Glücklicher Besitzer des properen Franzosen-Doppels ist Jürgen Clauss, Gründer der Online-Plattform AlpineLAB, die sich an Besitzer und Liebhaber der Alpine A110 wendet. Nach seiner Überzeugung sind klassische Alpines stark unterbewertet. Um dem Auto die fehlende Anerkennung zu verschaffen, will er Besitzer zusammenführen, aber auch gut erhaltene Exemplare aufspüren und wieder aufpäppeln. Dabei braucht die Alpine A110 eigentlich keine Vorstellung mehr – Rallye-Star der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, Hecktriebler alter Schule und mit Quertreibern wie Jean-Pierre Nicolas, Jean-Claude Andruet, Jean-Luc Thérier, Bernard Darniche oder Ove Andersson unter anderem zweimaliger Sieger der Rallye Monte Carlo, EM-Sieger 1970 sowie Gewinner der Marken-WM 1971 und 1973.
Hommage an die Tour de France
Das hier gezeigte weiße Exemplar wurde zwei Jahre lang nach Original-Spezifikationen gewissenhaft restauriert. Es handelt sich um ein rares „Tour de France“-Modell mit dem anfangs von Alpine eingesetzten 1,1 Liter großen Heckmotor. „Die Tour de France-Version wurde ab Werk mit einer besonders leichten Fiberglaskarosserie und weiteren Rennsportoptionen aufgerüstet“, weiß Jürgen Clauss zu berichten. „Dazu zählten zwei Benzintanks, eine beheizte Frontscheibe, Plexiglas-Fenster, Sportsitze, Hinterachsfedern vom Typ Mille Miles, S.E.V. Marchal Scheinwerfer und eine sonst nur für die Werkswagen reservierte Frontkühlung.“ Der „Tour de France“ wurde 1965 vom nahe Lausanne wohnenden Schweizer René Wicky geordert, dessen Rennteam auf Porsche 908 auch bei Langstreckenrennen in Erscheinung trat. „Das Auto wurde ohne Motor ausgeliefert“, berichtet Alpine-Kenner Clauss. „Wicky hatte gute Verbindungen zum Motorentuner Bernard Collomb aus Nizza, sodass wir vermuten, dass er sich von ihm einen potenteren Gordini-Motor einpflanzen ließ.“ Der bis heute im Auto sitzende 1,3-Liter-Motor war gut für 135 PS stark – ein Plus von 40 PS gegenüber dem serienmäßigen 1100er-Aggregat.
Kurzzeitiger Erfolg
Die bekannte Rennhistorie des Wagens ist interessant, wenngleich schnell erzählt. Bei der zur Europameisterschaft zählenden Rallye Lyon-Charbonniéres-Stuttgart-Solitude von 1966 spielte die weiße Berlinette speziell auf den verschneiten Sonderprüfungen in den Alpen ihre Talente aus und verhalf Wicky samt Copilot Claude Haldi zu Platz fünf in der Klasse bis 1,3 Liter. Zwei weitere Alpine mit Hanrioud/Peray und Vinatier/Hoffmann am Steuer holten sogar die beiden ersten Plätze im Gesamtklassement. Nach dem Ende ihrer aktiven Karriere wurde die Alpine ab 1974 fast 40 Jahre lang in der Schweiz eingelagert, ehe sie Jürgen Clauss aufstöberte und 2012 erwarb.
Rédélés Vision
Die späten Gruppe-4-Modelle mit 1,8 Liter Hubraum und dicken Kotflügelbacken mögen uns besonders in Erinnerung sein, doch haben diese frühen, fast zierlich wirkenden Exemplare für Besitzer Jürgen Clauss ihren speziellen Reiz. „Das Besondere an einem Tour de France im Vergleich zur bekannteren A110 1800 ist die dem Originalentwurf von Jean Rédéle verpflichtete, schlanke und somit sehr elegante Karosserie. Darüber hinaus ist solch eine A110 Tour de France sehr selten. Soweit bekannt, sind nur zehn bis 15 Modelle mit Motorsportpaket gebaut worden. Es handelt sich also um eine der seltensten Alpine-Typen überhaupt, selbst im Internet findet man kaum handfeste Informationen.“
French Connection
Zum kompletten Glück eines Besitzers, der mit solch einer Alpine lieber heute als morgen zu historischen Rallyes ausrücken will, fehlt eigentlich nur noch der passende Rennwagentransporter. Und auch den hat Jürgen Clauss zu bieten. Im Vergleich zum im Frankreich der Nachkriegszeit omnipräsenten Wellbech-Transporter Citroën H ist auch der Renault Estafette ein eher weniger beachteter Klassiker. Dabei gehörte auch er zum Straßenbild des Frankreichs der Swinging Sixties. Als Clauss dieses bemerkenswert originale Exemplar entdeckte, erkannte er sofort seine Eignung als „Service Course“-Fahrzeug für seinen eigenen Fuhrpark. „Ich entdeckte diesen Estafette 2015 in Frankreich“, erzählt er. „Es handelt sich um ein Exemplar der sehr seltenen Reihe Zone Bleue, mit einem kleineren Wendekreis als die Serienversion und somit speziell für die engen Straßen von Paris geeignet. Er ist nun mein Team-Transporter und wird mich zu Rallyes und anderen Events begleiten.“
Stadtgespräch
Wir können uns kein passenderes Gallien-Gespann vorstellen, um damit zum Beispiel die heute gestartete Tour Auto, den spirituellen Nachfolger der Tour de France Automobile, zu bestreiten. Auch wenn es schnellere Transportmittel für eine Reise von Paris nach Cannes gibt, gehört eine Fahrt in der Alpine garantiert zu den unterhaltsameren Erlebnissen – speziell mit Blick auf die in ihr schlummernden Rallye-Talente. Und mit den Mechanikern als Nachhut im Estafette-Van ist man sicher bei jedem Zwischenstopp Stadtgespräch Nummer eins. Vive la France!
Fotos: AlpineLAB, Editions Maurice Louche