Pininfarina Model X (1960)
Es mag aussehen wie eine gigantische Ausführung jener ovalen Bälle, die beim American Football oder Rugby durch die Luft geworfen werden. Oder wie ein Kugelfisch auf Rädern. Doch war das von einem Fiat-Motor angetriebene Model X von 1960 eine der revolutionärsten Designstudien der Turiner. Firmengründer Battista „Pinin“ Farina überwachte die Entwicklung dieses schnuckeligen Modells, dessen vier Räder rautenförmig platziert waren, sogar persönlich. Während das Vorderrad lenkte und das Hinterrad für den Antrieb zuständig war, sorgten die seitlichen Räder dafür, dass der ganze Kahn nicht umkippte. Zusammen mit einer direkt von aerodynamischen Trends der Zeit inspirierten Karosserie brachte es dieser waschechte Prototyp auf einen Cw-Wert von 0,23 – ein rollendes Wissenschaftslabor, ein Flugzeug ohne Tragflächen.
Pininfarina PF Sigma (1963)
Diese Studie setzte einen klaren Schwerpunkt auf Sicherheit. Daher verwundert es, dass kein Hersteller jemals Ideen aus der Studie Pininfarina PF Sigma weiterverfolgt hat. Als Beleg dafür, dass sichere Autos durchaus elegant aussehen können, wurde die optisch an eine Citroën-Limousine angelegte Studie zusammen mit dem angesehenen italienischen Automagazin Quattroruote entwickelt. Abgesehen von den gigantischen Schiebetüren fanden sich an dem Mittelklasse-Format keine überflüssigen Gimmicks. Vielmehr hätten sicherheitsspendende Lösungen wie im Dach integrierte Überrollbügel, ein dick gepolsterter Lenkradkranz oder die ergonomisch geformten Sitze – für sich allein Objekte purer Schönheit – für eine Umsetzung in die Serienproduktion nicht die Welt gekostet.
Fiat 128 Teenager (1969)
Um zu zeigen, dass auch Fiat ein Herz für „Kids“ hat – und ohne Zweifel auch angespornt von der Beliebtheit des Citroën Méhari und anderer Spaßwagen – zeigte Pininfarina 1969 auf dem Turiner Salon die Studie „Teenager“. Als robuster Beach Buggy auf Basis einer verkürzten Fiat 128-Bodengruppe besaß das Modell alles, was ein Heranwachsender für einen lustigen Strandausflug mit Freunden so brauchte: Walkie Talkies, ein Radio inklusive Tape Deck, eine abklappbare Windschutzscheibe für das „Wind im Haar“-Gefühl und ein Schließfach, um die Coke-Flaschen kühl zu halten. Wir sind nicht sicher, ob der Teenager den Jet Set-Glamour des schnuckeligen Fiat Jolly mit seinem Baldachin-Dach entfaltet, aber dennoch hätten wir noch immer gerne einen.
Ferrari Studio Cr 25 Concept (1974)
Aufpralldämpfende Stoßfänger waren ohne Zweifel das größte Hindernis, mit denen sich Automobildesigner in den 70er-Jahren herumschlagen mussten. Geschuldet waren sie den immer strenger gewordenen Sicherheitsvorschriften, welche speziell für Amerika, den damals weltweit lukrativsten Markt, die Montage dieser unförmigen Anboten vorschrieben. Doch wenn sie einer elegant integrieren könnte, dann wohl Pininfarina, oder? Als potentieller Nachfolger des kantigen 365 GT4 war der CR25 der erste Ferrari von Pininfarina seit dem majestätischen 512 S Modulo. Die nach ihrem Cw-Wert von 0,25 benannte und im neuen hauseigenen Windkanal aerodynamisch optimierte viersitzige Studie bestach durch eine sehr klare Karosserie mit langem hinteren Überhang und großzügig verglastem Fließheck. Die unterhalb der Gürtellinie dunkel abgesetzte Fläche zog bis in den vorgewölbten Stoßfänger, der im Nebeneffekt auch den Luftstrom stabilisierte. Unser Lieblingsfeature? In den C-Säulen verborgene Klappen, die sich wie Segel oder Flugzeug-Bremsklappen ausstellten, um das Auto mit abzubremsen. Genial!
Pininfarina Studio CNR (1978)
Den Wind überlisten – so lautete das vornehmste Ziel der 1978 präsentierten Studie Studio CNR. Pininfarina war immer schon vor allem an klassischen Designqualitäten interessiert, doch verschob dieser bananenförmige, zusammen mit der nationalen italienischen Forschungsgemeinschaft entwickelte MPV die Grenzen so extrem wie nie zuvor. Immerhin gewann das Modell dank eines Cw-Wertes von 0,20 1979 den Compasso d’Oro für „die ideale aerodynamische Form“. Der Wagen wäre als Serienmodell sicher so genügsam, sprich durstig, gewesen wie ein Kamel, aber auch mindestens genauso hässlich.
