Wahrscheinlich haben Sie noch nie von diesem einmaligen Omega Six Competition three-litre Short Chassis von 1928 gehört. Und dafür gibt es einen guten Grund, denn diese relativ unbekannte Marke gehört zu jenem Kreis kleiner aber sehr ehrgeiziger französischer Autohersteller, welche die zwanziger Jahre belebten.
Viele nutzten die Kreativität renommierter Ingenieure und Motorenkonstrukteure wie beispielsweise Eugène Marius Gadoux, ein brillanter Entwickler, der 1915 stellvertretender technischer Leiter bei Hispano-Suiza war, eher er Mitbegründer der „Compagnie Industrielle des Moteurs à Explosion“ (CIME) wurde, bekannt als die Referenz unter den Zulieferern der damaligen Zeit.
Wie Hugo Baldy, Experte bei Aguttes on Wheels, das Auktionshaus, das dieses Auto am 1. Mai aufruft, uns erzählte: „Gadoux war mit Sicherheit der Schöpfer des sublimen V8 Hispano Aero-Motor. Bei CIME hatte Gadoux Zugriff auf die besten Materialien seiner Zeit und avancierte zum wesentlichen Zulieferer von Motoren und Komponenten der besten französischen Nischen-Hersteller. Deshalb ist es nicht überraschend, dass die technischen Entscheidungen von Gadoux das Herzstück im Design dieses umwerfenden Omega-Six bilden.“
Eine weitere Schlüsselfigur ist Gabriel Daubeck, auch bekannt als Daubech. Dieser Holzhändler fing mit nichts an und wurde später einer der reichsten Männer Frankreichs, nicht zuletzt, weil er der offizielle Lieferant der Northern-Schlafwagons wurde – ein riesiger Markt, der entstand, weil das Eisenbahnnetz nach dem Ersten Weltkrieg komplett neu aufgebaut werden musste. Sein rapider Aufstieg und beträchtliches Vermögen vor der Kulisse der Wilden Zwanziger verlockten ihn zu einem verschwenderischen Lebensstil. Sein Reichtum öffnete Türen und so kam es, dass er auch Ettore Bugatti kennenlernte. Schließlich träumte Daubech davon, seine eigene Automarke zu gründen. Um dieses Ziel zu erreichen, schuf er in Partnerschaft mit Gadoux im September 1922 den Omega-Six.
Hugo Baldy erzählt: „Das Duo brauchte nur einen Monat, um den Omega-Six Type A während des Pariser Autosalon 1922 zu enthüllen. Die Marke debütierte mit einem markanten Slogan – „Das erste französische Auto aus Edelstahl!“ Aufgrund dieser sehr kurzen Entwicklungszeit, kann man annehmen, dass Daubech ein komplettes Autoprojekt kaufte, dass vorher unabhängig von Daubech von Gadoux entwickelt worden war. In den ersten drei Monaten des jungen Unternehmens hieß es tatsächlich „Omega-Six, Gadoux & Daubeck“, ehe Omega-Six zum Markennamen wurde.“
Das Auto sorgte sofort für Aufsehen. Es trug ganz offensichtlich die Handschrift von Gadoux: Die Form des Kühlers erinnerte stark an jenen, der vorne einen Hispano-Suiza ziert, ähnliches kann man auch von der Architektur des großartigen 1900-Kubik-Sechszylinder behaupten. Gebaut mit den allerbesten Materialien von CIME, bot das Fahrzeug eine Menge an innovativen technischen Lösungen. Vor allem überzeugte das sehr schmale und leichte Chassis mit einem Gewicht von nur 725 Kilo als Meisterstück des großen Entwicklers Gadoux.
Obwohl Gadoux ab 1923 nicht mehr in der Marke involviert war, erwarb sich Omega-Six einen Ruf mit Autos, die bei Concours d`Elegance alle Blicke auf sich zogen. Es war eine überbordende Zeit, in der sich der Hersteller auch nicht scheute, Seide und Schlangenhaut für die Interieurs zu schneidern.
Der sportliche Ehrgeiz, vor allem in Le Mans, musste sich aufgrund einer mangelhaften Verlässlichkeit in Grenzen halten. Das verhinderte allerdings nicht den großen Verkaufserfolg des 1927 vorgestellten Type B. Damit erhielt Omega-Six auch die Chance, beim Pariser Autosalon von 1928 eine echte Modellreihe zu präsentieren – mit fünf Modellen, die in unterschiedlichen Motorisierungen angeboten wurden.
