Winterzeit, stille Zeit. Der Schnee knirscht unter den Schuhen, der Atem wir sichtbar und auch die kleinen Probleme der kalten Zeit werden zu liebgewordenen Leiden. So soll es sein, so war es bislang immer, ob in Gstaad, Kitzbühel oder auf Sylt. Doch das Wetter spielt verrückt und ein Ausflug in das ferne Montreal soll das vorweihnachtliche Wintererlebnis zu einer weißen und sicheren Sache machen, Skiwellness inklusive. Und tatsächlich, ab dem Verlassen der Lufthansa-Maschine am Airport Montreal trifft einen der Schlag: Mit 12 Grad unter 0 steht das Thermometer auf dem persönlichen Jahrestief. Gefühlt ist es noch viel kälter, was jedoch dank zwei Lagen Vlies gerade noch auszuhalten ist. Schnee und Glatteis sind dann auch die Stichworte für den Reisebegleiter der nächsten beiden Tage, den neuen Land Rover Freelander. Der Allradexperte kommt zum Modelljahr 2013 mit völlig neuem Outfit und modifiziertem Innenraum daher und will so der SUV-Armada der Mittelklasse die Stirn bieten. Der große Kofferraum des Freelander ist dagegen unverändert. Trotz umfangreicher Bagage passt aber alles rein und die Fahrt kann losgehen.
Winter in Kanada, das ist vor allem die Angst vor dem Liegenbleiben. Denn das mit einer Fläche von 9.984.670 Quadratkilometer zweitgrößte Land der Erde ist nur in den Großstädten mit einem brauchbaren Straßennetz ausgerüstet. Abseits der Hauptrouten rumpelt und schüttelt es dermaßen, dass einfache PKW-Modelle schnell an die Grenzen der Belastbarkeit gelangen. So gesehen, beruhigt die solide Verarbeitung des Land Rover ungemein. Sitzheizung, eine heizbare Frontscheibe sowie ein heizbares Lenkrad lassen dann auch schnell das dichte Schneetreiben beim Verlassen der Millionenmetropole Montreal in den Hintergrund treten. Ziel unserer Reise ist dass malerisch an einem See gelegene Hotel Quintessence im Nobelskiort Mont Tremblant in den Laurentinischen Bergen der kanadischen Provinz Québec.
Der direkte Weg in die Saunawelt des Berghotels ist laut Google Maps 145 Kilometer lang und mit dem Freelander in etwa zwei Stunden Fahrzeit zu bewältigen. Doch warum eine Gerade auf der langweiligen Autobahn wählen, wenn es auch anders geht? Das verbesserte Navigationsgerät gibt auf Wunsch auch eine Route dritter Klasse vor. Routenführung und Darstellung des Multimediaensembles in der Mittelkonsole sind zwar immer noch nicht auf dem Standard der Mitbewerber, doch immerhin unsere Route durch die kanadische Wildnis kennt das Gerät. Und die hat es in sich. Die schotterigen Waldwege sind da erst der Auftakt. Der Freelander meistert sie mit einer Lässigkeit, wie sie Off-Road-Experten seines Kalibers nun mal eigen ist. Der kräftige 2,2 Liter Vierzylinder-Dieselmotor mit 190 PS gibt sich in Verbindung mit der Sechsgang-Automatik Mühe, die Insassen nichts von den Anstrengungen der Fortbewegung mitbekommen zu lassen. Denn nach dem Verlassen der Waldwege geht es ans Eingemachte: Verschlungene Waldpfade, die den Achsen des Freelander so ziemlich jede Bewegung abverlangen, gehen einher mit Passagen, die mit spitzen Geröllresten und rutschigen Baumwurzeln auch die Bereifung auf eine Bewährungsprobe stellen. Doch mit dem Terrain Response System und etwas Fingerspitzengefühl meistert der Freelander die Passage mit Bravour.
