Mercedes-Benz kann fraglos auf ein einmaliges und durchgängig exzellentes Aufgebot an klassischen Automobilen zurückblicken. Man denke nur an begehrenswert elegante Modelle wie den W111 280 SE oder perfekt entworfene Sportwagen wie die W113 Pagode, um nur einige der vielen Highlights aus der Markenhistorie zu benennen. Seit 25 Jahren bewegt sich Mechatronik an der Spitze der Mercedes-Restaurierung. Der Markenspezialist aus Pleidelsheim bei Stuttgart geht sogar so weit, umfassend überarbeitete Restomod-Exemplare anzubieten, die von moderner Federungstechnologie wie auch von besonderen Motoren aus der AMG-Schmiede profitieren. Von außen sichtbar sind diese Eingriffe derweil nicht. Zuletzt haben sich die Entwickler bei Mechatronik einer völlig neuen Herausforderung gestellt – und auf Basis eines Mercedes SLC der Baureihe R107 ein äußerst kompetitives Rennstrecken-Katapult aufgebaut. Inspiriert wurde das „Projekt 107“ von einem der berühmtesten AMG-Rennwagen. Wir haben uns mit Mechatroniks Produktionsleiter Philipp Kronenbitter getroffen, um mehr zu erfahren.
Was unterscheidet eine Mechatronik-Restaurierung von anderen dieser Art im Klassikerbereich?
„Schwierige Frage! Ich denke, der größte Unterschied liegt darin, dass unsere gesamte Arbeit In-house stattfindet. Karosserie, Elektrik, Entwicklung, die komplette Technik und Mechanik sowie die Sattler- und Polsteraufgaben werden innerhalb unserer Werkstatt gefertigt. Wir restaurieren pro Jahr nicht genügend Autos, um eine eigene Lackieranlage zu rechtfertigen, zumal die behördlichen Auflagen in der korrekten Umsetzung so teuer sind, dass wir lieber diese Kosten dort investieren, wo es unseren Restaurierungen zu Gute kommt.“
Weshalb bieten die Mercedes-Modelle W111 und W113 so eine fantastische Plattform für Modernisierungen?
„Ich glaube, dass der W111 und W113 – nach dem 300SL – die höchste Nachfrage generieren. Außerdem gibt es eine riesige Gemeinde an Eignern, weshalb wir auf sie fokussiert sind. Sie bilden komplementäre Elemente innerhalb der Mercedes-Reihen – die Pagode ist ein Sportwagen, der W111 hingegen ein komfortabler Tourer. Deshalb haben wir auch einige Kunden, die von uns sowohl eine Pagode wie einen W111 bezogen haben. Beide Fahrzeuge sind ideal für den täglichen Gebrauch, egal ob für einen Ausflug oder einen Familienurlaub.“
Was sind die größten Herausforderungen beim Einbau neuer Technologien in klassische Mercedes?
„Es ist besonders schwierig, technische Ausrüstung so einzubauen, dass sie nicht offensichtlich ist. Wir wollen die Autos gebrauchsfreundlicher machen, ohne Abstriche bei dem klassischen Look, den wir alle so lieben, vorzunehmen. Die andere Herausforderung besteht darin zu sorgen, dass die alte und die neue Elektronik im Tandem agieren, beispielsweise wenn wir unsere restaurierten Exemplare mit ABS und ASR ausrüsten.“
Verändert der Einbau eines modernen AMG-Motors in diese alten Mercedes deren Charakter? Ist die Gewichtsverteilung davon tangiert?
„Jeder, der zu Mechatronik kommt, stellt genau diese Frage – man will wissen, wie sich das Gewicht verteilt. Wenn wir die neuen Motoren einbauen, ist komischerweise diese Balance besser als vorher, denn neue Triebwerke sind leichter als die älteren dank der innovativen Leichtbau-Materialien. Andererseits ist der Gesamtcharakter des Fahrzeug dann völlig anders. Es gibt mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich und somit ist das betreffende Auto ein viel besserer Cruiser. Der Kunde kann wählen zwischen einem dezenteren Auspuffsystem oder einem Sportauspuff. Also die Wahl zwischen dem unauffälligen Sleeper oder Mitteilung an andere, dass sich unter der Motorhaube ein gewisses Extra verbirgt. Beide Varianten entwickeln einen schönen V8-Sound, beide sind nicht aufdringlich und wirken, als hätten sie das Werk verlassen – aber wenn man auf das Gaspedal steigt, hört man diesen klassischen AMG-Klang. KW-Aufhängung und ein vergrößertes Bremssystem mit ABS und ASR sind standardmäßig bei unseren New-Tech-Restaurierungen und erlauben eine sportliche und sichere Fahrweise. Der Rest des Autos muss mit dem Triebwerk abgestimmt sein.“
Ihre Autos wirken wie von einem großen Hersteller gefertigt, gleichzeitig sind sie eng an der Produktionsphilosophie von Mercedes orientiert. Ist das etwas, dass Sie stark im Blick haben?
„Unbedingt! Beim W111 und der Pagode legen die Kunden Wert auf Understatement. Natürlich gibt es ein paar Details, die sich unterscheiden – die Mechatronik-Sportsitze sind höher und breiter und bieten eine sportlichere Sitzposition. Aber nur Profis würden diese Veränderungen erkennen. Im Allgemeinen sind wir sehr sorgfältig, was die Pflege und den Erhalt der ursprünglichen Ästhetik dieser Autos betrifft.“
Erzählen Sie uns doch mehr über das Mechatronik Projekt 107 SLC! Wie unterscheidet es sich von Ihren anderen modernisierten Klassikern?
