Als offizieller Medienpartner von Wilton House hatte Classic Driver die Ehre, den Preis für den „Best Classic in Show” zu übergeben, wobei Gastgeber Lord Pembroke betonte, dass der Sieger nicht unbedingt aus den Reihen der typischen Concours-Schönheiten gewählt werden müsste. Das machte die Sache für die Juroren zwar nicht einfacher, doch nach reiflicher Überlegung fiel unsere Wahl auf den eleganten, dunkelgrünen Iso Grifo von Andrew Yaras.
Dramatische Vergangenheit
„Weil der erste Besitzer 1967 ein Restaurant in Londons King’s Road besaß, konnte man das Auto dort regelmäßig antreffen”, erzählte Yaras, der den Iso Grifo vor 25 Jahren bei einer Auktion kaufte. „Anscheinend ist dieser Mann während einer Geschäftsreise in den USA unter mysteriösen Umständen verschwunden. Ich kenne sogar jemanden, der sich erinnert, dass das Auto damals in der King’s Road halb auf dem Gehsteig abgestellt worden war. An der Windschutzscheibe hing bereits eine Notiz von der Polizei. Wenig später verschwand es dann.” Egal, wie hoch der Wahrheitsgehalt dieser Vermutung ist – spannend ist die Anekdote allemal. Davon abgesehen ist der Iso Grifo der einzige Rechtslenker (weniger als 30 Stück sollen ursprünglich gebaut worden sein) mit einem serienmäßigen Panoramadach. Bei dem herrlichen Wetter am Wilton House-Wochenende blieb es natürlich die ganze Zeit offen.
Understatement ab Werk
Grifo ist die italienische Bezeichnung für den Vogel Greif – jenes mythische Wesen, das sich aus Adler und Löwe zusammensetzte und gerne Menschen und Pferde (vielleicht auch das Cavallo rampante aus Modena?) verspeiste. Der Iso Grifo macht dieser Legende alle Ehre, denn er ist ein mustergültiges Beispiel für die luxuriösen italienischen Grand Tourer der sechziger Jahre und ausgestattet mit einem Löwenherz in Form eines kraftvollen, amerikanischen V8 unter der eleganten Motorhaube. Außerdem besitzt der Wilton-House-Sieger als einer der wenigen aus seinem Stall ein Zweigang-Powerglide-Getriebe, das nach Worten von Yaras ein müheloses Fahrerlebnis auch über längere Strecken bietet. „Wir waren damit nicht nur ein paar Mal in Le Mans, sondern auch bis nach Norditalien unterwegs“, so berichtet der Besitzer. „Wenn man bei 100 km/h einen Kickdown macht, ist die Beschleunigung einfach phänomenal.”
Man sieht den Iso Grifo oft genug in kräftigen Tönen, deswegen waren wir Juroren vom Understatement der tiefgrünen Lackierung begeistert – vor zwei Jahren wurde er von Grund auf neu gespritzt. Der Originalzustand, der Yaras sehr am Herzen liegt, ist abgesehen von der Außenfarbe augenscheinlich. Das sind beispielsweise die Leichtmetallfelgen, deren Patina attraktiver ist, als die sonst üblichen Speichenräder. Blickt man ins Interieur, entdeckt man zudem einen Schalter mit der Aufschrift „Ejector Seat”. Ein Scherz, den Yaras mit dem großzügigen Dach in Verbindung bringt – denn wer wollte in so einem schönen Wagen einen Schleudersitz als Extra?
Ein würdiger Sieger
Die Auswahl an Wettbewerbern um die Trophäe „Best Classic in Show” war für die Juroren von Classic Driver eine ganz große Herausforderung, denn um den Preis buhlten auch noch ein Porsche 2.7 Carrera RS, ein Bugatti 73C und ein McLaren F1 GTR, der in Le Mans dabei war. Aber in Gesprächen mit dem Besitzer des Iso Grifo wurde klar, dass die Entscheidung richtig war: Denn es ist ein zwar ein seltenes Automobil, aber eines, das in Gebrauch ist, über eine seltene Farbe verfügt und eine bemerkenswerte Geschichte zu erzählen hat.
Fotos: Amy Shore for Classic Driver © 2015