Nach einer kurzen Pause an dem vor Gemütlichkeit nur so strotzenden Hüttenensemble einer Ahornsirup-Farm, steht die nächste Bewährungsprobe auf dem Plan. Der Freelander darf jetzt, bei gefühlten minus 20 Grad, baden gehen. Also ab ins Auto, ersten Gang und rein in die Fluten des kleinen Teiches, der nun eben mitten auf unserer Route liegt. Robuste Türdichtungen sowie eine solide Bodenplatte bewahren den Land Rover und seine Besatzung vor Kälteschäden und nassen Füßen. Der weitere Streckenverlauf mutet da, bis auf einige Schotterpassagen und vereiste Landstraßen, harmlos an. Wann immer es rutschig wird, hilft die aufgefrischte Elektronik im Freelander weiter, was zwar dem Trip ein wenig den ursprünglichen Charme nimmt, aber die Passagiere deutlich entspannter in Richtung Feierabend blicken lässt.
Und auch, wenn Kanada kein Land der Überbevölkerung ist, erscheint immer mal wieder ein Haus, ein Laden oder gar eine Stadt am Wegesrand. Die meisten der Geschäfte haben geöffnet, wenngleich sie sich ausschließlich der Grundversorgung zu widmen scheinen. Tankstellen sucht man indes wie die Nadel im Heuhaufen, was insofern verwundert, als die einzige Bahnlinie bereits seit Jahrzehnten abgebaut wurde. Einziger stummer Zeuge der Existenz des früheren ÖPNV ist der umgebaute Bahnhof von Arundel, einem 600-Seelen-Dorf 18 Kilometer vor Mont Tremblant. Es empfiehlt sich daher, bereits in Montreal den Tank zu füllen, nur so ist man vor bösen Überraschungen sicher.
Kälte und die unwirtlichen Straßen lassen die Reise, trotz des britschen Allradexperten, lang werden und so ist es spät, als wir in dem Nobelskiort eintreffen. Neben dem Skilaufen und den üblichen Winterattraktivitäten bietet der Ort auch im Sommer ein besonderes, völlig unerwartetes Highlight in Form des „Circurit Mont – Tremblant“. Jener 4,26 Kilometer lange Rundkurs, der erstmals 1964 befahren wurde, ist in leicht modifizierter Form auch heute noch Austragungsort verschiedener Rennen, liegt aber am Abend unter einer dicken Schneeschicht, was sowohl dem Freelander, als auch seinem Fahrer nicht ungelegen kommt.
Erholung finden alle an dem Trip beteiligten im Hotel Quintessence, einem stilvollen Haus der gehobenen Kategorie am Ufer des Lac Tremblant. Dreißig großzügige Zimmer mit offenen Kaminen, Balkonen mit Seeblick sowie eine unnachahmliche Gemütlichkeit bieten bei einem Glas Bordeaux und dem knisternden Kamin an der Bar ausreichend Entspannung. Wie es sich für ein Haus dieser Güte gehört, stimmt auch das Angebot für Körper und Geist, denn neben einer bemerkenswerten Weinauswahl sorgen der beheizte Outdoor-Whirlpool sowie eine Sauna für eine angenehme Abwechslung.
Die hält auch das Wetter für den nächsten Morgen parat, denn über Nacht steigen die Temperaturen um rund 8 Grad an, was zum raschen Schmelzen der weißen Pracht führt. Der immer noch gefrorene Boden und einsetzender Regen lassen den weiteren Off-Road-Trip mit dem Freelander zu unsicher erscheinen, weswegen der nagelneue Jaguar XJ AWD seine Chance erhält, sich auf dem Rückweg zum Heliport Mirabel nahe Montreal zu bewähren. Doch trotz dieses unglücklichen Wetterumschwunges hinterlässt die Tour in die kanadische Skiwelt Spuren und den Wunsch, das nächste Mal die Skier statt nach St. Moritz direkt an den Lac Tremblant zu schicken.
Fotos: Nick Dimbleby / Sven Jürisch