„Mit dem Projekt 107 verfolgen wir einen komplett anderen Ansatz. Sie werden sehen, dass es einen umfassenden Einsatz von modernen Materialien wie Karbonfaser gibt, außerdem Updates für Fahrwerkskomponenten. Mit dem Projekt 107 wollen wir ein Fahrzeug schaffen, das jeden bei einem Track Day verblüfft. Während der Testfahrten hier in Hockenheim und auf dem Nürburgring haben wir uns definitiv überzeugt, dass wir unser Ziel, eine absolute Track Day-Waffe zu entwickeln, erreicht haben. Aber wir haben auch sichergestellt, dass wir keine Kompromisse bei der Alltagstauglichkeit machen mussten. Aufhängung, Bremsen und Auspuff wurden im Hinblick auf Track Days ausgewählt – das Auto soll nicht ein paar Runden durchhalten, sondern das ganze Track-Wochenende. Leider darf ich nichts über Rundenzeiten oder Beschleunigung verraten. Aber so viel: Das Auto ist richtig schnell!
“Wir waren auch sehr zufrieden mit der Strapazierfähigkeit während der Versuchsfahrten. In Hockenheim sind wir problemlos 300 Runden gefahren. Einzig die Bereifung und die Bremsbeläge mussten wir einmal wechseln, alles andere agierte bestens. Es ist fast wie bei der Black Series: Die Philosophie der Black Series bei AMG gleicht beinahe unserem Konzept für Projekt 107. Wir streben nach einem sehr breiten, gut aussehenden Auto, das dennoch täglich genutzt werden kann. Im Augenblick arbeiten wir rein an einem Coupé, also SLC-basiert. Aber vielleicht werden wir irgendwann in der Zukunft einen Roadster auf der Grundlage des SL erschaffen.“
Der R107 SL und der SLC waren zu ihrer Zeit Rivalen – hat Sie das auch zu diesem Auto inspiriert?
„Unsere Inspiration für Projekt 107 stammt von dem legendären 450 SLC AMG „Mampe“. Wir hatten den originalen „Mampe“ SLC hier in unserem Werk, weil wir ein paar kleinere Dinge wie Bremsen und Reifen auffrischten. Und da kam uns die Idee, Projekt 107 ins Leben zu rufen. Wie der W111 und die Pagode, besitzt die R107-Baureihe des SLC und des SL eine riesige Fangemeinde. Ich denke, dass sich mit diesem Projekt noch viel mehr Menschen für den SLC interessieren werden: Der Preis für die Serienfahrzeuge ist nicht zu hoch – man kann einen klassischen Mercedes-Sportwagen zu einem sehr vernünftigen Preis besitzen. Deswegen sind sie auch der Einstieg zu den Mercedes-Sammlungen vieler Menschen.“
Wohin wird sich für Sie der Markt für klassische Mercedes in den nächsten 10 Jahren bewegen?
„Das ist abhängig davon, wohin sich der Klassikermarkt überhaupt hinbewegt. Moderne Klassiker aus den neunziger Jahren haben enormes Potenzial – das ist für uns das interessanteste Segment. Die Blue Chip-Exemplare werden noch rarer werden, aber ich denke, dass sich die Werte für Autos mit hohen Produktionszahlen relativ stabil halten werden. Deswegen kommen die Menschen, die diese in großer Zahl hergestellten Autos besitzen, zu uns.“
„Es gibt keine verrückten Wertschwankungen, also ist es auch nicht so wichtig, die Originalität zu erhalten. Sie wollen jetzt ihre Autos als Daily Driver einsetzen und sie ohne die Sorge genießen, dass alles absolut werkstreu bleibt.“
Gibt es moderne Mercedes, die das Zeug zum potenziellen Klassiker besitzen?
„Die AMG aus den neunziger Jahren sind sehr interessant, es gibt auch eine Anzahl von sehr interessanten speziellen Homologations-Modellen. Es gibt eine Menge Potenzial für die Wertsteigerung aller Black Series-Modelle wie zum Beispiel der SLK und der SLS bis hin zum GTR Black Series. Diese V8-Motoren werden in Zukunft nicht mehr hergestellt werden, außerdem hat der AMG GTR Black Series eine sehr limitierte Produktionszahl. Ich denke, es wird sich hier eine enorme Nachfrage entwickeln. Wir haben zahlreiche Kunden, die an einem Black Series interessiert sind, aber der Markt ist dermaßen leer, dass es schwer ist, diese Autos zu finden. Wenn wir tatsächlich mal einen Vertreter der Black Series bei uns haben, läutet das Telefon den ganzen Tag ohne Unterlass.“
Zum Abschluss noch eine Frage: Wann dürfen wir uns auf mehr von Projekt 107 freuen?
„Wir haben noch keine Deadline gesetzt, weil wir nichts überstürzen wollen, aber wir denken, dass wir den endgültigen Auftritt des Autos im Sommer 2022 enthüllen können, die ersten Auslieferungen fänden dann in 2023 statt. Wir werden im nächsten mit Projekt 107 sehr beschäftigt sein, aber es macht auch so einen Spaß zu sehen, wie viel wir bis jetzt erreicht haben. Als Philosophie von Mechatronik gilt immer „Qualität, Perfektion und Leidenschaft“ und das ist auch die beste Art, so ein Auto wie dieses zu entwickeln und zu produzieren. Diese Einstellung hat sich für uns immer bewährt, deswegen ist das auch seit 25 Jahren unser Motto. Wir begreifen durchaus, dass man sehr lange auf unsere Autos warten muss, aber das Resultat spricht eindeutig für sich. Man spürt die Leidenschaft, die unsere Ingenieure in jeden Aspekt unserer Fahrzeuge investieren – Projekt 107 wird da keine Ausnahme sein.“