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Maserati Boomerang – Vorwärts in die Vergangenheit

„Der Boomerang war das irrationalste Auto, das Italdesign je entworfen hat. Es ist hauptsächlich mit dem Lineal entstanden. Wenn man neue Wege geht, birgt das aber auch ein Risiko. Die Suche nach der perfekten geometrischen Form ging vielleicht in aerodynamischer Hinsicht einen Schritt zu weit.”

Salonrevolution anno 1972

Verehrern des wohl kühnsten Concept Cars der wagemutigen 1970er Jahre mag bei diesen anscheinend respektlosen Sätzen der Atem stocken. Doch der Herr, der sie ausgesprochen hat, durfte das. Giorgetto Giugiaro, der Großmeister des Automobildesigns, schuf mit dem Maserati Boomerang nicht nur einen visionären Entwurf, sondern ganz buchstäblich einen Keil, der sich in die Welt der Automobilgestaltung bohrte und dessen formale Erschütterung noch lange nachwirkte. Man wäre gerne dabei gewesen, als der Boomerang 1972 auf dem Genfer Autosalon enthüllt wurde. Wobei bereits ein Jahr zuvor auf dem Turiner Salon ein Holzmodell des Sportwagens den Besuchern einen Blick in die Zukunft eröffnete. Nach einer wechselvollen Geschichte mit Gastspielen bei verschiedenen Besitzern wird der Boomerang am 5. September 2015 bei der ersten Bonhams-Auktion im Rahmen der „Chantilly Arts & Élégance” das nächste Kapitel seiner lebhaften Vita aufschlagen.

An den Grenzen der Machbarkeit

Giugiaro war erst knapp Mitte dreißig, als er diese Ikone des Designs schuf. Dabei hatte er schon zuvor große Klassiker wie den Maserati Ghibli und den De Tomaso Mangusta gezeichnet. Der Boomerang entstand als Konzept auf der Basis des Maserati Bora, der mit seinen kantigen Silhouette und der tiefen, breiten Frontpartie eindeutig schon die Handschrift des jungen Meisters trug. Giugiaro wollte aber mit dem radikalen Boomerang die Grenzen des Designs und der Machbarkeit nach seinen Alfa-Romeo-Studien Caimano und Iguano und dem Prototypen Tapiro für Porsche-VW noch weiter ausloten.

Fahrbereit und alltagstauglich

Über dem Chassis des Bora mit seinem V8-Mittelmotor mit 4,7 Litern Hubraum setzte Giugiaro zum Beispiel ein großzügiges Glashaus mit seitlichen Fensterpartien, die sich bis zum Dach hochzogen und einer unerhört flachen Frontscheibe mit nur 13 Grad Neigung. Statt sich wie Flügel zu erheben, waren die Türen des nur gut einen Meter hohen Keils geradezu konventionell seitlich angeschlagen. Das Einzelstück aus Giugiaros Ideenschmiede Italdesign sollte – anders als viele One-Offs – aber durchaus fahrbereit und dazu noch alltagstauglich sein. Das nicht minder spektakuläre Lenkrad, das wie aus einem großen Zylinder heraus zu wachsen scheint und in seinem Kranz zugleich die Rundinstrumente enthält, war so gestaltet, das es einen Fahrer bei einem Unfall vor Verletzungen schützen sollte. Auch die über 300 PS Leistung und eine Höchstgeschwindigkeit von nahezu 300 Stundenkilometern dürften spätere Fahrer über den nach Meinung Giugiaros nicht optimalen Strömungswert hinweg getröstet haben. So erzählte einer der früheren Besitzer, dass er auch nach Jahren immer wieder mit einem Lächeln aus dem Boomerang stieg.

Inspirtation für den ersten VW Golf

Die Raumfähren-Geometrie des Maserati Boomerang entfachte Begeisterung und inspirierte auch andere - wie man am Beispiel des Lamborghini Countach sehen kann. Doch auch Giugiaro selbst spielte das Potenzial dieser Formensprache in Variationen wie dem Lotus Esprit und dem De Lorean DMC-12 weiter durch. Zwei Modelle übrigens, die dank Hollywood („For Your Eyes Only” und „Zurück in die Zukunft”) absoluten Kultstatus besitzen. Wenn man jedoch den Boomerang genau und mit ein bißchen Fantasie betrachtet, dann schält sich schemenhaft auch die Form des Golf I heraus – war es doch dieser Maserati, der Volkswagen damals auch bewog, den italienischen Designer mit dem Käfer-Nachfolger zu betreuen. Denn Giugiaro beherrschte nicht nur die Kunst, Traumwagen aus seinem Stift fließen zu lassen. Er entwarf mit Kleinwagen wie dem Fiat Panda auch praktische Autos für Millionen.

Ein Keil kehrt zurück

Was hatte Giugiaro wohl im Sinn, als er sein Konzept auf den Namen „Boomerang“ taufte? Einen Keil kann man werfen, aber anders als ein Boomerang kehrt er nicht wieder zurück. Doch in seiner über 40-jährigen Geschichte hat dieser einzigartige Solitär genau dies gleich mehrmals getan. Nachdem er 1972 in Turin gezeigt wurde, hatte er dort 1996 wieder ein Stelldichein, auch zur Motor Show in Essen kehrte er immer wieder zurück. Im Jahr 1990 gewann er den Concours von Bagatelle - Giugiaro war Jurymitglied und hinterließ sein Autogramm am Heck -, neun Jahre später war der Boomerang dort wieder zu Gast. Auch Pebble Beach beehrte er zweimal mit seiner Gegenwart, ebenso wie die Christie’s-Auktion bei der Rétromobile in Paris. Letztes Jahr konnte er bereits in Chantilly bewundert werden. Und für dieses Jahr hat sein derzeitiger Besitzer entschieden, dass er bei Bonhams erster Chantilly-Auktion einen neuen, jüngeren Begleiter finden soll. 

Fotos: Bonhams

Im Classic Driver Markt finden Sie nicht nur den Maserati Boomerang, sondern auch alle weiteren Lose der Bonhams-Auktion am 5. September 2015 in Chantilly .