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So entsteht bei Amalgam der perfekt patinierte Porsche 917K

Der neueste Wurf der Meistermodellbauer von Amalgam ist ein Porsche 917K mit schier unglaublich realistischer „Renn-Patina“. Das Modell zeigt das Siegerauto in just dem Moment, als es 1970 bei den 24 Stunden von Daytona die Ziellinie passierte. Wir haben die Künstler in ihrem Studio besucht.

Es ist eine unvergessene Episode der Rennsportgeschichte: Über 24 Stunden, 724 Runden und 4.439 Kilometer war der Gulf-Wyer Porsche 917K von Pedro Rodriguez, Leo Kinnunen und Brian Redman durch die aberwitzigen Steilkurven von Daytona geprügelt worden, ehe er beim ersten Rennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970 in Daytona als Sieger die Ziellinie überquerte. Die Narben dieser Schlacht hatten sich förmlich ins Blech eingegraben. Die zierliche Nase des 917K wurde durch den Schmutz auf der Strecke sandgestrahlt – so sehr, dass darunter das unbehandelte Fiberglas zum Vorschein kam. Die Frontscheinwerfer wurden mit hastig angebrachtem Klebeband gesichert, das Glas des vorderen linken Scheinwerfers war tatsächlich gesprungen und die Karosserie, die einst in einem feinen Enteneierblau schimmerte, strotzte nur so vor Gummiabrieb, Schmutz und Dreck. 

Nach dem Saisonabschluss 1970 wurde der in Daytona siegreiche Porsche 917 mit Chassisnummer 015 vom Werk zu einem Spider umkonfiguriert. Damit wurden leider auch alle Spuren dieses fulminanten Debüts der kompromisslosen Erfolgsjagd geopfert. Fünfzig Jahre später haben nun die britischen Spezialisten von Amalgam Collection, die zu den weltbesten Modellbauern gezählt werden, den bedeutsamen werks-unterstützten Porsche 917 als Modellauto für die Ewigkeit zu neuem Leben erweckt – und zwar in exakt dem Zustand, in dem sich der Rennwagen in Daytona im Wimpernschlag seines Triumpfs befand. Inklusive aller Blessuren.

Die Erfolgsgeschichte von Amalgam begann in den achtziger Jahren, als sich das Unternehmen auf Architekturmodelle und Produktprototypen für innovative Architektur- und Designfirmen wie Foster & Partners und Dyson spezialisierte. Nachdem man 1995 mit den Formel 1-Teams von Williams und Jordan ins Geschäft kam, richtete sich Amalgam auf Autos aus. Seither basiert der Ruf der Engländer auf ihrer Expertise im Modellbau, die durch ihre Präzision und ihren Realismus verblüfft. So entstanden auch enge Verbindungen zu den wichtigsten Automarken der Welt.

„Es ist unser Ziel, mit unserer Kunstfertigkeit und unserem Einfallsreichtum Modelle zu bauen, die auf Fotografien dem Original täuschend ähnlich sehen“, sagt Firmengründer Sandy Copeman, als wir ihn kürzlich in den Amalgam Studios in Bristol besuchten. Diese Traumfabrik fesselt nicht nur die Imagination, sie schlägt förmlich jeden Besucher in ihren Bann. Wenn Sie einen Grund suchen, sich wieder ganz neu in Autos zu verlieben, dann müssen Sie dieser Werkstatt unbedingt einen Besuch abstatten. „Wenn sie das Foto eines unserer Modelle für das echte Auto halten, dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt.“

Im Schaffensprozess der Modellautos bei Amalgam verbinden sich Kunstfertigkeit mit meisterhaftem Handwerk und Präzision mit Kreativität, Vorstellungskraft und Leidenschaft. Denken Sie an die hohe Uhrmacherkunst, wie sie von Firmen wie Richard Mille verkörpert wird – und mit welcher Amalgam übrigens sehr eng zusammenarbeitet. Auf den ersten Blick mag man über die Preisgestaltung der Amalgam-Modelle den Kopf schütteln. Ein Automodell für Tausende von Euro? Doch wenn man erlebt hat, wieviel Zeit und Aufwand in die Entwicklung jeder dieser Miniaturen fließen, dann ergibt dieser Wert durchaus Sinn. 