Im Jahr 1928 feierte auch der grandiose Competition 3,0-Liter Short Chassis Roadster Premiere, der am 1. Mai von Aguttes angeboten wird. Dieses außergewöhnliche Auto ist heute der einzige Überlebende der Marke und wird zudem von einem zweiten, noch erhaltenen Sechszylindermotor der Marke begleitet.
Dieser Roadster mit seinen bemerkenswerten Proportionen besitzt, wie Hugo Baldy verrät, auch eine hochinteressante Historie: „Die Geschichte besagt, dass Hellé Nice, damals als schnellste Frau der Welt wegen ihrer Rennerfolge am Steuer von Bugatti- und Alfa Romeo-Rennwagen berühmt, diesen Omega-Six beim Damen-Grand Prix in Montlhéry 1929 gefahren hat. Die frühere Nackttänzerin und Weltstar donnerte um die Rennstrecke und das nach einer sehr ausgelassenen Nacht aus Champagner, Sex und Morphium.“
Mehr als die wenigen sportlichen Erfolge war es die Kombination aus Seltenheit, Qualität der verarbeiteten Materialien und das schiere Fahrvergnügen, dass damals zum Erfolg und Ruhm der Marke Omega-Six beitrug.
Leider wurden die folgenden Jahre immer schwieriger für die Nischenhersteller, nicht zuletzt wegen der Weltwirtschaftskrise von 1929. Omega-Six bildete da keine Ausnahme und musste die Werkstore in den frühen dreißiger Jahren schließen. Daubech selbst starb 1945 in einer Pariser psychiatrischen Klinik nachdem er durch Syphilis wahnsinnig geworden war.
Das 3,0-Liter-Meisterwerk sollte ihn jedoch überleben und wurde bei lokalen Bergrennen von Gabriel Lascaut gefahren. Er erzielte mit dem Omega-Six sogar einige Rekorde, von denen welche bis in die frühen fünfziger Jahre Bestand hatten. Schließlich kaufte Serge Pozzoli das Exemplar in 1960.
Gautier Rossignol, der Leiter der Abteilung Aguttes on Wheels, kennt weitere Hintergründe dieser Geschichte: „Pozzoli war in Frankreich so etwas wie der König der Klassiker. Er rettete viele automobile Schätze, als sich noch wenige für sie interessierten. Der Omega-Six wurde mit einem zweiten 2.650-Kubik-Motor gekauft. Pozzoli ließ das Auto von seinem Mechaniker Albert Leblond restaurieren und fuhr regelmäßig damit. Erst nach seinem Tod konnte der aktuelle Auto dieses einmalige Stück Automobilgeschichte inklusive zweitem Motor, der bis heute zum Auto gehört, sichern.“
Diese Rarität wurde bei der Rétromobile in diesem Jahr am Stand von Aguttes on Wheels ausgestellt. Für die meisten Besucher war es allem Anschein nach Liebe auf den ersten Blick. So gut wie unbekannt und noch nie bei einem Concours d`Elegance präsentiert, überwältigt dieser Roadster mit perfekt proportionierten Linien, die zugleich kompakt und elegant wirken. Das Armaturenbrett mit für Omega-Six geschaffenen Jaeger-Anzeigen offenbart den sportlichen Zuschnitt, dessen Leistung einem Bugatti 43A ebenbürtig ist.
Dieses Juwel verdient, seine weitere Geschichte in der Obhut eines Sammlers zu erleben, der die Seltenheit, den einzigartigen Fahrgenuss und die hochwertige Konstruktion zu würdigen weiß. Merkmale, die schließlich auch den Ruhm von Omega-Six in den frühen dreißiger Jahren begründeten.
Als Reverenz an die Geschichte dieser Marke würde sich Peter Auto sehr freuen, dieses Auto beim Start einer künftigen Auflage der Le Mans Classic begrüßen zu dürfen. An diesem legendären Ort hatte die Marke – ohne Erfolg – in 1924 und 1925 versucht, sportliche Triumpfe einzufahren. Aber dieser Solitär wäre auch ein nur zu willkommener Gast bei jedem renommierten Concours wie beispielsweise bei Chantilly Art & Elegance. Ein bislang unbekannter Teilnehmer mit Seltenheitswert, der wie in den zwanziger Jahren wieder für Furore sorgen dürfte.
Fotos: Mathieu Bonnevie