Spekulationen darüber, was die Carrozzeria Touring Superleggera aus Anlass ihres 95. Firmenjubiläums wohl aus dem Hut zaubern würde, machten ja bereits im Internet die Runde. Nun bringen wir die Auflösung – so schaut der Touring Arese RH95 also wirklich aus. Classic Driver fühlt sich geehrt, diese Fotos als Erstes zeigen zu dürfen, noch vor der offiziellen Enthüllung heute gegen Mittag. Die ersten Impressionen lassen erkennen, dass das Auto nicht nur schon im Stehen schnell aussieht, sondern auch ein Hochleistungssportwagen für alle Jahreszeiten ist. Mit luxuriöser Spezifikation, weit öffnenden „Scherentüren” und nahezu endlosen Optionen für eine Personalisierung – und, ja, auch noch einem ansehnlichen Kofferraumvolumen. Der Arese RH95 repräsentiert als erster Mittelmotor-Sportwagen auch einen technischen Meilenstein für den traditionsreichen italienischen Karosseriebauer. Was die Frage aufkommen lässt: auf welcher Bodengruppe er aufbaut?
Was diesen Punkt angeht, hält sich Touring bedeckt und bat uns, nicht zu veröffentlichen, was sich genau unter der wunderschön geformten Kohlefaser-Karosserie verbirgt. Doch deuten gewisse Details – Hinterradantrieb, V8 mit 670 PS bei 8.000 U/min und 760 Nm bei 3.000 U/min – den Ursprung an. Der Arese RH95 – so benannt nach dem im gleichnamigen Mailänder Vorort ansässigen Touring Hauptsitz und den Initialen des ersten Kunden – ist das dritte und aktuellste Modell in Tourings „AERO” Baureihe, die vor neun Jahren mit dem Disco Volante Coupé auf Basis des Alfa Romeo 8C Competizione begann. Nur acht Exemplare wurden gebaut, ergänzt um sieben Modelle einer 2016 vorgestellten Spyder-Variante. Gefolgt wurden beide vom im letzten Jahr auf dem Salon Privé enthüllten und vom Retro-Design beeinflussten AERO 3 auf der Bodengruppe eines Ferrari F12.
In für Touring typischer Manier weist die Zusatzbezeichnung „Superleggera“ auf das Leichtbaukonzept des Arese RH95 hin. Auch die Aerodynamik wurde optimiert, zu erkennen am vom AERO 3 abgeleiteten Grill, den vorderen „Nüstern” und der auf der Motorhauben-Verkleidung thronenden Hutze, die Luft in den Motorraum drückt und durch eine am Heck angebrachte Öffnung auch wieder von dort hinaus. Weitere Lufteinlässe an den Seiten verschaffen dem V8 ebenfalls Kühlung und darüber auch mehr Leistung, und betonen jene fabelhaften Linien, die man am besten als „elegant aggressiv” beschreiben kann. Sogar die Felgen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Sie haben ein spezielles Design von Touring und wurden eigens für den Arese RH95 von einem Premium-Hersteller angefertigt.
Es wird erwartet, dass Touring von seinem neuen Schmuckstuck maximal 18 Exemplar bauen wird. Alle ausgestattet nach den individuellen Wünschen jedes Kunden. Wobei wir uns schwer tun, uns eine noch bessere Farb-/Trimm-Kombination als jene für das Auto mit Chassis 001 auszumalen, das Massimiliano Serra für Classic Driver am glitzernden Comer See fotografiert hat. Wie zu sehen, wird die Farbe Verde Pino denkbar vorteilhaft um ein Cockpit ergänzt, das mit Karamell-, Kakao- und Safran-Tönen geradezu zum Anknabbern ist. Das zweite Modell dagegen wird in der gleichen roten Farbe wie der Alfa 8C Competizione (inklusive weißer Streifen an der Front in Erinnerung an die GTA-Renner der Sechzigerjahre) erstrahlen. Und die Nummer 3 in den legendären Gulf Oil Tönen hellblau und orange.
Die Tatsache, dass die Spezifikationen von drei Autos bereits feststehen, gilt als Fingerzeig, dass die Produktion des Arese RH95 im Gegensatz zu vielen anderen wohlgemeinten Supersportwagen, die nie über das Zeichenstadium hinausgekommen sind, bereits im Gange ist. Der erste Wagen soll bereits in – ab heute - einem Monat ausgeliefert werden. Der Bau weiterer Modelle wird vom Tag, an dem das Spenderfahrzeug bei Touring eingetroffen ist, sechs Monate dauern. Auf alle von der Carrozzeria selbst gefertigten oder modifizierten Teile wird es eine Zweijahres-Garantie ohne Kilometerbegrenzung geben – als Option gewährt Touring auf solche Teile auch eine Garantie über die gesamte Lebensdauer.
Ein solches Vertrauen auf die eigenen Produkte zeigt auf, wie weit handverlesene Supersportwagen in Bezug nicht nur auf Fahrbarkeit und Alltagstauglichkeit, sondern auch in punkto Zuverlässigkeit und Qualität mittlerweile gekommen sind. „Um sich heutzutage zu rechnen, muss ein ‚Custom-built’-Fahrzeug dieselben Standards erfüllen wie ein Großserienmodell, wenn nicht sogar noch übertreffen”, betont Touring Superleggeras Emanuele Bedetti. „Als Konsequenz verbinden wir computerisierte Prozesstechniken und sehr hohe Finish- und Präzisions-Standards mit jenen traditionellen Handwerkskünsten im Karosseriebau, für die Touring Superleggera berühmt ist - unsere Berufssparte hat eine große Zukunft, wenn sie die Engineering- und Qualitätsanforderungen der heutigen Automobilindustrie respektiert.
Wir würden den Arese RH95 als ein Auto beschreiben, das mit Blick auf Sportlichkeit und Eleganz für sich eine Spitzenposition reklamiert. Ja, er bietet eine außergewöhnliche Performance – einen Topspeed von 340 km/h, 0-100 km/h in drei Sekunden – und ein tolles Handling, doch kann man mit ihm auch komfortabel zu zweit über die Alpen fahren oder an der Riviera entlang cruisen. Er hat auch genügend Stauraum für eine einwöchige Reise”, so Bedetti weiter.
In jedem Fall wirkt der Arese RH95 wie ein Auto, das die illustre Vergangenheit von Touring Superleggera würdig fortsetzen kann. Eine Geschichte, die 1926 mit der Gründung durch den bekannten Designer Felice Bianchi Anderloni begann. Während der ersten 50 Jahre schuf das Haus solche automobilen Landmarken wie den Isotta Fraschini Flying Star, den Alfa Romeo 8C 2900 von 1937 und – 20 Jahre später – den Maserati 3500GT.
Weitere Highlights waren – natürlich – die Aston Martin DB4, 5 und 6 sowie eine lange Reihe von Ferrari, darunter 166 MM, 340 America und 212 Inter. Moderne Meisterwerke reichen vom „Tornate” auf Basis des Gumpert Apollo über die Konzeptstudie MINI Superleggera Vision bis zur limitierten Edition des von Maseratis Gran Turismo abgeleiteten Touring Sciadipersia. Was wir Ihnen auch noch nicht über den Arese RH95 verraten haben, ist sein Preis. Doch wie heißt es so schön: „Wenn jemand schon fragen muss...”
Fotos: Massimiliano Serra