Audi Quartz Concept (1981)
Abgesehen von ihrer „Haut“, die aus experimentellen Materialien wie Kohlefaser, Kevlar und Polycarbonat bestand, sind wir nicht sicher, was Pininfarinas Quartz Studie mehr bieten konnte als der Audi Ur-Quattro, auf dem sie basierte. Okay, 80 Kilogramm wurden im Vergleich zum Serienmodell eingespart, doch war die Karosserie, so keilförmig und trendy sie auch wirkte, aerodynamisch weniger effizient als jene von Audi. Die Allrad-Studie nahm jedoch viele Designtrends der 1980er-Jahre vorweg, wie über die ganze Breite gezogene Heckleuchten, Stoßfänger in Wagenfarbe und kaschierte A- und B-Säulen.
Honda HP-X (1984)
Diese gigantische Käseecke sollte andeuten, wie Honda die schwarze Magie der Ground Effect-Aerodynamik vom Rennsport in einen Serien-Sportwagen zu transferieren gedachte. Ausgestellt wurde der HP-X auf der Londoner Motor Show von 1984, als Teil einer Ausstellung namens „Take a Trip into Tomorrow“. Herzstück der Studie, die alle anderen Exponate etwas alt aussehen ließ, war exakt jener – hier quer eingebaute – Zweiliter-V6, der auch die siegreichen Formel 2-Renner von Ralt antrieb. Vielleicht eindrucksvoller als das futuristische Exterieur war der mit Fokus auf maximalen Abtrieb verkleidete und ausgeformte Unterboden. Der HP-X kein reines Showcar sondern ein voll funktionsfähiger Prototyp und spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Kult-Mittelmotorsportwagens NSX.
Lancia HIT (1988)
Aus Fahrersicht halten wir den Lancia HIT für die Nummer Eins auf einer imaginären „Was hätte sein können“-Hitliste. Man stelle sich einen Delta Integrale mit extrem steifem Kohlefaserchassis, windschlüpfriger Coupé-Karosserie aus Kevlar und Glasfaser sowie einem Gewicht von lediglich 980 Kilo vor – 235 Kilo leichter als das Serienmodell. Der Name des aufregenden Concept Cars war dann auch Programm: HIT, für High Italian Technology. In der Tat steckte Pininfarina all sein Wissen in dieses spannende Paket. Das auf eine wohlhabende Zielgruppe zielte, wohl um die sicher sehr hohen Entwicklungskosten zu rechtfertigen. So oder so muss dieser Delta-Hit einfach göttlich zu fahren gewesen sein...
Pininfarina Ethos 1 and 2 (1990s)
Die Anfang der 1990er-Jahre als umweltfreundliche Designstudien konzipierten Ethos-Studien waren das Werk des 1994 zu Nissan gewechselten Pininfarina Designers Stephane Schwarz. Das Trio bestand aus einem radikalen Spider, einem extrem aerodynamischen Coupé und einem Stadtauto. Alle waren komplett recycelbar und bestanden aus einem Aluminium-Spaceframe mit einer darüber gestülpten Hülle aus Thermoplastik. Den Antrieb besorgte ein innovativer Orbital-Motor, der zwar eher schwach auf der Brust, aber dafür sehr sparsam war.
Der zweite und 1993 in Genf gezeigte Ethos war ohne Zweifel der eindrucksvollste Vertreter. Mit einem Cw-Wert von 0,19 war er lange vor dem VW XL1 da, wo der Volkswagen erst 2014 (!) weitermachte. Bei konstant Tempo 120 betrug der Benzinverbrauch nur 2,76 Liter/100 Kilometer. Er ähnelte auch stark dem neuen McLaren Speedtail, finden Sie nicht auch?
Citroën Osée (2001)
Wollten wir einen Kampfjet für die Straße zeichnen, würden wir den Citroën C5 wohl kaum als Ausgangsbasis nehmen. Anders Pininfarina, die die Einführung des neuen Oberklassemodells der Franzosen zum Anlass nahmen, die Autowelt mit einem radikalen Mittelmotor-Sportwagen aufzurütteln. Die Turiner nahmen des Dreiliter-V6 des C5 und bauten ihn quer hinter das dreisitzige Cockpit. Das Exterieur gab sich wild futuristisch, am Bug allerdings schon mit Anklängen an den 2005 folgenden großen C6 und stand ansonsten in der Tradition der avantgardistischen Designphilosophie der Marke. Vielleicht hat sich Pininfarina auch vom Layout des dreisitzigen Matra Bagheera aus den 70er-Jahren oder – vermutlich eher – des McLaren F1 von Gordon Murray inspirieren lassen. Der Zugang zum Cockpit erfolgte nicht über konventionelle Türen, sondern über die hydraulisch komplett nach vorn klappbare Cockpitkanzel – sehr Top Gun-style...
Fotos: Pininfarina, Fiat, Honda, Lancia, Citroën