Der Citroën SM ist eine veritable automobile Legende und seit langem Gegenstand kultischer Verehrung. Am 11. März 2020 feiert er nun seinen 50. Geburtstag. Das Design des Franko-Italieners aus der Feder von Robert Opron, der Maserati-Motor und die von der DS übernommene Technologien habe in Summe einen unauslöschlichen Abdruck im Gedächtnis eines jeden Fahrers hinterlassen, der sich glücklich schätzen darf, einen SM selbst am Steuer erlebt zu haben. Es gibt zahlreiche Details, die dem Citroën SM zu seinem einzigartigen Status verhalfen – von der hydropneumatischen Niveauregulierung über die in Kurven mitschwenkenden Scheinwerfer bis zu einem Regensensor für die Scheibenwischanlage. Selbst die Typenbezeichnung war Gegenstand von Spekulationen. Einige glaubten, das Acronym SM stehe für „Sport Maserati“, andere dachten eher an Sa Majesté (Ihre Majestät).
Zum legendären Ruf des Citroën SM beigetragen hat auch die lange Liste prominenter Besitzer, die vom russischen Staatsoberhaupt Leonid Iljitsch Breschnew bis hin zu Rockstars wie Bill Wyman von den Rolling Stones, Adam Clayton von U2 oder Guy Berryman von Coldplay reicht. Berryman nahm im letzten Jahr mit seinem Modell sogar an der Modena Cento Ore Rallye in Italien teil. Eine Wahl, die viel darüber verrät, wie sehr er die unnachahmliche Mischung aus Leistung und Komfort genießt. Der Citroën SM spielten auch in vielen Filmen mit – bevorzugt geparkt vor mondänen Anwesen an exotischen Orten wie Palm Springs.
Sowohl in Bezug auf den reinen Absatz, als auch den Imagegewinn für Citroën war der SM ein Erfolg: Insgesamt wurden 12.920 Exemplare gebaut, darunter 135 im Werk Vichy von Ligier. Der SM wurde weltweit vertrieben – selbst in den USA war er sehr beliebt und erhielt dort 1972 den begehrten Award „Car of the Year“. Heute schätzt man, dass insgesamt noch rund 7.000 Exemplare existieren. Es war nur die weltweite Ölkrise von 1974, die den kommerziellen Erfolg abbremste und im Mai 1975 zur Einstellung der Produktion führte.
Von Anfang litt der SM aber auch an einer Reihe von Kinderkrankheiten, die sich negativ auf seine Zuverlässigkeit auswirkten. Doch sehr schnell machte sich ein Pool von Experten daran, diese zu beheben. Jean-Michel Gallet, Gründer des auf Citroën spezialisierten Restaurationsbetrieb SM2A in Mussy-sur-Seine, war einer von ihnen. Da er über die Jahre schon über 290 Exemplare des Citroën SM zu neuem Leben verholfen hat, ist er mit den Stärken und Schwächen des Modells bestens vertraut. „Wir fangen meistens mit einem Spenderfahrzeug an, das im Großen und Ganzen in Ordnung und nur etwas ‚müde‘ ist. Dann restaurieren wir es nach den vom Kunden gewünschten Kriterien und Spezifikationen“, sagt Gallet. „Nachdem wir die bekannten Probleme des Autos behoben haben, konzentrieren wir uns darauf, das Gewicht zu senken und die Leistung zu steigern.“ Als Folge verbessert sich auf natürliche Weise die Gesamtdynamik – Bremsen, Beschleunigen, Richtungsstabilität, Komfort und Sicherheit. Das ganze Programm.
Neue Steuerketten werden eingebaut, die Lichtmaschine ausgewechselt und ein neuer Kabelbaum eingebaut, was verbunden ist mit den Vorteilen einer elektronischen Zündung. Die Liste der Modifikationen ist lang, doch ist die Nachfrage hoch: Jedes Jahr werden bei SM2A nicht weniger als 18 SM-Motoren komplett überholt und immer mehr Autos profitieren zumindest von einigen der Innovationen Gallets. Sein Sohn, ein Experte für 3D-Engineering, steuert die Entwicklung dieser Innovationen, die dann vor der Montage in Kundenfahrzeuge mit Hilfe des hauseigenen Maschinenparks getestet werden. Dank dieses Know-Hows hat Gallet damit begonnen, einige seiner Spezialteile an andere SM-Restaurationsbetriebe und -Besitzer zu verkaufen. Und da die Entwicklung nie stillsteht, hat sich das Team von SM2A nun dazu entschlossen, den nächsten Schritt zu tun: Den Bau des ultimativen Citroën SM – das Auto, von dem sie alle schon immer geträumt haben.
