunnelausgang verheißungsvoll entgegenstrahlt.
Die erste Destination ist Lugano – und auch wenn die beschauliche Tessinmetropole von der lokalen Jugend augenzwinkernd als Lugangeles gewürdigt wird, erinnert die Bucht zwischen den mit Kastanienurwäldern überwucherten Hängen doch eher ein wenig an das ferne Rio de Janeiro. Also Fenster öffnen, die laue Luft durchs Cockpit strömen lassen, in den Flaniermodus herunterschalten. Im achatgrauen Metalliclack spiegeln sich Grandhotels und Palmen, am Lido di Lugano flattern die Röcke wie am Strand von Ipanema. Nur in der Ferne leuchten schneebedeckte Alpengipfel unter tiefblauem Himmel. Besteigt man das nostalgische Funicular auf den Monte San Salvatore und den Monte Brè – oder lässt man sich von seinem kosmopolitischen Porsche ganz privat in Richtung Gipfel leiten – und blickt auf das Panorama der Gipfel und Buchten hinab, fühlt man sich gar endgültig wie auf dem Zuckerhut.
Auch wenn der Tessin seit mehr als 200 Jahren zur Schweiz gehört – zumindest aus Sicht der für jedes mediterrane Klischee empfänglichen „Tedeschi“ ist die Lebensart südlich des Gotthards spürbar geprägt von einer lässig-eleganten Italianità. Und mit jedem Kilometer, den man entlang des Luganersees in Richtung Süden gleitet, meint man bereits den Zitronenduft und das Salz des Mittelmeeres ein wenig deutlicher aus der Luft herausschmecken zu können. Oben am Berg, zwischen den Dörfchen Carabbia und Carona, sind die Straßen so schmal, die Haarnadelkurven so eng, die Friedhöfe so marmorweiss und die Kirchtürme so barock wie sonst nur auf Sizilien. Und die eleganten älteren Herren, die mit ihren verbeulten Fiat Pandas völlig schwindelfrei in Richtung Abgrund ausscheren und den Weg für den recht breit gebauten GT freigeben, haben in ihrer Jugend sicherlich allesamt als Statisten bei Fellini und Visconti vor der Kamera gestanden. Die Fahrkunst lokaler wie auswärtiger Sportfahrer bemisst sich hier übrigens nicht in Beschleunigungszahlen, sondern an der Unversehrtheit der Felgen, die man bei einem Caffe`e Cornetto im wunderbar nostalgischen Hafendörfchen Morcote mit einem Seitenblick unauffällig überprüfen kann.
Sonnenbrille hochschieben, in die warme Sonne blinzeln. Über dem Motor flimmert die Luft. Nur ein gewagter Sprung in den kühlen See, ein paar Kraulzüge, und man würde am anderen Ufer, in Cuasso al Lago, italienischen Boden betreten. Doch es soll ja keine Italienwallfahrt, sondern eine helvetische Weltreise werden. Und so geht es bei Melide zurück auf die A2 in Richtung Bellinzona. Um den Heckflügel wirbelt der Fahrtwind. Auf den brutalistischen Autobahnbrücken und Viadukten der 1970er Jahre muss die Linienführung des Porsche 911 Turbo S mit seinen Luftschächten und Leuchtbändern nochmals dramatischer erscheinen. Auch der Himmel verfinstert sich. Also lässt man Locarno, Ascona und den mythischen Monte Verità, wo sich einst Europas Avantgarde kunstvoll entblätterte, links liegen und folgt dem Flusslauf der Maggia ins gleichnamige Gebirgstal.