Zum Verständnis: Ein Amalgam-Modell im Maßstab 1:8 setzt sich aus mindestens 1.200 individuellen Teilen zusammen, wenn es sich um einen modernen Straßenwagen handelt. Bei einem Klassiker können es dann schon einmal 3.000 Komponenten sein. Ein einzelnes Speichenrad hat beispielsweise 72 Speichen, 72 Nippel und weitere zehn bis 15 Nabenelemente. Damit kann man bereits 1.000 Teile allein für die Räder ansetzen. Der Entwicklungsprozess bevor überhaupt die Gießharz-Elemente gegossen werden und die Konstruktion beginnt, erfordert bei einem modernen Formel 1-Rennwagen gut 2.500 Arbeitsstunden und 4.500 Stunden für einen komplexen Klassiker.

In diesen beachtlichen Zeitrahmen fällt zum Beispiel die Entwicklung eines Mustersatzes, aus dem die späteren Formen gearbeitet werden – meist stammen 50 Prozent aus dem 3D-Drucker. Dann entstehen bis zu 1.000 Bilddateien, die das Modell auf der Basis eines eigens vom Hersteller zur Verfügung gestellten CAD-Datensatzes oder digitaler Scans digital abbilden. Hinzu kommen noch maschinelle Bearbeitung, die Foto-basierte Ätzung der Metallteile und die Fertigung von Silikon-Gussformen für jedes individuelle Gussharzteilchen.

„Man kann nicht einfach die CAD-Daten oder Zeichnungen durch einen magischen Scanner jagen und – voilà – heraus kommt eins fertig gebackenes Automodell im Maßstab 1:8“, scherzt Copeland. „Man muss sich schon ganz genau überlegen, wie man das Auto bauen will, während es zugleich aber eine so akkurat wie mögliche Abbildung sein soll.“

Die Autos mit Rennsport-Patina – dem sogenannten „race-weathering“ – zu versehen, erlaubt es Amalgam, seine ganze Kreativität zu entfalten. Hilfreich ist dabei auch die Zugehörigkeit des Studios zum Motorsport Network, einem großen britischen Medienunternehmen, unter dessen Dach auch das umfangreiche Bildarchiv Motorsport Images beheimatet ist. So eine Sammlung bietet natürlich auch eine Vielzahl qualitativ hochwertiger Fotografien der berühmtesten Rennen der Motorsportgeschichte – ein Fundus und eine ideale Referenzquelle, um spezifische Fahrzeuge am Ende eines ganz bestimmten Rennens nachzubilden.

„Nicht nur den Schmutz, sondern auch die Schäden zu replizieren, stellt genau die Art von Herausforderung dar, die wir so schätzen. Sie gestattet es uns, die Bandbreite unseres Könnens und unserer Expertise wirklich auszuspielen“, strahlt Copeland. „Und weil wir auf der Basis einer Fotoserie arbeiten können, gibt es immer eine solide Referenz, auf die wir uns beim Projekt beziehen können.“

Das erste Modell, bei dem das „race-weathering“-Verfahren eingesetzt wurde, war der auch liebevoll als „Lucybelle II“ tituliert Ferrari 250 Testa Rossa, der 1958 in Le Mans den siebten Platz belegte wurde. Dem Testa Rossa folgte der von der Ueno Clinic gesponserte McLaren F1 GTR, dem es allen Widrigkeiten zum Trotz – inklusive fürchterlichem Wetter – gelang, 1995 den französischen Langstreckenklassiker für sich zu entscheiden. Der bei den Daytona 24 Hours siegreiche Porsche 917K ist das jüngste Modell, das im Studio geschaffen wurde. 

