Wenn Sie in den sechziger Jahren das Glück hatten, ein armenischer Ölmagnat zu sein, dann setzte Ihnen allenfalls der Himmel Grenzen. Die Welt dürstete nach dem schwarzen Gold und Sie saßen an der Quelle. Aber für Nubar Gulbenkian gab es ein großes Hindernis, das sich zwischen ihm und dem Vermögen der Familie auftürmte: Sein Vater, der schillernde Unternehmer, Kunstsammler und Philanthrop Calouste Sarkis Gulbenkian, hielt den Sohn aus erzieherischen Erwägungen an der kurzen Leine. Nachdem ihm das väterliche Unternehmen die 4,50 Dollar für ein mittägliches Hühnchenessen nicht erstatten wollte, verklagte er seinen Papa auf 10 Millionen Dollar und erbte letztlich die finanzielle Grundlage. Das erlaubte Nubar Gulbenkian, dem Stil eines britischen Gentlemans angemessen zu leben.
Geboren wurde diese schillernde Persönlichkeit im osmanischen Reich und mit seinem rauschen Bart, Monokel und der Orchidee im Knopfloch wirkte er wie eine Figur aus „Tim und Struppi”. Gulbenkian verkörperte den Prototyp des exzentrischen Playboys, süchtig nach Vergnügen. Ein Freund aus Cambridge hat den unerbittlichen Lebensstil des Millionärs in einem treffenden Urteil zusammengefasst: „Nubar ist so tough, dass er täglich drei Börsenmakler, drei Pferde und drei Frauen verschleißt.” Und dann lockten natürlich auch Automobile als Spielzeug. Er besaß zwei Austin FX4 - bekannt als Londoner Taxis -, die er so umbauen ließ, dass sie wie die typischen Hackney-Pferdedroschken aussahen. Allerdings mit dem Unterschied, dass sie in Gold gekleidet waren und von einem Rolls-Royce-Motor angetrieben wurden. „Ich reise gerne in einem vergoldeten Taxi, das auf einer Sixpence-Münze wenden könnte - was immer das wohl sein mag”, sagte er.
Selbstverständlich hatte Nubar Gulbenkian sehr klare Vorstellungen, als er Mitte der sechziger Jahre einen Mercedes-Benz 600 orderte. Als der Hersteller den Wunsch nach einem Dach komplett aus Glas zurückwies, bestellte Gulbenkian inkognito das Auto bei einem französischen Händler und schickte den Mercedes in das Karosseriestudio von Henri Chapron, wo man den Multimillionär mit offenen Armen empfing. Aber das Glasdach war nur der Anfang. Weil Nubar Gulbenkian während nächtlicher Ausfahrten die Sterne betrachten wollte, wurde ein Rücksitz gefertigt, der sich zu einem Doppelbett entfalten ließ. Die Türverkleidungen wurden mit von Hand beweglichen Spiegeln ausgestattet und deflektierende Glasflächen wurden entworfen, die ausschließlich dem Zweck dienten, die Frischluftzufuhr zu regulieren, um störende Verwirbelungen zu vermeiden. Spezielle Halterungen für Tabakspfeifen wurden eingepasst sowie eine Minibar, die sich zwischen den Sitzen befand. Wie schon sein Vater, hielt auch Gulbenkian Junior viel von Kontrolle: Um die Aktivitäten des Chauffeurs leichter im Auge zu behalten, bestellte er für den Fond einen Tacho und eine Tankanzeige. Was aber für einen 600 wirklich einen Bruch mit der Norm darstellt, ist das Fehlen von feinen Hölzern im Interieur. Stattdessen ist alles in opulentem Leder ausgekleidet.
Als einer extravagantesten Mercedes-Benz 600, die aktuell auf dem Markt angeboten werden, kommt das ehemalige Gulbenkian-Exemplar bei RM Sotheby´s als Teil der Sáragga Collection am 20. und 21. September im portugiesischen Monteira unter den Hammer. Obwohl das Auktionshaus erwartet, dass diese automobile Extravaganz bei 300.000 - 400.000 Euro den Zuschlag erhält, wird es ohne Reserve angeboten.
„Mir ist Komfort wichtig. Ich vergnüge mich. Ich liebe das Leben. Mir macht alles, was ich unternehme Freude” - nach diesem Prinzip lebte Nubar Gulbenkian und blieb ihm bis ans Ende seiner Tage treu. Nachdem der armenische Playboy irgendwie standesgemäß 1972 einer Herzattacke an der französischen Riviera erlag, beschrieb die „New York Times” den Ölbaron in ihrem Nachruf als „unermüdlichen Ladies´ Man, außerordentlichen Feinschmecker und als charmantesten unter den bon vivants,die einer ungeniert sinnlichen Lebensphilosophie frönten.” Ein Lesevergnügen, das wir Ihnen sehr ans Herz legen möchten!
Fotos: RM Sotheby's / Getty Images