So rasant, wie der Turbo bei jedem Zehenräkeln nach vorne schiebt, so schnell verändert sich nun auch die Landschaft. Immer näher rücken die Bergwände zusammen, statt Palmen im Wind säumen nun dunkle Kastanienwälder und Geröllhalden die Landstraße. Bei Bignasco gabelt sich schließlich der Weg, die Intuition weist nach Links ins Val Bavona – einem der steilsten und steinigsten Täler im gesamten Alpenraum. Und schon wird es wild: Unter senkrechten Felsstürzen liegen haushohe Granitblöcke, am Ende des Bavonatals ragt schroff und spitz das Kastelhorn in den Himmel, dahinter kann man das ewige Weiss des Basòdino-Gletschers erahnen, der diese urtümlich-raue Landschaft einst geschaffen hat. Man staunt und begreift: Mit dem Porsche kurz nach Patagonien oder schnell nach Neuseeland fahren, mit nichts dabei als einer kleinen Weekender-Reisetasche und der Autobahnvignette – das geht eben nur in der Schweiz.
Einem alten Saumpfad folgend, führt der verschlungene Weg über greise Natursteinbrücken und gurgelnde Wasser immer tiefer ins Tal. Der Kontrast zwischen dem hermetischen High-Tech-Cockpit des Porsche und der wilden Natur draußen, er könnte kaum größer sein. Und doch spielt die dramatische Kulisse dem Turbo S in die Karten: Die raue, zeitlos-erhabene Dramatik der Bergwelt liegt dem Charakter des großen Reisesportwagens sogar noch etwas besser als der liebliche Zauber Beinahe-Italiens. Vielleicht sind sie eben doch echte Romantiker in der Tradition von Goethe bis Caspar David Friedrich, der alpenbegeisterte Designchef Michael Mauer und sein Team in Weissach.
Zwischen den prähistorischen Findlingen erscheinen nun an den felsigen Berghängen schiefergraue, kaum weniger steinzeitlich anmutende Siedlungen. Es sind einfache, fast wie gewachsen wirkende Wohnhäuser, Ziegenställe, Voratskammern, meist erst auf den zweiten Blick von der schroffen Bergwelt zu unterscheiden. Es ist eine vergessene Landschaft wie aus J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“, ein Auenland für streitbare Talbewohner, die dem widerspenstigen Boden seit grauer Vorzeit etwas Gemüse und Mais für die Polenta abtrotzen. Tatsächlich sind die Dörfer, die nur im Sommer bewohnt werden, bis heute nicht ans Stromnetz angeschlossen – ihren Solarstrom produzieren die Bewohner selbst. Bei Foroglio stürzt ein Wasserfall aus 80 Metern spektakulär in die Tiefe, der feine Staub des Wassers erfüllt das Tal, legt sich kühl und klamm über die Karosserie. Motor abstellen, aussteigen, ankommen am Ende der helvetischen Welt. Im verwunschenen Steingarten des Slow-Food-Grotto La Froda serviert man Brassato con Polenta, im Herbst auch Hirsch-, Wildschwein- oder Ziegenragout, gesottene Ziege und geschmortes Murmeltier. Alles ist wie vor fast 100 Jahren, als hier die ersten Wandergäste bewirtet wurden. Dazu nippt man an Gasosa Ticinese statt am Alpenmerlot – noch chauffiert der Porsche 911 Turbo S seine Reisegäste schließlich nicht von selbst zurück in die Zivilisation.
Nur die Berggipfel glühen noch in der Abendsonne, als die Scheinwerfer des Porsche bereits den Weg zurück in Richtung des Gotthardtunnels weisen. Vor einigen Jahren wäre die Idee einer Weltreise in den Grenzen der Schweiz etwas absurd erschienen, ein kleiner Spass im Vergleich mit all den echten, großen Abenteuern, die draußen in der Welt auf uns Kosmopoliten warten. Doch nach einem Wochenende im Tessin weiss man es besser: Der Zuckerhut, sizilianische Dörfer, die raue Bergwelt Patagoniens – mit etwas Phantasie liegen die exotischsten Destinationen der Welt vor der eigenen Haustür. Und der Kontinente durchmessende Reisewagen wird zur Zeitmaschine, mit dem man die Gegenwart für einige herrlich analoge Stunden verlässt, bis einen das erste Zoom-Meeting am Montagmorgen zurück in die virtuelle Wirklichkeit holt.
Fotos: Andrea Klainguti