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Hofbesuch bei Hans Kleissl, dem König der Flügeltürer

In der Mercedes Flügeltürer-Welt überragt ein Name alle anderen: Hans Kleissl. Seine 1984 gegründete Firma nimmt sich wie keine andere der Hege und Pflege des 300 SL an. Wir besuchten ihn im bayrischen Pfaffenwinkel, wo auf klösterlichem Grund HK Engineering SL Flügel verleiht...

Das im achten Jahrhundert gegründete Kloster Polling im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau verbreitet die Atmosphäre eines kleinen Dorfs. Nichts deutet darauf hin, dass sich im Klosterhof mit HK Engineering das Mekka für alle Anbeter des Mercedes-Benz 300 SL „Flügeltürers“ verbirgt. Hans Kleissl benötigte ein ganzes Jahrzehnt, um in den 1980er-Jahren einen Teil der historischen Wirtschaftsgebäude für seine neue Firma neu herzurichten und parallel den Ruf DER Autorität in Sachen SL zu erlangen.  

Schon ehe sich der gebürtige Regensburger dazu entschloss, sein Leben dem 300 SL zu widmen, besaß er schon über 100 Autos. Okay, wir heiraten ja auch nicht nicht gleich unsere erste Liebe, oder? Doch einmal dem SL-Virus verfallen, restaurierte und wartete der extrem auf Originalität bedachte Kleissl hunderte SL und investierte mehr in deren Erhaltung als wohl jedes andere Individuum. Nicht umsonst ist er seit über zehn Jahren Mitglied im Vorstand des deutschen Mercedes-Benz 300 SL-Clubs und hat zusammen mit Harry Niemann 2017 das Buch „300 SL – Das Jahrhundertauto“ herausgebracht. Es gilt als DAS Referenzwerk zum Thema.  

Zu jeder Zeit befinden sich über 50 300 SL bei HK Engineering - zum Zeitpunkt unseres Besuchs waren es sogar 80! Die hochqualifizierte und überraschend junge Belegschaft ist multinational, darunter aus Österreich, Rumänien, Polen und der Schweiz. Ausgeführt werden Chassis- und Karosseriearbeiten, Motor-Neuaufbauten und Trimmarbeiten. Alles mit dem gemeinsamen Ziel: Perfektion. Es gibt auch zwei Ausstellungsräume: Einen für nicht-300 SL-Modelle, untergebracht in einer charmanten und noch immer mit wunderschönen alten Maschinen gefüllten ehemaligen Ziegelei; dazu einen zweiten für eine Handvoll 300 SL „Flügeltürer“ und Roadster. 

Wir konnten Kleissl überreden, das Werkzeug mal fallen zu lassen und uns in seinem eigenen „Gullwing“ zu einer kleinen Ausfahrt mitzunehmen. Es ist ein sehr originalgetreues Exemplar, auf das Kleissl schon allein deswegen ein Auge geworfen hatte, weil das originale französische Nummernschild seine Initialen „HK“ enthielt. Seine Begeisterung für das Auto wirkt ansteckend: Er macht bei jeder Gelegenheit Fotos, schwärmt regelrecht lyrisch über seine Erfahrungen mit dem SL und blättert mit großer Andacht durch das mit historischen Fotos gespickte Begleitheft. 

Als Sie ihr Jurastudium beendet hatten, besaßen Sie schon über 100 Autos. Welche waren damals Ihre Favoriten und aus welchem Grund? 

Mein Liebling war ein Cadillac Cabriolet von 1947. Für mich noch immer eines der coolsten je gebauten Autos. Auf Platz zwei folgte ein Maserati Ghibli, da sein Motor klang wie ein ärgerlicher Löwe. Und Platz drei gebührte dem Mercedes-Benz 300 SL, weil er das schönste Heck besaß, das ich je an einem Auto erblickt hatte. 

Woraus rührt Ihre Affinität zum 300 SL?

