Forza Fulvia
Wir Autojournalisten genießen das große Privileg, uns von Berufs wegen ans Steuer moderner und klassischer Fahrzeuge setzen zu können. Eine Tätigkeit, die für uns nicht selbstverständlich ist - dennoch brauchen auch wir einmal eine Auszeit von diesem besonderen Alltag. Als hoffnungsloser Liebhaber aller Dinge, die alt und mechanisch sind, und nach mehrmonatiger Planung sowie einer neuen Leichtigkeit am Handgelenk, wo einst meine geliebte Rolex Explorer ihren Platz hatte, gönnte ich mir den Traumurlaub eines Petrolheads. Flug nach Italien, altes Auto kaufen und dann die kultivierte Rückfahrt nach London: Was will man mehr? Nachdem ich einige Tage die Bars und Restaurants von Mailand erkundet hatte, holte ich meinen Lancia Fulvia, Baujahr 1971, von der unglaublich hilfsbereiten Milano Garage ab und setzte mit dem Trip nach Chamonix einen der ersten Höhepunkte für eine sensationelle Reise. Ob genug habe ich mich unterwegs gefragt, ob man solche Erfahrungen noch toppen kann. Aber dann gab es eine Flut von Instagram-Nachrichten und mit ihr die Begegnung mit einem reizenden Franzosen, der eine der schönsten Einladungen aussprach, die ich überhaupt erhalten habe.
Tage wie dieser
Ich wurde gebeten, meine Hotelbuchung im faden Reims zu stornieren. Stattdessen würde ich in der Anlage des Chateau de Fère bleiben, rechtzeitig zur diesjährigen Auflage der Journées d’Automne - einem Treffen von Automobilisten, das in seiner wunderbar offenen und entspannten Art, jenes Joi de vivre verkörpert, wie man es nur in Frankreich zu zelebrieren versteht. Nach einem Abend mit Champagner und lukullischen Genüssen, umgeben von einer bunten und leidenschaftlichen Schar, die das 15. Jubiläum dieses einmaligen Events feierte, reihte sich die kleine Fulvia in den Convoy Richtung Circuit des Ecuyers ein. Was dort folgte, war ein hinreißend entspannter Trackday, wo alles von Mini bis Bugatti Typ 35 temperamentvoll um die Kurven schoss und sich in den Pausen zu köstlichen Crêpes traf. Danach gab es ein ausgedehntes Mittagessen in der mittelalterlichen Atmosphäre des Schlosses Nestles, das über den wenig erbaulichen Weg zum Eurotunell tröstete. Als Bestätigung von Lancias früher Ingenieurkunst und zur Überraschung vieler Autoliebhaber, bewältigte „Fulvietta” die 1.400 Kilometer von Mailand nach London ohne technische Vorkommnisse. Eigentlich hätte ich mir schon die eine oder andere Panne in der Nähe eines Chateaus gewünscht, nur um die Erinnerung an diesen Roadtrip mit dem Lancia und die Gastlichkeit neu gewonnener Freunde zu verlängern.
Fotos: Mathieu Bonnevie for Classic Driver © 2017