Der Lamborghini ist ein Stier - doch wer ihn reiten will, muss die Froschpose einnehmen.
Der Lamborghini mag der Stier in der automobilen Herde sein, doch wer ihn reiten will, muss zwangsläufig die Froschpose einnehmen. Zumindest, wenn man einen Klassiker wie den Lamborghini Espada über Berg und Tal scheuchen möchte. Denn die Sitze, oder eher Clubsessel, sind tief und für stämmige italienische Nachkriegskörper geformt, das Dach ist flach, das Lenkrad groß – und so sitzt man, mit eingezogenem Hals und wie zum Sprung gestreckten Armen und Schenkeln hinterm Volant und dreht und kurbelt. Dennoch ist der Espada einfacher zu kontrollieren, als die Kombination aus Power-V12, Bestuhlung für vier Personen und Schnellboot-Abmessungen vermuten lässt. Lamborghini hat den GT aus der dritten Serie eigens für die Schloss Bensberg Classics restauriert und mit einem zusätzlichen Kühler versehen, und der Motor läuft so rund, wie höchstwahrscheinlich noch nie zuvor.
Souverän und agil bis stierisch-nervös
Man kann den Espada im ersten Gang fast bis Tempo 100 fahren – Gerald, der erste Pilot, und ich wechseln zwischen zweitem und drittem und versuchen, die Drehzahlnadel konstant zwischen 3.000 und 5.000 Touren zu halten, wo die Leistungsausbeute am besten und der Sound am wohlgefälligsten ist. Tatsächlich steuert sich der Siebzigerjahre-Schlitten so agil und angenehm, dass wir ohne Probleme bis Neapel weiterfahren würden. Aufpassen muss man trotzdem: Auf nasses Laub und feuchte Kurven reagiert der Espada stierisch-nervös – und lässt schnell das gewaltige Heck ausbrechen. Der leichte Nebel aus unverbranntem Benzin und Abgasen, der zur Aura des Viersitzers gehört, lässt jedoch alle Vorsicht schnell vergessen.
Auch wenn wir uns am Schluss nicht gegen die Renn-Elfer und Flügeltürer durchsetzten konnten, würde ich den Espada schon nach einem Tag hinter’m Steuer nicht mehr eintauschen wollen. Froschwerdung hin oder her.
Fotos: Jan Baedeker / Nanette Schärf