Man kann sich im Showroom von Thiesen in Hamburg durchaus fühlen wie ein kleiner Junge im Spielzeugladen – am liebsten würde man jeden Klassiker mit nach Hause nehmen. Wir haben Geschäftsführer Timm Meinrenken auf einen vorweihnachtlichen Klönschnack besucht.
Seit 1972 handelt Eberhard Thiesen in Hamburg mit automobilen Raritäten. Dank einer gesunden Mischung aus Leidenschaft, Qualitätsbewusstsein, hanseatischer Verbindlichkeit und Diskretion gilt sein Klassiker-Showroom als eine der besten Adressen in ganz Europa. Das automobile Spektrum reicht von außergewöhnlichen Vorkriegsklassikern über kaum bekannte Raritäten vergessener Marken und Karrossiers bis hin zu den Supersportwagen der 1980er Jahre. Gemein ist allen Autos – egal, ob Blower-Bentley oder Tatra, Mercedes-Benz Flügeltürer oder Ferrari F40 – die Qualität: Denn das Team legt besonderen Wert auf Originalität und Historie, Erhaltungszustand und Restauration. Lange Jahre versteckte sich Thiesens Showroom in einer unauffälligen Hochgarage im Mittelweg nahe der Alster, im Sommer 2014 bezog das Team die großzügigen Räume der ehemaligen Sternwoll-Spinnerei in Hamburg-Othmarschen, in der die automobilen Schätze nun wunderbar zur Geltung kommen - und vor allem in der Adventszeit verführerisch glitzern. Wir haben unseren langjährigen Freund Timm Meinrenken, der neben Eberhard Thiesen die Geschicke des Handels leitet, kurz vor Weihnachten auf eine Tasse Tee besucht.
Was ist Deine erste Erinnerung an ein Automobil?
Die erste Prägung hat vermutlich bereits nach meiner Geburt mit der Abholung aus dem Kreissaal stattgefunden. Mein Vater fuhr damals einen Mercedes 200 /8, Baujahr 1969. Daher hat sich bei mir zunächst eine besondere Affinität zur Marke Mercedes entwickelt. Bereits mit 17 Jahren kaufte ich meinen ersten /8er , den ich in der elterlichen Garage reparierte. In den folgenden Jahren kamen verschiedene Modelle hinzu – von der Flosse bis zum 280SE 3,5 Coupé. Ein besonders starkes Interesse entwickelte ich damals auch für den Motorsport. Zunächst als Zaungast, Ende der 1990er Jahre griff ich dann auch selbst ins Volant. Heute bin ich im historischen Motorsport, auf der Rundstrecke und bei Rallyes aktiv und erfolgreich europaweit unterwegs.
Was macht Deine Leidenschaft für klassische Automobile denn eigentlich aus? Warum gehört Dein Herz bestimmten Modellen?
Zum einen sind es Kindheitserinnerungen, die mich mit einem bestimmten historischen Fahrzeug verbinden. Zum anderen begeistert mich oft schlicht das Design eines Modells. Ein Alfa Romeo 8c 2900B Touring Spider oder Coupé gehören für mich einfach zu den schönsten jemals gebauten Automobilen. Neben der Form ist für mich aber auch die Technik und Performance von großer Bedeutung. Am meisten begeistern mich Fahrzeuge der fünfziger und sechziger Jahre, die schon damals Motorsportgeschichte geschrieben haben und sich auch noch heute vergleichsweise schnell auf Rennstrecken fahren lassen. Dazu gehören Autos wie der Ford GT 40, die AC Cobra, der Aston Martin DB4 GT, der Iso Grifo A3 / C und noch einige Modelle aus den Häusern Porsche und Ferrari. Nicht vergessen möchte ich aber auch die beeindruckenden sportlichen Vorkriegsfahrzeuge von Bugatti, Mercedes, Bentley, Lagonda, Alfa Romeo und so weiter.
Gibt es Momente, die Dir aus deiner automobilen Karriere besonders in Erinnerung geblieben sind?
Einen Mercedes-Benz Rennsport SSK mit Flugmotor, 7,1 Litern Hubraum und rund 300 PS über die Landstraße zu peitschen, das gehört für mich sicherlich zu den unvergesslichsten Erlebnissen.
Wie bist Du bei Thiesen "gelandet"?
Aufgrund meines betriebswirtschaftlichen Studiums vorschlug es mich Anfang der 1990er Jahre vom Lande nach Hamburg. Dort lernte ich Eberhard Thiesen kennen und begann zunächst nebenher für ihn zu arbeiten. Wenige Jahre später übernahmen wir die alteingesessenen und historisch bekannten Räumlichkeiten am Mittelweg in Hamburg-Pöseldorf bzw. Rotherbaum. Über die Jahre ist es uns dann gemeinsam gelungen, die Firma Thiesen zu einem der führenden Oldtimer-Handelshäuser weltweit auszubauen.
Was ist Deine Rolle im Unternehmen?
Ich habe mich schon immer ins Marktgeschehen gestürzt, war bei den Auktionen und bedeutenden Concours d'Elegance dabei. Ich nehme auch immer gerne an Oldtimer-Rallyes und historischen Motorsport-Veranstaltungen wie der Le Mans Classic oder dem Goodwood Revival teil. Auch bei den wichtigen Messen war ich immer vor Ort. Dadurch habe ich mir über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut, auf das ich bis heute zurückgreifen kann. Nachdem ich die Geschicke der Firma über die Jahre als "rechte Hand " von Herrn Thiesen gelenkt habe, bin ich nun auch offizieller Partner und Geschäftsführer.
