Mick Broom, der ehemaligen Test- und Entwicklungschef von Lord Hesketh, hatte die Namensrechte im Jahr 2010 an den britischen Ingenieur und Unternehmer Paul Sleeman verkauft. Sleeman fackelte nicht lange und stellte eine moderne Interpretation einer Hesketh-Maschine auf die Räder – die Hesketh 24. Als Sleeman ankündigte, dass eine Serienversion folgen würde, hätte ich nicht unbedingt damit gerechnet, dass dies zeitnah geschehen werde. Sie wissen ja wie das ist: Manchmal kann so etwas Jahre dauern. Umso glücklicher war ich, als ich letzte Woche tatsächlich auf der ersten Hesketh 24 saß. Sleeman und sein Team haben bis jetzt sieben Bestellungen entgegen genommen und starten nun mit der Produktion der ersten der insgesamt 24 Maschinen, um sie rechtzeitig bis Ende Dezember auszuliefern. Die Gelegenheit, eine dieser Maschinen zu testen, bevor der englische Winter einbricht, ließ ich mir natürlich nicht nehmen. Obendrein bot sich mir an diesem Tag bestes Motorradwetter.
Alles etwas größer
Die 24 Bikes werden in einem geradezu bescheidenen Bereich eines Industriegebäudes in Redhill, Surrey, gebaut. Hier führte mich auch mein Weg hin zum Prototypen, der sich als ziemlich exakte Kopie des Serienmodells herausstellte. Und die neue Hesketh ist sehr attraktives Streetbike – mit langem Radstand wie bei einer Suzuki Hayabusa, breitem flachem Lenker, Rennsportfederung von Ohlins, Beringer-Bremsen und Carbon-Rädern. Das Herz der Hesketh ist ein bärenstarker S&S-V-Twin-Motor mit fast zwei Litern Hubraum (mit ein bisschen Zusatz-Power des britischen Tuners HPE), kombiniert mit einem Baker-Getriebe mit fünf Gängen plus einer sechsten „Overdrive“-Stufe. Startet man das Biest, ertönt ein Knurren aus den Töpfen und überraschenderweise stellt sich ein ungewöhnlich gleichmäßiger Leerlauf ein für einen Motor, dessen zwei Zylinder ungefähr so groß sind wie Eimer.
Mein erster Eindruck: Diese große Maschine braucht eine starke Hand. Nicht, dass sich das Motorrad schwer manövrieren ließe – sogar die gewaltige „King Kong“-Kupplung ließ sich leicht bedienen – , es ist schlicht alles etwas größer an der 24. Und obwohl ich über 1,80 Meter roß bin, erforderte der große Abstand zwischen der Sitzbank und den flachen Lenkergriffen eine ordentliche Streckung. Offen gestanden: Wenn Sie unter 1,70 Meter groß sind, ist die Hesketh vermutlich nicht das Richtige für Sie. Während die Dynamik der Maschine bei Schrittgeschwindigkeit zu wünschen übrig lässt, erwacht die Hesketh zum Leben, sobald sie schneller als 15 km/h Stunde läuft. Dann schiebt der 125 PS starke Motor die Maschine mühelos an. Noch spürbarer ist das beeindruckende Drehmoment von bis zu 190 Nm: Es ermöglicht saubere, lückenlose Beschleunigung bereits ab niedrigen Drehzahlen und das in nahezu jedem Gang. Es ist fast komfortabler, die Maschine schnell zu bewegen, als langsam. Denn sobald sie in Fahrt ist, lässt sie sich viel leichter manövrieren, als ihre Größe vermuten lässt - und wirklich viel, viel besser als eine XS1100!
Bloß nicht das Tacho aus den Augen verlieren
Bei derart entspanntem Fahren darf man das Tachoblatt nicht aus den Augen verlieren. Auch wenn die Drehzahl nur ein wenig hochklettert, heißt es nicht, dass nicht schon längst das Tempolimit überschritten wurde. Um es klar zu machen: Man merkt die Geschwindigkeit auf der Hesketh nicht. Der große Motor hat aber auch seine Nachteile. Ich habe die Hesketh wirklich nicht gescheucht, aber ich bin mir sicher, täte man dieses, wäre sie sehr durstig. Auf der anderen Seite dürfte der luftgekühlte Motor eine enorme Hitze abgeben. Realistisch betrachtet, wird auch kein Durchschnittsfahrer die Hesketh 24 kaufen – nicht zuletzt, weil die Maschine 35.000 Britische Pfund kostet. Ohne Zweifel spricht das Brit-Bike den wohlhabenden Gelegenheitsbiker an, der etwas wirklich Besonders fahren möchte, um es in ein „Motorhaus“ aufzunehmen. Etwas, das sich als Langzeitinvestition lohnt.
Übrigens: Sleeman kündigte bereits einen Nachfolger der Hesketh 24 an – einen zweisitzigen Sports Tourer. Ich habe jetzt schon Mitleid mit dem Hintermann, soll die neue Hesketh doch mit der gleichen S&S-Maschine ausgestattet werden - nur in diesem Fall mit der Zugabe eines Turbos.
Fotos: © Nick Elvery for Classic Driver