Nun, Schönheit und Ästhetik sind wichtig. Und nach meiner Meinung ist dieses Auto die Inkarnation aus beiden. 

Was hat Sie zur Gründung von HK Engineering veranlasst?

Als ich 1979 meinen ersten 300 SL Roadster erwarb, wusste ich noch nicht allzu viel über Autos. Ich hatte nicht realisiert, dass mich der Händler, bei dem ich das Auto gekauft hatte, betrogen hatte. Denn wie sich herausstellte, war das Chassis bei einem Unfall verbogen worden. Ich versuchte jemanden zu finden, der es reparieren konnte, doch fand sich niemand, der qualifiziert genug für die erforderlichen Richtarbeiten gewesen wäre. Also blieb mir nichts Anderes übrig, als selbst und nur mit Hilfe einer lokalen Werkstatt Hand anzulegen. Daraus erwuchs dann die Idee zur Gründung eines einzig auf 300 SL spezialisierten Betriebs. Der dann alle für dieses Auto typischen Probleme beseitigen würde. Ich begann dann Anfang der 80er-Jahren mit zwei Mechanikern.  

Wenn es um die Restaurierung und Wartung dieser Autos geht, gelten Sie als führender Spezialist. Wie haben Sie sich diese Reputation verdient? 

Weil ich der Erste in der Klassiker-Szene war, der sich exklusiv auf dieses Modell konzentriert hat. Ich legte auch großen Wert darauf, die allerbesten unter den verfügbaren Mechanikern zu verpflichten und sie dann auch zu halten, sodass unser Erfahrungsschatz Jahr für Jahr weiter anstieg. Ein weiterer, und vielleicht wichtigster Aspekt, besteht darin, dass es uns wichtiger ist, einen hohen Qualitätsstandard zu halten als viel Geld zu verdienen. Ich bin stolz darauf, nie wegen eines autobezogenen Problems vor Gericht zitiert worden zu sein. 

Können Sie uns ein wenig mehr über das Kloster, von dem aus Sie ihr Geschäft betreiben, erzählen? 

Als ich in den späten 70ern mit dem Sammeln von Autos begann, waren sie noch günstig und einfach zu finden – ich habe jedes Wochenende ein neues Modell aufgespürt! Doch je mehr Fahrzeuge sich ansammelten, desto schwerer wurde ihre Unterbringung. Also begann ich mit der Suche nach einem geeigneten Ort. Da ich alte Häuser genauso mag wie alte Autos, hielt ich nach historischen Gebäuden Ausschau. Jemand erzählte mir von einer Liste mit denkmalgeschützten Objekten. Damit machte ich mich dann auf eine Inspektionstour zu rund 20 Gebäuden im Umland von München. So lange, bis ich den Platz fand, an dem wir nun sind. Er lag größtenteils in Ruinen, doch weil das auch auf viele meiner Autos zutraf, packte ich frohen Mutes ein umfangreiches Restaurationsprojekt an. Es dauerte rund zehn Jahre, bis die Hauptgebäude fertig waren; während dieser Zeit blieb die Firma noch relativ klein. Danach konnte ich dann weitaus mehr Energie in das Unternehmen stecken und es zu dem entwickeln, was es heute darstellt. 

Wie hat sich der Markt für 300 SL in den letzten fünf Jahren entwickelt und in welche Richtung wird er sich in Zukunft bewegen?  

Zwischen 2013 und 2015 sind die Preise für den 300 SL stark gestiegen, viele Investoren pumpten Geld in den Markt. Das ebbte 2015 dann ab, und seitdem haben viele Investoren den Markt wieder verlassen und nur die wahren Enthusiasten sind geblieben. Einen 300 SL zu verkaufen ist nicht mehr so einfach wie früher - und ja, auch wir haben weniger verkauft. Dafür legen die Kunden nun mehr Wert auf Originalität und Geschichte. Ich denke, dass die aktuellen Werte für eine Zeit stabil bleiben werden, bis wir irgendwann neuen Umständen begegnen. China könnte sich zum Beispiel für Classic Cars öffnen – dann würden die Preise zweifellos wieder einen Sprung nach oben machen. Doch ob das im nächsten Monat oder in drei Jahren passiert, niemand weiß das. 

