Feierstimmung bei der M GmbH. Das einst als kleines Nischenunternehmen geplante Individualisierungsinstitut wird in diesem Jahr vierzig. Das heißt: vierzig Jahre BMW vom Feinsten. Denn bei der M GmbH wurden bislang (nahezu) alle Wünsche der Anhänger der Marke realisiert. Von Sonderfarben im Innenraum bis hin zur aufwändigen Unterstützung der Rennfahrzeuge in Kundenhand. Wer bei BMW etwas Besonders wünschte, wurde und wird bei den M-Männern fündig. Kein Wunder also, dass man bei BMW stolz ist auf die kleine Tochter, die mit ihren insgesamt fünf Geschäftsfeldern, darunter auch BMW-Security-Fahrzeuge, einen erheblichen Teil zum Jahresumsatz der BMW AG beiträgt.
Damit der Umsatz in Zukunft noch etwas höher ausfällt, setzt die M GmbH die wohl traditionellste Linie mit zwei Neuerscheinungen fort. Der M6 kommt in nur wenigen Wochen als Coupé und als Cabriolet in den Handel. Classic Driver hatte bereits vorab Gelegenheit, diese Modelle genau unter die Lupe zu nehmen.
Mit dem 286 PS starken BMW M635 CSI setzte die M GmbH 1984 die Erfolgsstory der schnellen Coupés fort. Vorgänger wie das 3,0CSL Coupé, das zwischen 1973 und 1979 sechsmal die Europameisterschaft gewann und der Design-Keil BMW M1 hatten die Kompetenz der M GmbH bereits frühzeitig eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit dem schnellen Sechser der 80er Jahre war das erste Modell entstanden, was sich in größerer Serie kaufen ließ.
Wer den alten M635 CSI heute mit den beiden Neuerscheinungen vergleicht, dem wird klar, dass sich der Stil gewandelt hat. Die beiden neuen M6-Modelle sind zwar deutlich dezenter als ihre unmittelbaren Vorgänger, doch die optische Zurückhaltung des Urmodells sucht man vergebens. Neben üppigen Front-und Heckschürzen mit großen Luftführungen sind es vor allem die 19-Zoll-Räder und die markante Vierrohr-Abgasanlage, die das Bild bestimmen. Beim M6 Coupé kommt zusätzlich noch ein Carbondach hinzu, was in der Mitte die schon fast traditionelle Sicke aufweist. Dass jedoch bei der M GmbH diese Stilmittel nicht nur Showeffekte darstellen, wird spätestens beim Öffnen der Motorhaube klar. Denn der in beiden Modellen montierte V8-Motor mit Abgasturboaufladung braucht die durch die riesigen Lüftungsgitter bereitgestellte Frischluft genauso, wie die Möglichkeit die Abgase via Vierrohr Auspuff zu entsorgen. 4,4 Liter und satte 560 PS, so lauten die respekteinflößenden Daten des monumentalen Kraftwerks. Bevor jedoch die Meute der Zylinderfetischisten über den Neuling herfällt, sei gesagt, dass dieser im Vergleich zu seinem 10-zylindrigem Vorgänger in Sachen Leistungsgewicht noch einmal deutlich zugelegt hat. Die bisherigen 3,5 kg/PS unterbietet das neue Coupé noch einmal um 0,2 kg. Im Alltag eine Randnotiz, auf der Rennstrecke mitunter Siegentscheidend.
Viel wichtiger als das nackte Zahlenwerk indes, ist die „Freude am Fahren“. Die kommt bei M-Produkten erfahrungsgemäß viel früher auf, als bei herkömmlichen BMWs, und so sind die Erwartungen an die beiden Jubiläumsmodelle hoch. Nach dem tiefen Einstieg in die passgenauen und vielfach elektrisch verstellbaren Ledersessel im M spezifischen Design, herrscht angesichts der Fülle von Mini-Knöpfchen zunächst für einen Moment Verwirrung. Erst die nächsten Kilometer bringen Licht in das Dunkel. Mit den drei kleinen Helfern links vom Wählhebel lassen sich Fahrwerk, Gasannahme und Lenkung in ihrer Abstimmung ideal mischen. Die beiden Lieblingseinstellungen können mit den Lenkradtasten dann abgerufen werden, praktisch, wenn es vom City-Shopping mal wieder auf den Race-Track gehen soll.
Doch gleich in welchem Modus man sich befindet, der M6 macht seine Sache bestens. Im Regelfall mimt er unter sanftem Grollen das etwas zu gut durchtrainierte Reise-Coupé. Bei Bedarf jedoch würzt die Elektronik kräftig nach und macht Schluss mit der Zurückhaltung. Der V8 darf dann bis zum erreichen seiner Maximaldrehzahl von 7.000/min brüllen und die Insassen mit der Gewalt von 680 Nm binnen 4,2 Sekunden (Coupé) auf 100 km/h katapultieren. Schluss ist erst bei den üblichen 250 km/h, wobei die M GmbH sich vorbehält, Könnern am Volant auch 305 km/h zu erlauben. Das es generell nicht schaden kann, für den Gebrauch des M6 einige Stunden an einem Fahrerlehrgang teilgenommen zu haben, macht die eklatante Traktionsschwäche des M6 deutlich. Schon moderate Gasstöße animieren die serienmäßige Traktionskontrolle zu hektischer Regeltätigkeit. Zwar gelingt es der Armada an Überwachungsorganen, den M6 stets auf Kurs zu halten, doch etwas Übung im Umgang mit dem im Heck schwänzelnden stärksten Sechser aller Zeiten dürfte nicht schaden. Eine hochwertige Compound-Bremsanlage, die gegen Aufpreis mit matten Keramikscheiben glänzen kann, sowie eine umfassende Sicherheitsausstattung stehen als stumme Reserve zumindest für den Notfall bereit.
Sitzt jedoch ein Könner am etwas zu wulstigen Volant des M6, sind die M-GmbH-Gene deutlich spürbar und sichtbar. Wie schon bei seinen Vorfahren, ist das präzise Fahren im Grenzbereich und die Kommunikation zwischen Maschine und Mensch die Paradedisziplin der Münchner. Der M6 lässt dem Fahrer die Möglichkeit zu spielen, gern auch im Drift, macht ihm aber auch deutlich, wo die Grenzen liegen. Die liegen dank der perfekten Abstimmung jedoch so hoch, dass man sie im regulären Verkehr kaum erreichen wird. Ganz im Gegensatz zu denen der finanziellen Belastungen, die der Kauf eines M6 mit sich bringt: Stolze 123.600 Euro berechnet BMW für das M6 Coupé und rund 7.400 Euro zusätzlich für das Weglassen des festen Daches im Falle des Cabriolets. BMW ist jedoch sicher, weltweit erneut deutlich mehr als 15.000 Abnehmer zu finden und so auch in den nächsten Jahren mit einer üppigen Rendite der M GmbH rechnen zu können. Auf die nächsten 40 Jahre.
Fotos: BMW