Diese „Concorde für die Straße“ wurde passenderweise auf die Bezeichnung SM2 getauft. Sozusagen als logische Erweiterung der großen SM-Story. Dabei ging es Gallet freilich nicht um billige optische Verzierungen, sondern um die große Frage, wie Citroën den SM bauen würde, wäre er heute noch in Produktion. Eine mutiger Anspruch – bis man sich die Details näher anschaut. Denn die Karosserie wurde komplett in alle Einzelteile zerlegt, für optimalen Rostschutz gesorgt. Moderne Materialien erhöhen derweil die Steifigkeit und optimieren die Schalldämmung. So verbesserte sich die Qualität und zugleich sank das Gewicht um satte 140 Kilogramm. Die Resultate dieser Diät sind überall deutlich sichtbar: Von den Sitzen und der hinteren Armlehne bis zum neuen Aluminium-Kühler und der Mimik für die elektrischen Fensterheber. Viel Arbeit wurde auch darauf verwendet, die Massen möglichst nah am Schwerpunkt zu konzentrieren – der Dynamik zuliebe.
Der Motorblock wirkt, als hätte man ihn weiter nach hinten gerückt. Dazu wirkt der gesamte Motorraum aufgeräumter als beim Original. Ein Effekt, der dadurch entsteht, das die komplexen und unschönen Teile und Leistungen der Hydraulik-Anlage in Aluminium-Schläuche aus der Luftfahrtindustrie gekapselt wurden. Zusammen mit modifizierten Kolben stieg die Motorleistung um 30 PS auf nun rund 210 PS. Auch das maximale Drehmoment nahm deutlich zu. Daneben erhielt das Getriebe zugunsten angenehmerer Autobahntouren einen längeren fünften Gang,
Gallet ist davon überzeugt, dass das Auto 300 km/h erreichen kann. Und unser Straßentest, obwohl im Regen, reicht aus, um dieses Potential für realistisch zu halten. Das Schönste aber ist, dass der SM2 alles, was Journalisten und Besitzer schon in den Siebzigerjahren begeisterte, heute erneut liefert: außergewöhnliche Performance, hohen Komfort, scharfes und direktes Handling sowie effiziente Bremsen. Nur mit dem Unterschied, dass nun alles ein Upgrade erfuhr und sich auch das Qualitätsniveau nicht annähernd mehr mit dem Originalfahrzug vergleichen lässt. Der SM2 ist eine wunderbare Hommage an die Kunst des Langstreckenreisens. Wer wollte da noch in den Flieger steigen?
Über 5.000 Stunden an Forschungs- und Entwicklungsarbeit stecken im SM2. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie tief Gallet und sein Team in die Materie eingestiegen sind, taugen die 17-Zoll-Felgen ganz gut. Sie wurden zuerst komplett in 3D modelliert, ehe sie direkt im Werk gegossen wurden. Der deutsche TÜV hat schon seinen Segen gegeben, weil sie der hohe Leistung des Autos gewachsen und mit modernen Reifen bezogen sind. Zugleich bewahren sie das Design und damit die Optik der Original-Räder. Der Innenraum ist eine Symphonie aus Alcantara und Leder, eingekleidet von Sellerie du Mont Ventoux aus Malaucène am Fuße des Mont Ventoux. Moderne Zutaten sind ein zeitgenössisches Hifi-System mit Bluetooth-Schnittstelle, ein Tempomat und eine Zentralverriegelung. In Zukunft sollen Kunden auf Wunsch auch ein Navigationssystem und sogar Airbags ordern können.
Der zweite Citroën SM2, ein rechtsgelenktes Exemplar, wurde von einem Kunden in Südost-Asien bestellt und ein drittes für einen französischen Käufer ist bereits in der Pipeline. Alles scheint jetzt möglich für Jean-Michel Gallet, der bereits über Hochleistungsversionen, Cabriolets und Limousinen seines gallischen Restomods nachsinnt. Auf diese sind wir nun aber wirklich gespannt.
Text: Etienne Raynaud / Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2020