Noch bedauerlicher ist, dass eben dieses Fahrzeug kurz nach seinem Debüt verunfallte.
Alfa Romeo hatte mit den leichten und im Rennsport erfolgreichen TZ-Modellen mehr als nur ein Zeichen gesetzt. Die Tubolare Zagato Coupés sollten nun eine Straßenversion an ihre Seite gestellt bekommen. Alfa ging es sportlich an und gab nicht Zagato den Auftrag, sondern den Rivalen Bertone und Pininfarina je ein Chassis, auf welchem sie ihre Interpretation eines sportlichen Alfa Coupés verwirklichen konnten. Bei Bertone machte sich kein anderer als der junge Giorgetto Giugiaro ans Werk.
Das Chassis des TZ stellte sich dabei schnell als eine echte Herausforderung dar. Es war tief angelegt und zeigte bereits absolute Sportwagengene. Optimale Aerodynamik war offensichtlich ein zentrales Motiv dieses Alfa Romeo. Bei Bertone huldigte man dieser mit einer formschönen, kurvenreichen Karosserie aus Glasfaser mit einem sogenannten Kammheck für mehr Abtrieb. Neben dieser Grundlinie zeigt das Fahrzeug allerdings noch einige weitere bemerkenswerte Details, wie eine erstmals eingeklebte Frontscheibe und Lüftungsöffnungen, die klar in die späteren Bertone Designlinien einflossen. Im Innenraum betörten unter anderem die Lüftungsdüsen im besonderen Alfa-Design.
Der Alfa Romeo Canguro debütierte im Jahr 1964 auf der Pariser Motorshow. Und obwohl das Fahrzeug großen Zuspruch erlangte, wies Alfa den Vorschlag schnell zurück. Das mag vermutlich daran gelegen haben, dass die neue Rennabteilung Autodelta, die für die Produktion verantwortlich sein sollte, keine Kapazitäten besaß, das komplexe Chassis in großen Stückzahlen zu fertigen. Dies enttäusche vor allen Dingen Nuccio Bertone. Noch bitterer war allerdings, dass der Alfa Canguro einen zerstörerischen Frontschaden während einer Kollision bei hohem Tempo erlitt. Ausgerechnet bei Filmaufnahmen für einen Werbestreifen von Shell.
Der Unfall geschah auf der Parabolica Kurve der Rennstrecke von Monza, wo den Aufzeichnungen nach auch ein anderes Bertone Concept havarierte: der Chevrolet Testudo aus dem Jahr 1963. Nuccio Bertone begutachtete den Schaden und entscheid umgehend: irreparabel. Später wurde er mit folgenden Worten zitiert: „Die Herstellung eines Prototypen beansprucht rund 15.000 Stunden Arbeit.“ Die Instandsetzung erschien also unverhältnismäßig, zumal Alfa Romeo die Serienproduktion bereits abgesagt hatte. Somit wurde das Wrack dieses wunderbaren Alfa-Romeo-Concepts außerhalb der Werksmauern von Bertone sich selbst überlassen. Ein vorläufig trauriges Ende.
Irgendwann in den 1970er Jahren bemühte sich allerdings der deutsche Journalist Gary Schmidt um das Fahrzeug. Er dachte an eine Restauration des Autos. Denn tatsächlich waren viele Teile serienkompatibel mit anderen Alfa-Romeo-Modellen aus der Epoche. Doch auch er scheiterte letztlich an der zerstörten Front, da auch Aufzeichnungen für eine korrekte Rekonstruktion fehlten oder ihm nicht zugänglich waren. Die Reparatur wurde nicht vervollständigt und so gelangte das Auto auf Umwegen in die Sammlung des japanischen Sammler Shiro Kosaka, der mittlerweile auch die Pininfarina-Version besitzt. Und tatsächlich: Er setzte die Arbeit fort und ließ das Auto neu auferstehen. Beim Villa d´Este Concours erlebte der Alfa sein zweites Debüt. Und wurde prompt zum „Best of Show“ gewählt. Leider verstarb Schmidt zuvor im Jahre 2003, so dass er „seinen“ Alfa nicht mehr zu Gesicht bekam.
Heute kann der Alfa Romeo Canguro zurecht als Meisterstück des italienischen Fahrzeugdesigns betrachtet werden. Nicht nur dank des großen Talents von Giugiaro, sondern auch dem handwerklichen Bemühen von Schmidt und Kosaka, lebt der Geist des Canguro fort. Also doch noch ein gutes Ende.
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