Manchmal geht es im Leben nicht darum, was man kennt, sondern wen man kennt. Nehmen wir als Beispiel den ursprünglichen Besitzer dieses frühen Porsche 911 Carrera 2.7 RS, Monsieur Edmund Bauthier. Als wohlhabender belgischer Industrieller mit einem ausgeprägten Hang zu außergewöhnlichen Autos, war Bauthier gut befreundet mit Porsches Renndirektor und Marketingguru Huschke von Hanstein.
Als Bauthier folglich erfuhr, dass Porsche plante, 500 extrem konfigurierte Rennsportversionen des 911 zu bauen, um die Anforderungen der Gruppe 4-Homologation zu erfüllen, gelang es ihm nicht nur, eines der ersten Exemplare zu sichern, er konnte sogar den 911 genau nach seinen Vorstellungen anfertigen lassen.
Vermutlich war er schon von dem Motorsportrenommee des Carrera RS überzeugt, denn Bauthier machte auf dem Bestellformular ein beherztes Kreuzchen bei „Lightweight“ – auch als Option M471 Sport bekannt. Er hatte allerdings vor, den Porsche vor allem für längere Fahrten zu nutzen und da die kleinen, asketisch gepolsterten Schalensitze alles andere als komfortabel waren, änderte er im letzten Augenblick noch seine Meinung. Seine Wahl fiel schließlich auf das M472 Touring-Paket inklusive dem Wunsch nach Recaro-Sportsitzen und einem komplett in schwarz gehaltenen Interieur, aber ohne Schiebedach und Kurbelfenstern.
Für seinen Freund wählte von Hanstein höchstpersönlich einen neuen Motor aus der Produktion, allein das schon ein Merkmal, das gerade diesen Carrera RS auszeichnet. Gerade als der einmalige Elfer von dem berühmten Pariser Händler Sonauto an Bauthier ausgeliefert werden sollte, wollte sich Porsche für die Premier des Carrera RS eben dieses Auto für den Pariser Autosalon 1972 ausleihen. Leider sorgte Bauthiers kurzfristiger Sinneswandel bei der Ausstattung dafür, dass das Auto vier Wochen zu spät in Paris ankam.
Obwohl in seiner Garage bereits ein Ferrari 356 GTB/4 „Daytona“ und ein Maserati Merak parkten, soll Bauthier, wie man erzählt, seinen Porsche gerad für längere Ausfahrten favorisiert haben. Was aber vielleicht noch wichtiger ist, das Auto wurde immer garagiert und bis auf ein kleines Malheur in den Schweizer Alpen, als sich eine Schneekette löste und den Heckkotflügel streifte, gab es keine Unfälle. Erst 1985 trennte sich Bauthier von seinem ganzen Stolz mit dem markanten Entenbürzel und verkaufte ihn an Kevin Morfett vom britischen Markenspezialisten Historika.
Der ursprüngliche Zustand des Porsche war offensichtlich, doch was Morfett genauso fesselte, war die Tatsache, dass dieser Elfer zu den ersten 150 hergestellten Carrera RS zählte. Wenige wissen, dass gerade diese sehr frühen Fahrzeuge sich durch anspruchsvollere Merkmale auszeichnen wie beispielsweise eine zusätzlich verstärkter Getriebetunnel und ein aus hochwertigerem Fiberglas produzierter Heckspoiler.
Morfett hat seit dem Kauf diesen RS liebevoll gehegt und gepflegt. In dieser Zeit hat er auch eine sorgsame Restaurierung vorgenommen, mit dem Ziel sowohl die Integrität wie die Originalität dieses einmaligen Porsche zu bewahren. Als echtes „Fahrerauto“ verkörpert der Porsche 911 Carrera 2.7 RS die ultimative Gipfelleistung des ursprünglichen Sportcoupé-Konzepts von Porsche und sollte so zu einem Klassiker sondergleichen reifen. Das belegt allein schon der Rang, den dieser Elfer in Sammlerkreisen genießt – und zwar so sehr, dass er quasi als Lackmustest für den Zustand des Marktes gilt.
Wie oft kommt es vor, dass ein früher, ursprünglicher Exemplar mit nur zwei Vorbesitzern und begleitet von der umfassenden Historie und Dokumentation auf dem Markt auftaucht? Einen Carrera RS zu entdecken, der sich von allen anderen 1.580 Stück entscheidet, ist ein Glücksfall. Ohne Frage, dieses großartige und verlockend originale Exemplar ist genau das. Wer hätte gedacht, dass die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen so aussehen kann?
Fotos: Rémi Dargegen für Historika © 2020