Autos für Kenner
Porsche widersprach der eigentlichen Bedeutung eines „Sportwagens“ mit seinen Heckmotormodellen, die anfangs nur von einer kleinen Anzahl anspruchsvoller Fahrer geschätzt wurden. Mit einem 356 in der Garage zählte man zu jenem exklusiven Kreis von „Kennern“, die genau wussten, dass sie einen kleinen Schatz besaßen. Denn ein 356 war zwar teuer in der Anschaffung, doch dank der leichten Konstruktion und effizienten Aerodynamik waren die Autos sehr sparsam – viel sparsamer als die Konkurrenz – und zudem zuverlässig.
Für die Anderen waren die Sportwagen aus Zuffenhausen lediglich zu teuer, zu ungewöhnlich und zu klein motorisiert. Die Meisten sahen in ihnen nur eine deutsche Kuriosität, und die Besitzer brauchten viel Selbstbewusstsein, wenn sie für ihren merkwürdigen Geschmack gehänselt wurden. Der 356 wurde von anspruchsvollen, intelligenten und erfolgreichen Leuten gekauft, die das Fahren im Grenzbereich wirklich verstanden. Natürlich mangelte es nie an so genannten Experten, die stets erklärten, warum das Heckmotor-Prinzip falsch sei. Porsche jedoch wusste es besser und entwickelte das Konzept weiter – vor allem mithilfe der Erkenntnisse aus dem Motorsport, schließlich gewannen die Autos aus Zuffenhausen unzählige Wettbewerbe in verschiedensten Motorsportklassen.
Der Hang zum Übersteuern
Der tiefe Schwerpunkt des luftgekühlten Vierzylinderboxermotors sorgte für eine gute Straßenlage des 356, ebenso die über die Jahre verbesserte Einzelradaufhängung. Das flache Karosseriedesign und das lang übersetzte Getriebe wiederum verliehen dem Wagen gute Eigenschaften bei höheren Geschwindigkeiten. Das vergleichsweise hohe Gewicht auf der Hinterachse sorgte aber auch für eine überragende Traktion in der obligatorischen Harnadel. Ob auf kurvigen Serpentinen oder langgezogenen Straßen – der 356 war oft schneller als seine Rivalen, die zumindest auf dem „Papier“ als leistungsstärker galten. Die zurückgelassenen Besitzer der vermeintlich schnelleren Autos waren verwundert und zugleich frustriert darüber, dass sie mit den merkwürdigen deutschen Sportwagen nicht mithalten konnten.
356-Fahrer stellten sich auf das Handling ein und lernten, den Pendeleffekt des Hecktrieblers richtig einzusetzen. Um das Beste aus dem 356 herauszuholen, ließ man den Sportwagen in den Kurven bewusst übersteuern – wer dieses Manöver erfolgreich meisterte, wurde zum 356er-Fan. Autos quer durch die Kurven zu treiben, war jedoch nicht gerade „politisch korrekt“, also reduzierten die Porsche-Ingenieure diesen Hang zum Übersteuern über die Jahre immer weiter – mit dem Resultat, dass die Autos immer schneller wurden. Diese Veränderung kritisierten einige hartgesottene 356-Fahrer in den frühen 1950er Jahren, dies führte immer wieder zu Auseinandersetzungen.
Variantenvielfalt
Das hier gezeigte Exemplar, ein Porsche 356 B 1600 „Hardtop by Karmann“, stammt aus dem Jahr 1962. Es ist eines von nur 1.047 Exemplaren mit dieser Karosserie-Variante und ein Echtheit-Zertifikat bestätigt, dass der 356 am 17. August 1961 das Werk verlassen hat. Der Matching-Numbers-Sportwagen wurde sorgfältig restauriert und kommt am 9. Oktober bei RM Auctions in Hershey unter den Hammer. Die Preiserwartungen liegen zwischen 90.000 und 125.000 US-Dollar. Übrigens war dieser 356 bereits zuvor in diesem Jahr im Cincinnati Art Museum zu sehen – als Teil einer Sonderausstellung zur Feier der automobilen Designkunst.
Fotos: Darin Schnabel ©2014 Courtesy of RM Auctions