In den vergangenen wurde aus dem zarten Pflänzchen Restomod eine blühende Industrie, in der Namen wie Singer, Eagle und GTO Engineering mit ihren eigenen kunstvollen Neuinterpretationen legendärer Fahrzeuge wie beispielsweise 911, E-Type und 250 SWB für Furore sorgten. Während bei modernen Autos die Pferdestärken in weiter astronomische Höhen galoppieren und dabei gewichtiger und größer werden, blättern Enthusiasten auf der Suche nach schierem Fahrspaß in den automobilen Geschichtsbüchern. Deswegen lautet die Frage der Stunden: „Welche Ikone sollte jetzt von einer technologischen Wiederbelebung profitieren?“
Ganz sicher sind Sie auch der Meinung, dass das bedeutendste Rallyeauto mit Heckantrieb der ideale Kandidat für so eine umfassende Verjüngungskur wäre. Den Lancia 037 muss man nicht wirklich vorstellen. Aber es sei kurz erinnert, dass es sich hier um das einzige heckbetriebene Auto war, dass der Allradkonkurrenz die Krone der Rallyeweltmeisterschaft weg schnappte. Selbst Audis gewaltige Quattro hatten das Nachsehen, als Lancia 1983 in der berüchtigten Gruppe B den Konstrukteurstitel der Rallyeweltmeisterschaft errang.
Bühne frei für den Kimera Automobili EVO37 – eine Wiedergeburt des legendären Straßenrennwagens 037 Stradale für das 21. Jahrhundert. Konzipiert als „Authentic Evolution“ des ursprünglichen 037 hat Kimera Automobile so viele wie möglich vom damaligen Team des Originalautos an Bord gebeten. Dazu zählt Claudio Lombardi, der Mann, der seinerzeit den Motor entwickelte und diesmal zusammen mit Italtechnica eine komplettes Reingineering des Reihenvierzylinders mit der jüngsten Technologie vornahm. Mit einem Hubraum von knapp über zwei Litern (2.111 Kubik), der sich an den letzten der 037-Gruppe B-Triebwerken orientiert, ist der neue Vierzylinder genauso wie das Original turbogeladen. Lombardi hat sich auch für einen modernes Ladersystem entschieden, dass vom Delta S4 inspiriert wurde. Damit entwickelt die Neuschöpfung eine durchaus verrückte Leistung von über 500 PS. Mit einem Leergewicht von knapp unter einer Tonne strotzt der EVO37 mit einem Leistungsgewicht, das einen Bugatti erblassen lassen würde.
Überhaupt hat das Team hinter dem EVO37 bei ihrem Ansatz die größte Sorgfalt walten lassen, um die Authentizität ihrer wiedergeborenen Ikone zu gewährleisten. Um die Basis für ihr Projekt zu schaffen, hat Kimera Automobili Reverse Engineering bei einem 037 und einem Delta S4 angewandt – bei dieser Nachkonstruktion wurden 3D Scans und CAD-Modellierung für jeden der einzelnen Komponenten eingesetzt. Wie bei den originalen Rallyeautos bildet ein Lancia Montecarlo-Spenderauto die Basis für jeden EVO37 um so ein zentrales Monocoque zu formen. Es bildet seinerseits die Grundlage für einen optimierten selbsttragenden Rohrrahmen, ähnlich wie beim Delta S4. Die Konstruktion geschieht in der Villa Kimera aus dem 18. Jahrhundert im italienischen Cuneo. Das fertige Fahrzeug besteht aus einer Kombination aus Karbon, Kevlar, Titan, Aluminium und Stahl – so lässt sich auch das atemberaubende Leistungsgewicht erzielen.
Die Bande, die den EVO37 und den 037 Stradale mit einander verknüpfen sind auf Anhieb sichtbar: Die eckigen Scheinwerfer des 037, die ausgestellten Kotflügel und der charakteristische „Entenbürzel“ haben wieder ihren überzeugenden Auftritt. Dabei war das Ziel von Kimera Automobile ein respektvolles Verfeinern des ursprünglichen Designs. Formen wurden vereinfacht, zu großzügige Spaltmaße nachjustiert und dennoch wurden die unverkennbaren Linien des 037 erhalten. Auch für das Interieur wurden Armaturentafel und die Struktur des Mitteltunnels an den ursprünglichen 037 angelehnt. Allerdings wurden diesmal reichlich Alcantara und Kohlefaser verbaut. Kimera Automobili verspricht, dass Verarbeitung und Finish jedem Hypercar ebenbürtig sein werden. Ein Umstand, den man von einem exklusiven Fahrzeug dieser Güte erwarten darf. Design ist zwar bekanntlich Ansichtssache, aber vom Cockpit eines EVO37 aus betrachtet, dürfte es schwer sein, einen Betrachter zu entdecken, der nicht starr vor begeistertem Erstaunen ist.
Zusammen mit Firmengründer Luca Betti wurde auch noch der zweimalige Rallyeweltmeister und Lancia-Werksfahrer Miki Biasion gewonnen, um an der Entwicklung der Fahreigenschaften zu arbeiten. Von Biasion ist ein denkwürdiger Ausspruch überliefert: „Das Beste, was ein bekleideter Mann tun kann, ist driften.“ Damit ist klar, dass der EVO37 auch hinterm Steuer Spektakuläres verspricht.
Die offizielle Premiere ist für das diesjährige Goodwood Festival of Speed vorgesehen, die ersten Auslieferungen sollen dann für September geplant sein. Der EVO37 hat einen Grundpreis von 485.000 Euro- in der Liga eines Ferrari SF90. Aber mit nur 37 Einheiten in der Pipeline plus 10 4WD Integrale-Modellen im Anschluss, dürfte selbst Maranellos aktuelles „Halo“-Auto kaum in Sachen Seltenheit, Motorsport-DNA und begehrenswerter Aura an die Schöpfung von Kimera Automobili heranreichen.
Words: Mikey Snelgar