Von den 1940er bis 1960er Jahren standen die größten Karosserieschöpfer Italiens Schlange, um Fiats allerneuesten Modelle einkleiden zu dürfen. Daraus entwickelte sich ein Füllhorn an unterschiedlichsten Formen für alle nur denkbaren Autos, sei es der opulente Otto Vu oder der kleine 500. Auf ihre charakteristische und fesselnde Art verkörperten Fiats Autos immer – und egal ob von Zagato, Vignale, Pininfarina oder Boano gezeichnet – den kulturellen Zeitgeist ihrer Epoche. Bei der Versteigerung der Elkhart Collection im Oktober präsentiert RM Sotheby's eine Reihe von begehrenswerten Fiat, welche die Grundlage für eine äußerst ambitionierte Markensammlung schaffen würden. Und welches Modell wäre unser Favorit? Schwierig. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, dann würden wir auf der Stelle mit Ghias sensationellem Otto Vu „Supersonic“ nach der Auktion davonbrausen. Hier finden Sie unsere anderen Favoriten, zugleich können Sie auch den gesamten Katalog im Classic Driver Markt studieren.
Die Schallmauer durchbrechen
Der Eyecatcher unter den Fiat ist der Otto Vu (oder: 8V). Am meisten Aufsehen in der Riege der Otto Vu erregte aber der „Supersonic“ von Ghia. Mit der auffällig hohen Gürtellinie, die sich über die gesamte Länge des Fahrzeugs zieht, den subtilen Heckfinnen, gähnend breitem Kühlergrill und diesen kleinen Heckleuchten, die in Cluster wie bei einer Turbine angeordnet sind, wurde Giovanni Savonuzzis stromlinienförmiger „Supersonic“ von der jungen Aerospace-Industrie der fünfziger Jahre inspiriert. Von dieser Jet Age-Schöpfung wurden nur 15 Stück auf dem 8V-Chassis gebaut. Dieser Otto Vu ist die gelungene Vermählung von Kultur und Kreativität – und wir lieben ihn!
Mehr als Korbware
Die Sondereditionen des Jolly, der aus Fiats frugalen 500-er und 600er gewonnen wurden, liebte vor allem der Jetset der fünfziger und sechziger Jahre und machten das kleine Sonnenauto zum mobilen Symbol von la dolce vita. Im Jahr 1969 zeichnete Giovanni Michelotti eine modernere Variante des Jolly und nutzte als Basis die bescheidene 850-Limousine. Der offene, mit Sitzen aus Korbgeflecht ausgerüstete Spiagetta, wie er getauft wurde, war genauso fröhlich und sonnenhungrig wie seine Vorgänger und fand Fans wie Jacqueline Kennedy Onassis und die niederländische Königsfamilie.
Der rote Teufel
Zwar nicht so extravagant wie Ghias „Supersonic“, aber trotzdem sorgte Vignales erste Interpretation des Fiat Otto Vu, „Demon Rouge“ getauft, für Furore beim Debüt auf dem Genfer Automobilsalon 1953. Nachdem Giovanni Michelottis spektakuläres Showcar so große Resonanz erfahren hatte, entschloss sich Vignale für eine subtilere zweite Version – und genau dieses Auto wird RM aufrufen. Der Verzicht auf die unkonventionelle hintere Dachlinie nahm diesem Otto Vu nichts von seiner betörenden Schönheit. Man beachte die umgekehrten V-Formen im vorderen Kühlerbereich und das aufwändige Metall-„I“ – I wie Italia – auf dem Kofferraumdeckel. Das war Vignale vom Feinsten.
Dino de luxe
Wir trauen uns zu sagen, dass der Fiat Dino Spider genauso viel Sexappeal ausstrahlt wie die sinnlichen Dino „Ferrari“ 206 und 246, deren aufwühlendes Sechszylinderherz auch in ihm schlägt. Dieser Eindruck ist nicht wirklich überraschend, da die Modelle vom Ingenieur der Eleganz, von Pininfarina, gezeichnet wurden. Der von RM aufgerufene „Colorado Yellow“ ist ein seltenes 2400-Modell mit dem optimierten 2.4-Liter-Motor.
