Jetzt haben wir fast schon November und der Winter naht – doch schließen Sie in diesen ersten kalten Tagen doch für einen Moment die Augen und malen sich folgende Szene aus: Es ist ein brennend heißer Sommertag des Jahres 1969. Und im angesagten sardischen Badeort Porto Cervo schaukelt die M.Y. Zuricana gemächlich und in vorderster Reihe im Yacht Club Costa Smeralda auf den Wellen. Der Name der eleganten und sportlichen 18-Meter-Luxusyacht ist eine Mischung aus Zürich und Cannes. Sie gehört einem in der Schweiz geborenen Gentleman, der genau jenen feinen Grat zwischen Exzentrik und gutem Benehmen trifft, den man heute vergeblich sucht. Der Herr ist – zusammen mit seiner Familie und seinem geliebten Boot – Gast des Aga Khan, der den exklusiven Yachtclub 1967 gegründet und Sardinien für die Hautevolée erschlossen hat. Auf den regelmäßigen Abendpartys an Bord der Zuricana tummeln sich unter den erlesenen Gästen neben seiner Hoheit auch ein gewisser Gianni Agnelli und der übertalentierte britische Schauspieler, Erzähler und Menschenfreund Sir Peter Ustinov.
Cut – und zurück in die Gegenwart, die leider etwas weniger romantisch ist als jene gute alte Zeit, in der man Stilempfinden und guten Manieren noch höchsten Respekt zollte und das Leben nur halb so ernst genommen wurde wie heute. Zu schade, dass Boote nicht sprechen können – was hätten das Teakholz-Deck und die eleganten Mahagoni Armaturen der M.Y. Zuricana nicht alles zu erzählen. Denn die Yacht war viel mehr als ein elegantes Schiff: Vielmehr war sie, am Hafen verteut, ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Und der Besitzer empfing den lokalen Fischer und den Metzger, der oft gleich zum Abendessen blieb, mit der gleichen Gastfreundschaft, mit der er Stars wie David Niven, Curd Jürgens oder Charles Aznavour an Bord willkommen hieß.
Die zu den weltweit schönsten originalen Superyachten zählende Admiral 18 (so ihre offizielle Bezeichnung) lief am 7. Mai 1967 in der Werft Cantiere di Lavagna in Chiavari bei Rapallo vom Stapel. Begleitet wurde sie von der Haarlocke eines Werftarbeiters – was traditionell als Glücksbringer galt. Das prachtvoll ausgestattete Interieur einschließlich drei bordeigener Doppelkabinen und einem Quartier für die Crew diente der Familie des Besitzers viele Jahre lang als schwimmende Sommerresidenz und zugleich als mobiles Büro mit eigenem Briefpapier und Briefkopf. Das vielleicht originellste Feature ist die kleine Bordkanone, die der Eigner traditionell jedes Jahr am 1. August abfeuerte – zugleich der Geburtstag seines Sohnes und der Nationalfeiertag der Schweiz. Wie man erzählt, soll die korsische Küstenwache von der Knallerei einmal nicht so „amused“ gewesen sein und daraufhin die Geburtstagsfete mit einem unangekündigten Besuch beehrt haben.
Zwischen ihrem Liegeplatz im alten Hafen von Cannes und jedem der Jet-Set-Ziele, die sie kreuz und quer durch Europa ansteuerte, begrüßte die Zuricana viele einflussreiche Charaktere. An Bord der Yacht konnten jene, die ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen, einmal jeden Stress und alle Anspannungen abschütteln. Der wohl prominenteste Gast war wohl der unvergessene Sir Peter Ustinov. Ein signiertes Exemplar seiner 1977 erschienenen Autobiographie Dear Me! befindet sich noch immer in der Bordbibliothek. Eine besonders amüsante Episode ereignete sich an Deck, als einmal eine Gruppe amerikanischer Touristen an der im Hafen liegenden Zuricana vorbeischlenderte und die gelbe Fahne des Suisse Cruising Club irrtümlich für die Flagge der Sowjetunion hielt. Jederzeit für einen wohlmeinenden Scherz zu haben, begann Ustinov unüberhörbar und mit übertriebenem russischen Akzent eine lautstarke Konversation mit dem Yachtbesitzer – sehr zum Schrecken der irritierten Amerikaner.
Was an der Zuricana bis heute meisten beeindruckt: Sie befindet seit 1967 im Besitz derselben Familie und sieht noch genauso gut aus wie am Tag, als sie die Werft in Ligurien verließ. Doch wie die alte Weisheit sagt, haben alle guten Dinge einmal ein Ende. Und so sucht die Zuricana nun einen neuen Besitzer für die kommende Abenteuer und Sommerfahrten. Und das Beste: Wer möchte, kann auch gleich ihren aktuellen Ankerplatz in Antibes mitkaufen. Wer sich im Yachtgewerbe auskennt, weiß, welches Pfund er damit zusätzlich erwirbt.
Vielleicht stand eine klassische Holzyacht bisher noch nicht ganz oben auf Ihrer Wunschliste: Doch ganz sicher versprüht die exzentrische und mit Stars gespickte Geschichte der Zuricana in Kombination mit ihrem zurückhaltenden Glamour so viel nautische Romantik, dass Sie sich wünschen, diese Traumvorstellung würde wahr.
Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2019