Insgesamt kommen bei den vier großen Auktionshäusern – RM Auctions, Bonhams, Gooding & Company sowie Barrett Jackson – neun Mercedes-Benz 300 SL zum Aufruf. Davon fünf Flügeltürer und vier Roadster. Jeweils zwei Exemplare der Sportwagen-Ikone kündigt allein das kalifornische Auktionshaus Gooding & Co an. Ein guter Zeitpunkt also, die Wertentwicklung des Dauerbrenners etwas genauer zu betrachten.
Keine Sättigung in Sicht
Das große Angebot an 300 SL ist nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr standesgemäß bei der alljährlichen Scottsdale-Auktionswoche. Entsprechend ist die Nachfrage groß. Es gibt zwar seit Jahren kaum eine namhafte Klassiker-Veranstaltung, bei der kein 300 SL auftritt. Sattgesehen hat sich der Markt deshalb jedoch noch lange nicht - im Gegenteil. Schließlich bietet der 3oo SL unter den großen Sportwagen-Ikonen viele Gründe, ihm nicht widerstehen zu können: Großartiges Design, Komfort, sehr gute Fahreigenschaften, Rennsportgeschichte und vieles mehr.
Doch wie sieht es mit der Preisentwicklung aus? Lohnt es sich, jetzt einen 300 SL zu kaufen? Dazu haben wir die 300-SL-Spezialisten Johannes Kleissl, Inhaber von HK Engineering, und Christian H. Kramer, Fahrzeugprüfer des Weltoldtimerverbandes F.I.V.A. und Herausgeber von 300sl.org, befragt. „Ein Flügeltürer in vernünftigem Zustand kostet mittlerweile rund 1.000.000 Euro“, erklärt Kramer. „Schaut man sie die Preisentwicklung der vergangenen Jahre an, ist das Niveau jedes Jahr um fast 20 Prozent gestiegen. Eine bessere Wertanlage, mit der Sie auch noch viel Fahrfreude haben, gibt es vermutlich kaum.“
Wert stabil, Tendenz steigend
Die Schätzpreise in Scottsdale beginnen bei 800.000 bis 1.000.000 US-Dollar für einen roten Roadster und enden bei 1.350.000 bis 1.700.000 US-Dollar für einen Gullwing aus erster Hand in Schwarz mit rotem Leder. „Bei der Preisgestaltung, die bei den Auktionen schon durch die Aufschläge rund 10 bis 15 Prozent höher ausfällt als beim Händler, kommt es natürlich auf den Zustand des Klassikers an“, so Kramer. „Ein Daily-Driver mit unvollständiger Historie und mittelmäßiger Restaurierung kann nicht so viel Wert sein, wie ein unberührtes Original oder ein toprestauriertes Exemplar mit dokumentierter Geschichte.“
Auch das Marketing der Auktionshäuser, die mit ihren großen Kundendatenbanken ein riesiges Publikum ansprechen, die allgemeine Stimmung bei den Auktionen oder schlicht die passende Farbkombination können für das Preisniveau eine Rolle spielen. Dazu Kleissl: „Denken Sie nur an den Roadster im Farbton Mittelblaumetallic, der bei der groß inszenierten RM-Auktion in New York Ende November 2013 zum Rekordpreis von 1.650.000 US-Dollar inklusive Aufgeld versteigert wurde.“ Der offene 300 SL war lediglich ein „Trommelbremser“, der normalerweise deutlich niedrigere Preise als das Pendant mit Scheibenbremsen erzielt. Doch der Roadster besaß eine schöne – wenn auch nicht originale – Farbkombination und hatte unter anderem Klassensiege beim Concours of America in St. Johns und in Amelia Island im Jahr 2011 errungen.
Auch der Bieterkampf treibt die Preise nach oben. Und, nicht zu unterschätzen: Wer siegt, genießt obendrein die Anerkennung der Szene. „Wenn Sie nun den Preis des 300 SL in NYC mit den Erwartungen in Scottsdale vergleichen, werden Sie zunächst feststellen, dass die Preise stabil sind. Doch die Auktionshäuser setzen erfahrungsgemäß niedrig an. Die Chance auf einen neuen Rekorderlös besteht also“, ergänzt Kleissl.
Original gibt es nur einmal
„Spätestens, wenn der Oldtimermarkt in China geöffnet wird, dürften die Preise noch einmal deutlich steigen“, ergänzt Kramer und führt fort: „Dann werden Exemplare wie der von Gooding angebotene 1956er Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer in unrestauriertem Zustand – mein persönlicher Favorit – noch seltener zu bekommen sein. Also denken Sie immer daran: Original gibt es nur einmal.“
Fotos: RM Auctions, Bonhams, Gooding & Co., Barrett-Jackson