Double Bubble-Champion
Der von Zagato entworfene Fiat Abarth 750 wurde im März 1956 beim Genfer Autosalon vorgestellt und war mit seinem charakteristischen „Double Bubble“-Dach und den Heckseitigen Einlassöffnungen sofort enorm erfolgreich auf den europäischen Rennstrecken wie auch später in den USA. In der Saison 1956 beispielsweise jagten Größen wie Mario Poltronieri, Ernesto Prinoth und Vittorio Feroldi De Rosa mit den leichten GT um die Kurse und errangen 31 Klassensiege. Mehr noch, mit dem 750 kam Carlo Abarth auf den Geschmack – zu Siegen, sollte in der nächsten Dekade sein kompromissloses Ziel werden.
Vignale pur
Ja, auch dieser Otto Vu stammt von Vignale, aber der markante Unterschied zwischen diesem Grand Tourer mit hoher Gürtellinie und aufrechtem Grill und dem schwarzroten, vom „Demon Rouge“ inspirierten Auto verrät viel über den Gestaltungsfreiraum der Designer in der Nachkriegszeit. Dieses hinreißende Exemplar besitzt viele typische Elemente der Vignale-Handschrift und könnte - aus der Ferne betrachtet – glatt mit einem Ferrari 250 Europa oder 375 America verwechselt werden.
So chic kann ein Van sein
Gab es je ein stilvolleren Van als den Fiat 600 Multipla? Nur Italiener besitzen das Talent, einem funktionalen Auto für die Bedürfnisse größerer Familien und Taxifahrern eine so markante und charmante Persönlichkeit zu verleihen. Der wunderbar verpackte Multipla war die Schöpfung von Dante Giacosa. Wer hätte gedacht, dass man die Fahrgastkabine des serienmäßigen 600 über die Vorderachse hinaus verlängern kann, um Platz für sechs Passagiere zu gewinnen?
Der „erste Sportwagen“
Kein falscher Schein war im Spiel bei Giorgetto Giugiaros hübschem 850 Spider, Fiats erstem Volumen-Sportwagen, den er für Bertone entwarf. Das war vermutlich der Grund, weshalb sich Abarth die Motorsport-Gene zu eigen machte, um dem bescheiden-adretten Cabrio etwas mehr Pepp einzuimpfen. Der 49 PS starke Motor mit zwei Nockenwellen erhielt einen vorne montierten Kühler, doppelte Weber-Vergaser mit seitlichem Lufteinzug und natürlich dem berühmten Abarth-Abgassystem. Und natürlich den unverkennbaren Skorpion am Heck.
Die Reifeprüfung
Nach dem 850 Spider, der zugebenermaßen mehr „Show“ als „Go“ war, avancierten begeisterungsfähige junge Enthusiasten zum 124 Spider. Von Pininfarina entworfen, war der 124 gedrungener und Designwelten entfernt vom leichthändig gezeichneten Alfa Romeo Duetto, seinem Rivalen am Markt. Die Amerikaner, deren Hunger nach offenen Sportwagen in der Nachkriegszeit geradezu unersättlich war, mussten ihn einfach haben.
Ausgewogen und attraktiv
„Eines der ausgewogendsten und attraktivsten Designs, die derzeit erhältlich sind.“ So urteile die Fachzeitschrift „Road and Track“ über die Sportversion des Fiat 850. Das von Boano entwickelte Coupé war wirklich ein attraktives Prachtstück, vor allem in den für die Zeit typischen Farben wie dem Pastellgrün, in dem RMs makelloses Exemplar erscheint. Dieser wohl seltenste Fiat von allen basierte auf dem 850 Sport. Mit seinem Spitznamen „Il Mostro“ verkörperte er Abarths leistungsorientierte Überarbeitung des Modells. Ausgestattet mit dem kraftvollen 2-Liter-Rennmotor wurde das Auto ursprünglich entwickelt, um sich in der Arena der großvolumigen Tourenwagen gegen Kontrahenten wie den Alfa Romeo GTA und den Lotus Cortina zu messen. Diese Duelle hätte man nur zu gerne miterlebt – nur waren leider die Fertigungskosten so hoch, dass gerade drei Exemplare gefertigt wurden. Eines wurde an einen gewissen Niki Lauda verkauft.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von RM Sotheby's © 2020