Jaguar konnte 1961 nicht ahnen, dass der E-Type solch eine Massenhysterie auslösen würde. Die ursprüngliche, und wie sich bald zeigen sollte, naive Planung, hatte nur den Bau von 250 Exemplaren vorgesehen. Was für eine Fehleinschätzung.
Als die Tore zum Genfer Automobil-Salon des Jahres 1961 schlossen – wo die für 2000 Pfund angebotene Coupé-Version des 240 km/h schnellen Sportwagens Weltpremier feierte und zahlreiche Kinnladen nach unten klappen und viele Knie weich werden ließ – hatte der Hersteller aus Coventry schon über 500 feste Bestellungen vorliegen. Nicht weniger enthusiastisch war der Empfang zu Hause in England, wo Jaguar Cheftestfahrer Norman Dewis das Auto mit einem „Präriefeuer, das durch das Land tobt“, verglich.
Der ewig clevere Jaguar Gründer Sir William Lyons verstand die Weisheit, sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Während die Nachfrage bei weitem die anfängliche Fertigungskapazität übertraf und immer mehr Anzahlungen speziell von der anderen Seite des großen Teichs hereinflatterten, wurden die frühesten E-Types jenen zugeteilt, die für noch mehr Publicity sorgen konnten. Und was war wohl die beste Methode, im Jahr 1961 die Werbetrommel zu rühren? Einfache Antwort: Rennen fahren!
Zu diesem Zeitpunkt hatte Aston Martin mit dem DB4GT bereits den Kampf gegen Ferrari und dessen formidablen 250 GT „Short Wheelbase“ aufgenommen. In Coventry stieß Chefentwickler Claude Baily prompt das „Project ZP“ an. Dessen Ziel war es, möglichst schnell sieben E-Type Roadster zu Wettbewerbswagen umzubauen und damit die Macht aus Maranello zu schlagen. Relativ wenig wurde an den für „Project ZP“ ausgewählten Wagen verändert. Jaguar war von den Grundeigenschaften des E-Type offenbar sehr überzeugt, ließ aber immerhin Erfahrungen aus dem mysteriösen E2A-Rennprototypen einfließen, der 1960 mit Briggs Cunningham unter anderem in Le Mans auftrat.
Zusätzlich zu einem leichteren Schwungrad, einer Rennkupplung und einem enger abgestuften Getriebe erhielt der 3,8 Liter große Reihensechszylinder die größte Aufmerksamkeit – wenig überraschend in Anbetracht der Leistung und der großen Zuverlässigkeit des Colombo-V12. Also wurde die Verdichtung erhöht, ein experimenteller „gas“-flowed“ Zylinderkopf und Einlasskrümmer installiert sowie alle Motorinnereien für den Renneisatz verstärkt. Gekrönt wurde alles von wunderschönen Ansaugtrompeten, die gleich neben den SU Vergasern saßen.
Sechs der sieben „Project ZP“ E-Types wurden paarweise (einer als Renneinsatzauto, der andere als Ersatzteilspender) an Jaguars treueste Privatkunden ausgeliefert: Equipe Endeavour, John Coombs Racing und Peter Berry Racing. Dass die jeweiligen Besitzer und Teamchefs dicke Buddys und Vertraute von Sir William Lyons waren, verwunderte kaum. Nur das letzte Modell ging an eine Einzelperson: Sir Gawaine George Hope Baillie, 7th Baronet of Polkemmet Linlithgowshire.
Der archetypische Herrenfahrer Sir Gawaine (geboren 1934) war ein extrem wohlhabender Aristokrat und bestens vernetzter Industrieller, der im majestätischen und festungsartigen Leeds Castle (12. Jhr.) in Kent residierte. An Wochenenden fuhr er Rennen und sammelte nebenbei und ganz im Geheimen die größte jemals bekannt gewordene Sammlung britischer und British Empire Briefmarken. Nach Baillies Tod im Jahr 2003 brachte Sotheby’s die in einem opulenten Katalog aufgelistete Sammlung für £16 Millionen unter den Hammer – zur großen Überraschung seiner Freunde und des weiteren Familienkreises, die alle keine Anhang von seinem Hobby hatten.
Der Jaguar E-Type, den sie hier bestaunen – trägt die Chassisnummer 850008 und das Kennzeichen GB8488. Es ist das achte und damit letzte aufgebaute „Project ZP“-Auto und wurde neu an Sir Gawaine geliefert. Mit einer orangenen Kriegsbemalung am oberen Rand der Kühlerschnauze, nannte er das Auto im April 1961 für das prestigeträchtige National Spring Meeting in Oulton Park. Ein Rennen, das bekanntermaßen Graham Hill im „Project ZP“ der Equipe Endeavour gewann. Es war der erste Sieg in einer langen Liste von Erfolgen für den Jaguar E-Type.
Als nächstes führte Sir Gawaine seinen „Jag“ beim Archie Scott-Brown Memorial in Snetterton aus, wo er auf Platz vier einlief. Im August folgte Brands Hatch und ein Rennen, das viele Grand Prix-Stars anlockte, die alle scharf auf die lukrative Peco Trophy waren. Sir Gawaine legte in seinem E-Type eine makellose Vorstellung hin und landete auf Platz sechs im Gesamtklassement sowie Platz vier in der Klasse – hinter damaligen Superstars wie die Herren Moss, Salvadori und McLaren. Die erfolgreiche Saison wurde abgerundet durch einen erneuten sechsten Platz bei der Molyslip Trophy in Snetterton.
Danach zog Sir Gawaine den Jaguar zurück, um sich fortan der britischen Tourenwagen-Meisterschaft zu widmen. Zu sehr hatte ihn der toxische Soundmix amerikanischer V8-Power verzaubert. Am Steuer seines Ford Falcon mit Benzineinspritzung gewann er 1965 sogar die Klasse A. Sein E-Type wurde derweil auf ein Straßenmodell zurückgebaut und trat danach eine Reise über den großen Teich an. Wo er in erstaunlich hohem Originalzustand bis 2018 verblieb und dann von seinem jetzigen Besitzer erworben wurde.
Der besagte Mann nutzte unmittelbar die Teilnahmeberechtigung dieses sehr frühen Competition-E-Types aus, um ihn bei der hart umkämpften Kinrara Trophy des Goodwood Revival einzusetzen. Wo sich der „Jag“ auch auf Anhieb als Frontrunner profilierte. Um den wertvollen Original-Rennmotor, das Renngetriebe und die – kaum zu glauben – beim Auto verbliebene Original-Motorhaube zu erhalten, lieferte Jaguar Guru Gary Pearson Ersatzkomponenten für Renneinsätze.
Die Bedeutung von 850008, der aktuell und erstmals öffentlich von Classic Driver-Händler Duncan Hamilton ROFGO zum Verkauf angeboten wird, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Die „Project ZP“-Autos zählen nicht nur zu den frühesten E-Type, die Jaguars Browns Lane-Werk verließen, sondern repräsentieren auch die erste Stufe in der Wettbewerbskarriere eines Modells, dass zu den charismatischsten GT-Rennern in der Geschichte des Motorsports zählt. Zusätzlich muss man daran erinnern, dass die „Project-ZP“ auch noch seltener sind als die nachfolgenden Lightweights.
Dass sich der Wagen in einem solch wohlkonservierten Zustand befindet, macht ihn für Sammler noch reizvoller. Wenn Sie einen E-Type wollen, der legitim aus der Menge der in 14 Jahren 72.000 Mal gebauten anderen herausragt, dann ist das hier Ihre große Chance.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Duncan Hamilton ROFGO © 2020