Als der Fiat Cinquecento 1991 auf den Markt kam, erwartete die Welt vor allem ein billiges und vielseitiges Stadtauto zum Shoppen und Einkaufen, ganz in der Tradition des originalen Fiat 500. Doch Italiens Jugend bekam schnell spitz, dass sich Mamas erstaunlich agiler Einkaufkorb auf Rädern auch trefflich als Spielzeug für kleine Straßenrennen auf ehrwürdigen Kopfsteinpflaster-Boulevards eignete. In dicht bebauten Renaissance-Innenstädten ließen sich Kurven perfekt schneiden, auch auf gewundene Bergsträßchen ging es flott voran. Wir wissen nicht, ob Fiat Italiens junge Wilde einfach von der Straße holen oder eine günstige Möglichkeit schaffen wollte, um in die schon damals zunehmend teurer werdende Welt des Motorsports einsteigen zu können. Wie dem auch sei: 1992 wurde die Fiat Cinquecento Trofeo geboren.
Der Kleinwagen hatte nun seinen eigenen Markenpokal. Doch noch war er weit davon entfernt, ein „echter“ Rallyewagen zu sein. Der winzige 899 ccm-Vierzylinder mobilisierte gerade einmal 38 PS, was höchstens für eine schnellen Fahrt zum nächsten supermercato reichte. Jedoch auf einem Renn- oder Rallyekurs keinen Blumentopf gewonnen hätte. Also machten sich die Fiat Ingenieure ans Werk, das Go-Kart in eine veritable Waffe für die Piste zu entwickeln. Dank verbesserter Kühlung und einem Rennauspuff entlockten sie dem Motor bis zu 55 PS; ergänzt um ein Getriebe mit verstärkter Kupplung. Zusätzlich ausgestattet mit einem Sparco-Lenkrad, Rennsitzen, einem Überrollbügel, Bilstein-Fahrwerk, Abarth-Felgen und Michelin-Reifen war der 790 Kilo leichte Fiat Cinquecento Trofeo nun startbereit.
Auto und Trophäe waren auf junge und talentierte Fahrerinnen und Fahrer zugeschnitten. Es gab Klassen für Anfänger, Teilnehmer unter 21 Jahren und Damen. Beim ersten Lauf der Saison 1993 balgten sich rund 70 Teilnehmer/innen über zwei Tage auf dem anspruchsvollen Kurs von Mugello. Doch die Trofeo war nicht auf Italien beschränkt – Fahrer/innen in Frankreich, Deutschland und Polen stritten pro Saison in sieben bis neun Qualifikationsrennen um die besten Plätze. Am Ende des Jahres kamen die Besten aller Länder zu einem dreitägigen Showdown zusammen. Als Hauptpreis winkte der Einsatz auf einem von der Fiat Rennabteilung vorbereiteten Werks-Cinquecento bei der Rallye Monte Carlo.
Bald trugen weitere Länder wie Dänemark, Griechenland und Spanien eigene Quali-Rennen aus. Es entstand eine Europameisterschaft für hoffnungsvolle Nachwuchsleute und Hunderte von jungen Amateuren, die ihre ersten Gehversuche auf Rallyepisten unternahmen. Zugleich begannen Fahrzeugbesitzer damit, ihr Autos auch außerhalb der Markenpokal-Läufe einzusetzen, bis hin zur Rallye-WM. 1995 führte Fiat mit dem Fiat Cinquecento Sporting ein stärkeres Markenpokal-Modell ein. In der für das große Finale in Monte Carlo und WRC-Einsätze aufgebauten Gruppe A-Variante wurde die Leistung auf 105 PS gesteigert. Die Trofeo lief noch bis 1997, ehe der Fiat Seicento ein neues Kapitel in der Geschichte der Turiner Marke aufschlug.
Während die meisten Menschen diese kleine und bescheidene Episode der Motorsportgeschichte vergessen haben dürften, haben einige Fahrzeuge im Besitz von Sammlern bis heute überlebt. Dieser spezielle Fiat Cinquecento Trofeo wurde 1993 gebaut und von Fiat Auto France eingesetzt. Seitdem hat man ihn in gutem Zustand gehalten, samt allen zeitgenössischen Homologations-Aufklebern, Pässen, grauer Registrierungskarte und nur 9.545 Kilometern auf der Uhr. Das Auto wird aktuell von Straderial Motorcars in Paris im Classic Driver Markt zum Verkauf angeboten. Während offizielle Fiat Werksrennwagen aus den 1970er- und 1980er-Jahren bereits sehr beliebt und zunehmend im Wert steigen, schätzen wir, dass sich auch Fiat Cinquecento aus den 90ern und ihre heute noch erschwinglichen Rallye-Inkarnationen bald bis an die Spitze der Wunschlisten von Sammlern in aller Welt vorarbeiten werden.