Widmet sich Thiesen ausschließlich dem Handel von Automobilklassikern? Oder restauriert Ihr auch selbst?
Der Schwerpunkt liegt schon im Handel. Wir überprüfen die Fahrzeuge natürlich und führen auch Servicearbeiten im Hause aus. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit spezialisierten Werkstätten zusammen. Alle Autos aus unserem Bestand erhalten einen Service in einer Fachwerkstatt. Darüber hinaus vermitteln wir auch geeignete Restaurationswerkstätten weltweit.
Wie würdest Du Eure automobile Mischung beschreiben? Und welche Art von Kunden zieht ihr damit an?
Wir haben hier in Hamburg viele Kunden, die zwei bis vier Gebrauchsklassiker besitzen, aber auch einige hochkarätige Sammler. Generell sind wir weltweit aktiv, aber der Schwerpunkt liegt in Europa. Unser Team ist über viele Jahre gewachsen und zeichnet sich durch spezielles Wissen unterschiedlicher Epochen und Fahrzeugtypen aus. Dadurch betreuen wir verschiedene Kunden mit ganz unterschiedlichen Interessen und gelangen so an die unterschiedlichen Automobile der Vor- und Nachkriegszeit. Ein weiterer Grund für unseren Erfolg liegt sicherlich auch an unseren persönlichen Interessen, in meinem Fall für sportliche Fahrzeuge der 1950 bis 1970er Jahre mit Schwerpunkt Renn- und Rallyesport.
Thiesen Hamburg ist vor einiger Zeit umgezogen - vom Mittelweg in eine ehemalige Spinnerei in Hamburg-Othmarschen. Wie wichtig war Euch die Geschichte des Gebäudes?
Nachdem uns unsere Räumlichkeiten am Mittelweg zu klein wurden, haben wir uns nach einem geeigneten Showroom umgesehen. Unser Traum war ein Gelände mit historischem Ambiente; groß genug, um auch andere Werkstätten rund um unser Thema unterbringen zu können. Da der Handel und die Präsentation historisch wertvoller Fahrzeuge geprägt sind durch Leidenschaft und Emotion, ergänzt das nun passende Ambiente das Thema in perfekter Form.
In Berlin betreibt Thiesen ebenfalls eine Niederlassung – in der Classic Remise, einem alten Straßenbahndepot. Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Habt Ihr einen gemeinsamen Autobestand?
Ja, wir arbeiten eng zusammen und vermarkten den "Stock" gemeinsam. Zwei Drittel der Fahrzeuge nehmen wir in Kommission, ein Drittel besitzen wir selbst. Ein Teil der Automobile werden auch über unsere Berliner Niederlassung beschafft.
Wie siehst Du die aktuelle Entwicklung des Marktes mit immer höheren Preisen - teils auch für Klassiker, die in hohen Stückzahlen gebaut wurden?
Das ist ein komplexes Thema. Grundsätzlich halte ich den Oldtimermarkt für solide. Da gibt es meiner Ansicht nach noch ein ordentliches Entwicklungspotenzial. Besonders seltene Fahrzeuge und solche mit "Alleinstellungsmerkmalen" werden auch in den nächsten Monaten weiter zulegen. Sammlerfahrzeuge mit größeren Stückzahlen wie ein Mercedes 300SL Roadster oder Coupé werden immer ein sicheres Investment sein, auch wenn die Preise derzeit stagnieren. Gebrauchsklassiker im Preisniveau zwischen 100.000 und 200.000 Euro sind derzeit sehr gefragt, aufgrund des recht vielfältigen Angebotes müssen aber der Service vom Anbieter, die Qualität - also die Restauration und die Originalität - und vor allem der Preis stimmen. Herausragende Fahrzeuge generieren entsprechend hohe Preise und werden auch weiter zulegen.
In welche Klassiker sollte man jetzt investieren? Und was sind die Klassiker der Zukunft?
Wenn ich das genau wüsste, würde ich sie jetzt kaufen und wegstellen. Generell liegt der Fokus aber auf Autos aus den späten 1960er bis in die frühen 80er Jahre. Die Klassiker der Zukunft werden wahrscheinlich die Supersportwagen der großen Marken wie Ferrari, Porsche, Lamborghini, Bugatti oder Mercedes sein.
An welche Autos, die einmal bei Euch im Showroom standen, erinnerst Du Dich besonders gerne zurück?
Bei den Vorkriegsklassikern an den bereits erwähnten Mercedes Rennsport SSK, bei den Nachkriegsautos an einen Iso Grifo A3 Competizione.
Wenn Geld keine Rolle spielen würde - welche Klassiker würdest Du Dir zu Weihnachten wünschen?
Da muss ich drei nennen: Einen Ferrari 250 GT Zagato, einen Alfa Romeo 8c 2900 B Touring und einen Iso Grifo A3/C.
Fährst Du auch privat einen Klassiker?
Na klar, als Sechssitzer für die Familie einen Mercedes 230s Heckflossen-Kombi aus dem Jahr 1966, das einstige Jagdauto des Schahs von Persien. Als elegantes Reisemobil für Kurztrips ein Mercedes 280Se 3,5 Coupé von 1971. Für den sportlichen Rallye-Einsatz einen Porsche 911 S von 1970, im Motorsport einen Ford Lotus Cortina sowie einen Iso Rivolta Le Mans. Und meine Frau fährt einen Porsche 911E Targa von 1973.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2015