Autofahren ist immer vergnüglich, aber Klassiker faszinieren, weil sie auch eine Geschichte zu erzählen haben. Manche tragen ihr Leben als schöne Patina auf einer Karosserie, bei anderen verbirgt sie sich im Inneren. Und manchmal sind diese Geschichten so begehrenswert wie das Fahrerlebnis selbst. Die Enthüllung jüngst eines Mira SV in Bruno Metallizzato in der tiefsten Provinz in Italien durch Simon Kidstons „Miura-Flüsterer“ schenkte uns so eine Erzählung. Eine romantische Mär von einem langjährigen Besitzer, der seinen Miura vor neugierigen Augen verborgen hielt. Aber lassen wir Simon diese Geschichte erzählen.
„Es war eine dieser Verfolgungsjagden, die einfach nicht enden will. Man will schon ein paar Mal verzweifelt aufgeben und dann kommt plötzlich alles in einem Atemzug zusammen. Der verstorbene Besitzer dieses Miura SV muss ein begnadeter Pokerspieler gewesen sein, denn jahrelang spielte er die Händler, Makler und Sammler, die von diesem Auto wussten, gegen einander aus - nach dem Motto: Wenn es soweit ist, fällt meine Wahl auf Sie.“
Er verstarb im April und die Familie vermauerte den Eingang zu dem verfallenden Palazzo im Herzen der Stadt, wo das Auto vor Dieben versteckt worden war. Potenzielle Käufer wurden sehr genau unter die Lupe genommen. Wir hatten den Wunsch, dass das Auto in Italien bleiben sollte, wegen seiner Geschichte und diesen charakteristischen alten Kennzeichen. Also setzte ich mich mit einem alten Schulfreund zusammen, der immer einen ganz besonderen Miura besitzen wollte und erzählte ihm diese Geschichte. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte, das nächste Kapitel beziehungsweise einen Scheck zu schreiben. Er hat keinen Augenblick gezögert.“
„Schon einen Tag nach dem wir das Auto aus seinem Versteck befreit hatten, erreichten uns Anrufe und Emails von Menschen, die den Miura allem Anschein nach vermissten und ihn kaufen wollten. Einige wurden sogar ausgesprochen unfreundlich, als sie erfuhren, dass das Auto nicht um Verkauf steht. Aber wir freuen uns sehr, dass sich der ganze Einsatz gelohnt hat, denn der Miura bleibt in Italien und wird sorgfältig erhalten statt einer Restaurierung unterzogen zu werden. Und das Auto ist jetzt in fähigen Händen und wird ganz im Geist seiner Bezeichnung Spinto Veloce gefahren werden. Dem verstorbenen Eigner hätte diese Entscheidung vermutlich gefallen.“
Seit 1975 hat sich dieses besondere Auto nur selten der Öffentlichkeit gezeigt, die Ausnahme war ein Gastspiel im Ferruccio Lamborghini-Museum. Eine nur als glücklich zu bezeichnende junge Dame von 23 Jahren war die erste Besitzerin. Sie war vermutlich einen Verwandte oder Freundin, die jede Aufmerksamkeit vermied und das Auto zwei Jahre hielt, ehe es 1974 verkauft wurde. Der nächste Besitzer nannte den Miura nur sechs Monate sein Eigen, dann wurde es an Giuseppe Caprioli verkauft. Zuvor besaß er als offenkundiger Kenner einen Miura S in Azzurro Mexico mit Chassisnummer 4608.
Kaum ein Jahr später wurde der Miura von dem inzwischen verstorbenen Besitzer von einem Lamborghini-Händler in Padua gekauft. Der originale Kaufvertrag und das Lederetui des Verkäufers sind noch im Handschuhfach. Beachtliche 45 Jahre blieb das Auto bei diesem Eigner und trägt auch heute noch stolz die klassischen italienischen schwarz-weißen Autoschilder. Es ist eines von nur zwei SV, die in Bruno Metallizzatto konfiguriert worden waren und das einzige nach europäischen Spezifikationen zugelassene Fahrzeug. Es verkörpert auf wunderbare Weise den Geist seiner Zeit und lockt mit der Patina des Havana-Leders im Interieur. Das Zigarettenbrandloch auf dem Fahrersitz und Spuren von Haargel am Himmel zeugen von einem genussreichen Leben. Als der Miura SV in das herbstliche Sonnenlicht gerollt wurde, schien es fast, als würde er wieder lebendig werden.
Wir hoffen, dass diesem Auto in den Händen seines neuen Eigners noch viele großartige Fahrerlebnisse bevorstehen.