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Wilde Stierjagd bei der Lamborghini Miura Anniversary Tour 2016

Wenn Lamborghini anruft, um zur 50. Jubiläumstour des Miura einzuladen, sagt man nicht nein. Unser Autor und Fotograf Rémi Dargegen sprang ins nächste Flugzeug und begleitete 20 Bullen während zwei unvergesslichen Tagen durch Italien.

Jetzt könnte man sich natürlich fragen, weshalb Lamborghini als Gastgeber „nur” 20 Miuras versammelt hat. Andererseits: Wie oft sieht man schon eine Herde von 20 Miuras auf einmal? Jedenfalls kannte die Begeisterung der Zuschauer am Straßenrand beim Anblick der kunterbunten Kolonne, die sich durch Städte und Dörfer schlängelte, keine Grenzen. Was Klassiker betrifft, sind Italiener ja sowieso von Natur aus Enthusiasten. Aber die Marke mit dem Stier im Emblem nimmt in ihren Herzen nochmals einen ganz besonderen Platz ein. Und der Lamborghini Miura ist eine Ikone, so etwas wie der Urvater aller modernen Supercars.

Es war tatsächlich eine kluge Entscheidung von Lamborghini, die Zahl der Autos zu begrenzen und eher das Gemeinschaftsgefühl der Miura-Eigner in den Mittelpunkt zu stellen. Alle haben sich lebhaft miteinander ausgetauscht, die Stimmung war wunderbar entspannt und das Gegenteil von elitär - bei allem Wert, den dieser Supersportwagen inzwischen am Markt besitzt. Alle, die vermuten, dass mittlerweile vor allem reiche Investoren ohne Leidenschaft diese großen Klassiker kaufen, durfte sich bei der Anniversary Tour des Miura vom Gegenteil überzeugen: Oder wann haben Sie zuletzt einen Investment-Spekulanten mit einem Stier-Tattoo auf dem Unterarm gesehen? Die Teilnehmer an der Jubiläumstour hatten ein leidenschaftliches Verhältnis zu ihren Miuras und wussten sehr genau, welche Bedeutung der Wagen für die Automobilgeschichte hat. Und natürlich kannten alle jedes noch so kleinste Detail ihres Autos, sowohl die individuelle Geschichte wie auch die speziellen Eigenheiten ihres Modells. 

Mit dabei waren beispielsweise zwei interessante orangefarbene Exemplare wie jener Miura S, der einmal Frank Sinatra gehörte und dessen etwas plüschigen Teppiche angeblich den Badvorlegern von Ol' Blue Eyes glichen. Dann war da noch der Miura P400 aus „The Italian Job” mit seinen extravaganten weißen Ledersitzen. Alle Teilnehmer der Tour lieben ihre Autos und sind meist auch treue Lamborghini-Kunden. Manche haben sogar das Glück, gleich zwei Miuras in der Garage stehen zu haben. Keine Frage: Lamborghini als Lebensgefühl.

Überhaupt waren alle Baureihen des Miura mit von der Partie. Es gab P400-Modelle wie auch S- und SV-Exemplare und einen von nur vier gebauten SV J. Der metallicblaue Roadster fehlte zwar, weil er zur Zeit im Lamborghini-Museum ausgestellt wird, dafür zog der atemberaubende Jota-Nachbau die Blicke auf sich. Die Replica ist alles andere als ein Täuschungsmanöver, schließlich wurde das Original seinerzeit in berühmt-berüchtigter Weise vollständig zerstört. Der Besitzer schien dennoch sehr zufrieden und erzählte bereitwillig, wie er einst seine exakte Kopie des Jota auf der Basis des Chassis eines verunglückten P400 aufgebaut hatte. Das Ergebnis ist beeindruckend - nicht zuletzt, weil liebevoll auf jedes Detail des ursprünglichen Fahrzeugs geachtet worden war.

Ausgestattet mit einem aggressiveren Motor als die normalen Miuras - wenn man sich so etwas überhaupt vorstellen mag -, ist der Sound des Jota schlichtweg verrückt. Endrohre wie Megafone, die direkt mit dem Triebwerk verbunden sind, sorgen für eine Geräuschkulisse, die nicht nur die anderen Miuras, sondern auch den mitgereisten neuen Aventador SV in den Schatten stellt. Eine heroische Leistung des Konstrukteurs.

Lamborghini hat wirklich eine schöne Rallye organisiert. Das familiäre Event hatte eine einzigartige Atmosphäre, die vom Start bis zum Ziel von Gastlichkeit geprägt war. Außerdem waren wir als Medienvertreter tatsächlich Teil der Tour. Obwohl Tochter der Volkswagen AG, hatte Lamborghini keine Audis für die Begleiter bereitgestellt, sondern einen Aventador SV und einen grandiosen Miura SV aus der Lamborghini-Sammlung.

Es war meine erste Ausfahrt in einem Miura. Wenn man sich einmal an die skurrile Sitzposition mit den Beinen quasi links und rechts vom großen Lenkrad und einem eingezogenen Kopf unter dem niederen Himmel gewöhnt hat, lernt man, diesen Stier zu bändigen. Die Kupplung ist erstaunlich leichtgängig, aber man muss mit dem Schalthebel beherzt umgehen, um das Getriebe nicht zu quälen. Ohne Zwischengas geht gar nichts, aber wenn man diese Technik gemeistert hat, ist das Fahrerlebnis im Miura unvergleichlich. Nach einem Nachmittag am Steuer des SV muss ich feststellen, dass es eine fantastische Fahrmaschine ist, die allerdings Sorgfalt und Respekt einfordert. Den Zündschlüssel abgeben zu müssen, war wirklich ein trauriger Moment.

Der Lamborghini Miura war nicht nur ein bahnbrechender Schritt in der Technik und im Automobildesign,  sondern ein Meilenstein in der Geschichte des sportlichen Auftritts. Fünfzig Jahre später ist dieser Miura immer noch aktuell und bestechend modern. Er ist immer noch ein junger Wilder. Tanti auguri, Miura!

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2016

Sie finden einige Lamborghini Miura und auch andere legendäre Modelle aus Sant´Agata Bolognese zum Verkauf im Classic Driver Markt.