Wie wichtig ist im Rahmen einer Restaurierung die Originalität und wie schaffen Sie es, so viel wie möglich im Originalzustand zu bewahren? 

Meine Philosophie hieß schon immer, so viele Originalteile eines Autos wie möglich zu erhalten. Sogar in den frühen 80ern, als ich meinen eigenen Roadster auffrischte, behielt ich das originale Leder und fand jemand, der es wieder aufmöbelte. Das war damals gegen den Trend. Denn es war zu der Zeit, als es allgemeiner Konsens war, alles neu zu machen, egal wie hochwertig ein Teil ursprünglich gewesen sein könnte.

Es dauerte lange, bis sich meine Philosophie im Markt durchsetzte. Vor rund vier Jahren wurden auf den Scottsdale Auktionen zwei schwarze Flügeltürer verkauft. Einer war wunderbar restauriert, der andere glich einem Hühnerstall und bedurfte dringendst einer Restaurierung. Und was war das Resultat? Der Preis für den Hühnerstall lag 400.000 Dollar über dem höchsten Gebot für das restaurierte Modell. Aktuell geht der Markt wieder von einem Extrem ins andere...

Ich persönlich mag altes Leder, Chrom und Glas, und ich habe kein Problem damit, wenn die Motornummer nicht zur Fahrgestellnummer passt – solange es sich um ein damals original für ein Modell konzipiertes Triebwerk handelt. Wir führen immer mehr Restaurierungen mit dem Fokus auf Erhaltung aus. Mit der Folge, dass man danach dem Auto die Restaurierung gar nicht ansieht. Aber unter der Haut sind alle mechanischen Teile bis zur Perfektion neu aufgearbeitet, sodass die Autos nun wieder so fahren, wie sie damals neu aus dem Werk gerollt sind. 

Wie fühlt es sich an, dass eine so große Zahl von 300 SL dank der Arbeit Ihrer Mannschaft weiter ein aktives Autoleben führen kann?

Es fühlt sich gut an, auch deshalb, weil mein Anspruch an Originalität nun Allgemeingut ist. Wir freuen uns auch über die vielen glücklichen und dankbaren Kunden, und überhaupt jeden Tag so viele dieser großartigen Autos um uns herum zu haben. 

Auch der Motorsport ist ein wichtiger Geschäftszweig für Sie, sie haben auch schon viele gute Ergebnisse erzielt. Was steckt dahinter?

Als wir mit den 300 SL-Restaurierungen anfingen, sah man noch keinen dieser Wagen bei historischen Rennmeetings. Doch je mehr ich über die Geschichte des 300 SL lernte, desto mehr fragte ich mich, warum niemand das in den 1950er-Jahren im Rennsport so erfolgreiche Modell heute mehr einsetzt. Also nahm ich meinen eigenen Roadster, so wie er war, und startete bei ersten Veranstaltungen. Von Anfang an war ich recht erfolgreich und so entschied ich mich, anstatt viel Geld für Werbung auszugeben bei öffentlichen Events die Qualität unserer Arbeit und unser technisches Wissen zu demonstrieren. Zusammen mit einem unserer besten Mechaniker verbesserten wir mit jeder neuen Saison unsere Performance und erzielten einige sehr gute Ergebnisse. Nebenbei bemerkt macht der Rennsport auch viel Spaß und hält mich jung!  

Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2018 

Erwägen Sie, einen Mercedes-Benz 300 SL „Flügeltürer“ oder einen Roadster in Ihre Sammlung aufzunehmen? Dann sollten Sie das im Classic Driver Markt gelistete komplette Inventar von HK Engineering einmal genauer studieren.