Denken Sie zurück an Ferrari in den achtziger Jahren und es geht Ihnen vielleicht wie uns: lässige Leinenanzüge in Pastellfarben, hypermännliche Schnurrbärte, Lufteinlässe wie riesige Parmesanreiben und Gilles Villeneuve, der in seinem roten Formel1-Rennwagen so wild um die Kurven schleudert, dass buchstäblich die Reifen vom Auto fliegen. Sie werden es kaum glauben, aber die Marke mit dem springenden Pferd gestattete sich während dieser Ära der Exzesse auch ein eigenes Rallye-Programm. Und war dabei sogar relativ erfolgreich.
Zugegeben, wenn man erlebt, wie der hübsche 308 GTB von Pininfarina beherzt eine wüste und von Staub vernebelte Wertungsprüfung attackiert, statt unter Palmen an sommerlich leicht bekleideten Schönheiten vorbei zu gleiten, schüttelt man verwundert den Kopf. So, als würde Pavarotti rappen oder Massimo Bottura bei McDonald´s Hamburger wenden. Aber man muss sich nur einmal die Referenzen der Gruppe ansehen, die den Auftrag erhielten, aus diesem Ferrari einen Rallye-Spezialisten zu formen, um zu verstehen, dass man es in Maranello ernst meinte.
Michelotto wurde zwar ursprünglich 1969 als Ferrari-Handel gegründet, aber die Experten aus Padua gaben mit ihrer eindrucksvollen Rallye-Vorbereitung des Lancia Stratos eine Visitenkarte im Motorsport ab. Dank dieser Beachtung sollten sie dann auch den neuen 308 für die Rallye modifizieren.
Eine Gruppe 4-Version mit verbreiterten Radgehäusen machte in den späten siebziger Jahren den Anfang. Michelotto nahm sich 11 dieser Leichtgewichte vor und baute sie vom Chassis aus auf. Danach waren sie kompromisslos und auch erfolgreich in ganz Europa am Start. Jean-Claude Andruet erkämpfte sich sogar bei der Tour de Corse 1982 den zweiten Platz in seinem 308 mit Pioneer-Farben. Das einzige Mal, dass ein Ferrari das Podium bei einem Lauf der Rallyeweltmeisterschaft zierte.
Eine „heißere“ Gruppe B-Variante folgte 1983, von der aber nur vier Exemplare gefertigt wurden. Drei von ihnen erhielten den voll optimierten Drei-Liter-Quattrovalvole-V8, der 325 PS entwickelte und bis zur aberwitzigen Zahl 8.000 drehen konnte. Dieser umwerfende 308, den Sie gerade bewundern, wird aktuell zum Verkauf angeboten von Classic Driver-Händler Girardo & Co. – und es handelt sich um einen aus diesem infernalischen Trio.
Mit Matching Numbers und einer umfassenden Ferrari Classiche-Zertifizierung blickt dieser 308 auf eine Motorsportkarriere zu seiner aktiven Zeit zurück. Am Steuer saßen Größen wie Harri Toivonen und Luigi „Lucky“ Battistolli und zu den beachtlichen Ergebnissen zählten Siege beim Trofeo Villa d`Este 1983 sowie der Rallye Citta di Bassano.
Obwohl er ausscheiden musste, war das tollste Rennen, dass dieser Ferrari bestritt, die Baja Montesblancos 1985, die als eine Art Paris-Dakar in der trockenen, entlegenen spanischen Landschaft von Aragonien von einer Gruppe französischer und spanischer Rallye Raid-Enthusiasten ausgerichtet wurde.
Für den robusten Einsatz wurde der 308 entsprechend kompromisslos vorbereitet. Was die Fantasie beflügelte waren weder die den Motor vor Staub schützende eingezogene Frontpartie noch das markante, schaufelartige Dach, sondern die legendären rot-weißen Marlboro-Stallfarben. Im Cockpit soll die Temperatur auf unerträgliche 50 Grad geklettert sein, weswegen das Fahrerduo Antonio Zanini und Carmelo Ezpeleta aufgeben mussten.
Ungefähr zwei Sekunden. Um so viel schneller soll Michelottos Gruppe B-Ferrari gegenüber seinem Gruppe 4-Vorgänger eine Wertungsprüfung absolviert haben. Vermutlich wegen des neuen Motors und den gerade einmal 970 Kilo, die er auf die Waage brachte. Leider hat die rasante Entwicklung innerhalb der Gruppe B und damit die vorzeitige Beendigung dieser Motorsportsparte auch das Potenzial des 308 abgewürgt.
„Er ist sehr kraftvoll. Das Fahrerlebnis ist irgendwo zwischen einem serienmäßigen 308 und dem brachialen 288 GTO“, erklärt Max Girardo. „Den Unterschied macht ein gut austariertes Chassis, das für unglaubliche Balance und diesen Gripp sorgt. Außerdem ist das F40-LM-Getriebe ein Genuss. Und Ferraris 3-Liter-V8 ein Kunstwerk. Dieses Auto besitzt einen fantastischen Sound.“
Girardo, der sich bestens mit den Handling-Finessen italienischer Rallyewagen der siebziger und achtziger Jahre auskennt, weiß, dass der längere Radstand des Ferrari im Vergleich, beispielsweise, zum Lancia Stratos ihn wesentlich umgänglicher macht – der perfekte Partner für Langstreckenrallyes wie die Tour Auto und den Modena Cento Ore, bei denen er beide startberechtigt wäre.
Diese Teilnahmeberechtigung wie auch die Seltenheit machen wesentlich die Anziehungskraft dieses reinrassigen Ferrari aus. Aber Wert ist eine weitere Eigenschaft, die Girardo sehr wichtig ist. „Viele vergessen oder realisieren erst gar nicht, dass diese 308 als echte Scuderia-Ferrari entwickelt worden sind, bei Ferrari S.p.A. zugelassen waren und vom Werk anerkannt sind,“ sagt er. „Mit einem Investition von weniger als einer Million britischer Pfund, findet man kaum einen hochgezüchteten Motorsport-Ferrari zu dem Preis, den man auch auf der Straße fahren kann. Ein Daytona Competizione oder ein F40 LM, die beide weniger selten sind, kosten Zigmillionen mehr.
Aber für uns eröffnet dieser faszinierende Ferrari noch eine weitere Dimension: Er schert heraus aus den Erwartungen. Stellen Sie sich die Fassungslosigkeit bei Treffen eines Owners´Club oder anderen Ausfahrten vor, wenn Sie neben einer Reihe makellos rot glänzender Ferrari parken und aus Ihrem, von wüsten Rallyes abgehärtetem, 308 klettern.
Fotos: Tom Shaxson für Girardo & Co. © 2020