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Ahnenforschung: BMW M6 Gran Coupé trifft BMW M1

Natürlich könnten wir das BMW M6 Gran Coupé auch gegen seine neuzeitlichen Gegner antreten lassen. Doch viel spannender ist eine Gegenüberstellung mit seinem frühen Vorgänger und Wegbereiter: dem BMW M1.

Es gab Zeiten, in denen die Entwicklung eines einzigen Fahrzeugmodells beinahe die gesamten Ressourcen eines Herstellers beanspruchte. Beispiel gefällig? Dann nehmen Sie nur den BMW M1. Das Vorhaben bescherte gleich zwei Unternehmen Sorge: BMW und einem weiteren Unternehmen, welches ursprünglich die Produktion übernehmen sollte: Lamborghini. Ja, tatsächlich. Seitdem hat sich viel geändert. Nicht nur zwischen BMW und Lamborghini. Heute bedienen sich Automobilhersteller eines Baukastens, der beinahe unendliche Möglichkeiten bietet. So wird Nische nach Nische erobert. Und sei diese noch so klein.

Ein wahrer Meister der Nische!

Genau in dieses Muster und in eine ebensolche Nische passt das M6 Gran Coupé. Eine viertürige Interpretation eines ursprünglich zweitürigen Themas - mit Leistungsplus. Es ist jedoch kein Derivat der M5 Limousine. Nicht nur rund 30.000 Euro sollen hier den Unterschied ausmachen, obschon beide Fahrzeuge auf den gleichen 4,4-Liter messenden Doppelturbo-V8-Motor und gleichem Getriebestrang vertrauen. Unter dynamischen Gesichtspunkten ist das Chassis des M6 GC jedoch stärker auf Komfort getrimmt, denn man möchte hiermit die Nische des viertürigen GT kultivieren. Ein wahrer Meister der Nische!

Wofür aber der beträchtliche Preisaufschlag? Ganz klar: für den Style. Denn es geht ganz bewusst um den fein differenzierten Ausdruck eines Lifestyles, den vermutlich nur eingefleischte BMW-Kenner dechiffrieren können. Das Fahrzeug wirkt in der Tat noch stimmiger als die propere M5-Limousine und eleganter als 6er Coupé und Cabriolet. Insofern sticht das erstarkte Gran Coupé heraus - so wie damals der M1. Extrem tief kauert der neueste Wurf aus der M-Schmiede über dem Grund. Das konzentriert den Blick auf das Blechkleid und dessen Proportionen. Das extravagante Sakhir Orange tut sein übriges dazu und schlägt ebenfalls den optischen Bogen zum frühen M1, den wir zum Rendezvous dazu gewinnen konnten.

Gleiten - schnell und leise

Das Muskelspiel in der Karosserie wird beschirmt durch ein leichtes Dach aus Carbonfaser. Auch schon ein traditionelles M-Merkmal: gut für den Schwerpunkt des Fahrzeugs, gut für die Kasse bei BMW. Die Vermutung liegt nahe, dass die stark abfallende Dachlinie den Fond auf Langstreckenfahrten zur Notlösung degradiert. Doch der Schein trügt. Wer nicht über 1,90 Meter misst, findet hinten geräumigen Platz. Und bei reduzierter Drehzahl auch beachtliche Ruhe. Die Langstreckentauglichkeit müssen wir demnach nicht in Frage stellen: Gleiten - schnell und leise. Das kann er auch.

Wer sich vom Heck nach vorne wendet, blickt in das vermutlich straffste BMW-Gesicht der Neuzeit: strenger Blick, in Chrom gefasste Doppelniere und große Kiemen in der Frontschürze unterstreichen den Anspruch eines Platzhirschen. Mit rund 560 PS Leistung unter der Motorhaube mit V-förmigen Inlay darf dieser Achtender so vorfahren. Und er erfüllt, was er verspricht. Die Doppelturbo-Kombination sorgt für stetigen Schub. Federstärke, Gaspedal-Kennlinie und Lenkung lassen sich in drei Modi konfigurieren, wobei die überzeugendere Steuereinheit direkt auf dem Lenkrad sitzt: in Gestalt der programmierbaren "M-Knöpfe". Hier lässt sich ein Beschleunigungsvermögen festlegen, welches spontane Überholmanöver innerhalb weniger Fahrzeuglängen zur leichtesten Übung machen.

Leicht ambitioniert wirkt auch der Endpreis, den M6 Gran Coupé Kunden letztlich berappen müssen: Knapp 130.000 Euro sind bei Order fällig. Doch wer den Vergleich mit beispielsweise einem Aston Martin Rapide nicht scheut, kommt immer noch günstiger dabei weg. Letztlich also alles eine Frage des Blickwinkels. Vier Jahrzehnte nachdem der M1 alle Blicke auf sich zog.

Fotos: Joe Breeze/Adrian Smith