Es gibt zwei grundlegende Techniken bei diesem Verwitterungsprozess. Zunächst wird eine kleine Spritzpistole eingesetzt, um Details aufzutragen. „Wenn man Texturen nachahmen will, kann man durch das Aufsprühen viel erreichen. Bei Architekturmodellen kommt diese Technik oft zum Einsatz“, erläutert Copeland. „Wenn man die Front des 917 studiert, sieht man, dass wir nicht den Lack sandgestrahlt haben, sondern vielmehr winzige Punkte im Farbton des unbehandelten Fiberglases aufsprühten, um zu zeigen, dass die Farbe absplitterte.“

Zweitens werden unterschiedliche wasserlösliche Farben aufgetragen, um größere Bereiche des Modells abzudecken. „So eine reale Oberfläche besitzt eine immense Farbkomplexität – um den Dreck so authentisch wie möglich wirken zu lassen, ist es wesentlich, viele Schichten aufzutragen. Natürlich muss man immer wieder ausprobieren. Deswegen sind auch wasserlösliche Farben so wichtig, doch letztlich verlassen wir uns auf ein ganzes Repertoire verschiedener Techniken.“

Nur ein Spezialist aus Amalgams Riege von Meisterhandwerkern ist für diese Kunst der Verwitterung zuständig. Er braucht allein drei bis vier Tage, um das erste Modell fertigzustellen. Dieses Modell fungiert dann selbst als Referenz für alle weiteren Exemplare. Unser Lieblingsdetail des Porsche 917 ist das beschädigte Scheinwerferglas: Es wurde tatsächlich mittels Laserschnitt hergestellt und dafür wurde eigens nur für dieses Element eine winzige Vorrichtung gebaut.

Alle drei erwähnten Modelle wurden in dem größeren Maßstab 1:8 gefertigt. Neuerdings trägt Amalgam diesen patinierten Look auch bei kleineren Autos auf. So wird derzeit erstmals eine limitierte Auflage von 100 Exemplaren des Porsche 917K im Maßstab 1:18 gebaut. Genau diese Sonderedition wollten wir bei unserem Besuch im Amalgam-Studio in ihren verschiedenen Fertigungsetappen genauer ansehen. „Der größere 917K ist so gut angekommen, dass wir uns zu einem kleineren Schwestermodell entschlossen“, erläutert Copeland. „Der kleinere Maßstab ist derweil nicht schwieriger, einfach nur genauso schwer zu realisieren.“

Ganz egal in welchem Maßstab und zu welchem Preis – für uns sind die wie frisch von der Strecke erscheinenden Rennwagen ein fesselndes visuelles Spektakel, erzählen sie doch eine Fülle von Geschichten aus einem bedeutsamen Augenblick der Motorsporthistorie. Amalgam ist es mit dem Porsche 917K  gelungen, einen singulären Moment und eine sportliche Leistung einzufangen, die Ausdruck der aufopfernden Arbeit und der persönlichen Geschichten Hunderter von Menschen waren – sowohl vor als während des Rennens. 

Das echte Chassis 917-015 wurde inzwischen mit größter Sorgfalt in die geschlossene Coupé-Konfiguration von Daytona zurückversetzt. Auch das Fenster oberhalb der Windschutzscheibe ist wieder da – es diente der verbesserten Sicht in den Steilkurven. Der Porsche 917K erhält heute bei verschiedenen historischen Veranstaltungen in der ganzen Welt freien Lauf. Verschwunden bleiben allerdings der Schmutz und die Narben, die er 1970 von seinem 24-Stunden-Nonstop-Spektakel aus Daytona davontrug. Dank Amalgams dreidimensionalen Faksimile im kleineren Maßstab können wir diesen Moment des Triumphs nun doch nach Herzenslust nachspüren. 

Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2020

Nur 100 rennpatinierte Gulf-Wyer Porsche 917K im Maßstab 1:18 werden bei Amalgam gebaut. Jedes wird begleitet von einem Giclée-Druck in Archive-Qualität, welcher das Auto während des Rennens zeigt. Im Classic Driver Shop können Sie eines der verbliebenen Exemplare bestellen – und Amalgam Collections Palette feinster Modellautos durchstöbern.