Anfang des Jahres meldete Aston Martin weitere Rekordverkaufszahlen für 2017, maßgeblich getrieben von der starken Nachfrage nach dem neuen DB11. Egal, was man nun über den technischen Schulterschluss der ehrwürdigen britischen Marke mit den Affalterbacher PS-Magiern von AMG hält – die Strategie funktioniert, die Saat geht auf. Und das kann aus Sicht von Aston Martin nur eine gute Sache sein.
Doch gibt es auch andere Meinungen zur deutsch/britischen Kooperation. So vergleicht der anerkannte Markenspezialist Desmond Smail den Einbau eines AMG-Motors in einen Aston Martin mit einem Messerschmidt-Motor für eine Spitfire. Daher stellt er die Frage, ob diese beiden V12 – ein Vanquish S von 2007 und ein DBS von 2010 – nicht die passendere Wahl wären?
Listet man alle Eigenschaften eines „echten“ Aston Martin auf, dann ist der Vanquish sicherlich das letzte Auto der Sportwagenschmiede, das dieses Prädikat verdient. Zunächst einmal ist es ein lupenreiner Grand Tourer, mit einem großen und kräftigen Frontmotor und einer zugleich muskulösen wie eleganten Aluminium-Karosserie, die englisches Understatement und Rasse verkörpert. Das Auto ist einfach unvorstellbar schön, speziell in der hier gezeigten Farbe „Ghillies Green“.
Zugleich war es der letzte Wagen, der noch per Hand in Newport Pagnell gebaut wurde – zum Abschluss einer 50-Jährigen Produktionsgeschichte am berühmten britischen Standort. Der Vanquish war ein extrem wichtigstes Modell für die Marke, leitete er doch den Übergang von den archaischen V-Modelle zu einer neuen Generation moderner Astons ein.
Trotz seiner Beliebtheit blieben die Produktionszahlen bescheiden: Nur 2.589 Vanquish verließen das Werk, darunter 1.086 als stark verbesserte S-Variante, die Ende 2004 eingeführt worden war. Neben einem Leistungssprung von 460 auf 520 PS gab es diverse optische Retuschen und Änderungen unter der Haut, die einige Schwächen des Originalmodells ausbügelten und – noch wichtiger - die Lücke zwischen dem so genannten „Hero“-V12 und dem DB9 füllte.
Dieser 2007er Vanquish S, der aktuell beim Classic Driver Händler Desmond J. Smail zum Verkauf steht, war eines der letzten in Newport Pagnell gebauten Fahrzeuge. Sein Wegstreckenzähler zeigt 8.800 Meilen an, also knapp über 14.000 Kilometer. Entsprechend makellos gibt er sich, innen wie außen. Wir können eine kurze, aber genussvolle Ausfahrt machen. Trotz des eigenartigen Getriebes fühlt sich das Auto sehr schnell an. Wie zu erwarten, dominiert der röhrende und aus bis zu 576 Nm schöpfende V12 das Fahrerlebnis. Doch zugleich gibt er sich sehr kultiviert und alltagstauglich. Das aufgewertete „Big screen“-Interieur hingegen wirkt im Vergleich zum DBS veraltet, wenngleich es im Vergleich zu den Vorgängermodellen eine große Verbesserung darstellt. Ein schöner Arbeitsplatz für den Piloten!
Während die majestätische Ausstrahlung des Vanquish mühelos ist, wirkt der DBS selbst in der Farbe Tungsten Silber ein wenig bemüht. Was natürlich nicht heißen soll, dass er ein unattraktiver Sportwagen wäre – immerhin steckt in ihm ein DB9. Was uns wirklich überrascht hat, war die Kultiviertheit des DBS auf der Straße. Man nimmt in einem kokonartigen Interieur Platz, und das im positiven Sinne anti-soziale Bellen des 510 PS starken V12 bricht sich nur beim stärkeren Drücken des Gaspedals Bahn. Er ist von A nach B sicherlich schneller und komfortabler als der Vanquish, und das über einen Schaltknauf aus Aluminium zu schaltende Sechsganggetriebe ist ein Genuss. Doch mögen Sie uns auch altmodisch nennen – schon bald sehnten wir uns wieder nach dem leicht widerspenstigen älteren Bruder.
Beide Autos machen optisch etwas her, bieten herzerwärmende Soundtracks, sind ideale Partner für transkontinentale Reisen und hinterlassen immer ein Lächeln im Gesicht. Auch wenn der DBS ausschließlich in Gaydon gebaut wurde, so verkörpern doch beide Wagen auf unterschiedliche Weise die Essenz dessen, was einen Aston Martin ausmacht. Wir stellen uns vor, man hätte 2007 für einen der letzten Vanquish S im Vergleich zu einem DBS nochmal 17.000 Pfund extra hingelegt – man wäre für verrückt erklärt worden. Doch in der Rückschau ist es der Wagen, den wir lieber besitzen würden. Eine sehr spezielle Maschine aus einer Zeit, in der Alt auf Neu prallte.
Die gute Nachricht ist, dass beide Autos für weniger Geld zu erwerben sind als damals im Neuzustand. Und in einer Welt mit immer mehr Mercedes-Hardware in Aston Martin-Modellen werden interessierte Kunden noch liebevoller auf diese „reinrassigen“ Modelle schauen, welche die Marke auf so wunderbare Weise definieren.
Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2018