Erstmals wurde der ungewöhnliche Wagen der Öffentlichkeit im Januar 1970 vorgestellt. Nach langer Zeit mal wieder ein Aston Martin mit Lagonda-Abzeichen. In der Front trug der Viertürer den attraktiven Gril mit Doppelscheinwerfern des Aston Martin DBS. Die Idee zu einem vollwertigen Fünfsitzer, der Brown nebst Dame transportieren konnte, zwei Gäste und den Chauffeur hinter dem Steuer, hat die Firma seit jeher beschäftigt.
Tatsächlich blühte das Ansinnen schon früher auf – damals als das Designteam von William Towns die ersten Entwürfe zum DBS Coupé zu Papier brachte. Sir David Browns Wagen, Chassis MP 230/1 mit der Zulassung „JPP 5G“, wurde mit einem 5,0-Liter V8 mit Benzineinspritzung motorisiert. Der Wagen stand ursprünglich auf Speichenfelgen, die damals für die Sechszylinder-DBS-Modelle genutzt wurden, während die Achtzylinder-DBS auf GKN-Aluminiumfelgen setzten. Bald schon wurde das Prototyp-Aggregat gegen einen 5,3-Liter-V8 mit Vergasern getauscht. Auch die Räder wurden gewechselt: Alu gegen Chromspeichen.
Der Radstand wurde verlängert und die Dachlinie neu gezogen. Der Abgang zum Heck setzte nun deutlich weiter hinten an. Das gab den Gästen in der zweiten Reihe erkennbar mehr Kopffreiheit - über sechs Zentimeter. Und das mit einem Schiebedach, welches bei Öffnung unter den Innenhimmel glitt. Das Reserverad wurde flach unter dem Boden des Kofferraums gelagert, dessen Klappe nun tief zwischen den Heckleuchten abschloss. Genug Platz für Picknick-Equipment, Golfschläger oder Jagdutensilien.
Als Prototyp diente MP 230/1 zugleich als Blaupause für weitere sieben Produktions-Exemplare eines viersitzigen Lagondas. Kenner sprechen hier von den „magischen Sieben“. Hinzu kommt noch ein weiterer Lagonda auf einem überzähligen Chassis aus den 1990er Jahren. Die ersten Fahrzeuge werden einheitlich als Serie-I-Modelle bezeichnet. Sie tragen den typischen Aston-Martin-Grill und wurden in den Jahren 1974 und 1975 fertig gestellt. Und damit erstaunlicherweise zu einem Zeitpunkt, als das Unternehmen bereits an Company Developments verkauft war und somit nicht mehr zum Imperium von David Brown gehörte.
Als die Nummer Eins noch im Besitz von Brown gewesen ist, war sie mit ihrer violetten Lackierung und dem roten Interieur in Newport Pagnell ein vertrauter Anblick. Mit „DB“ im Heck und dem treuen Chauffeur George am Steuer pendelte der Aston zwischen Newport Pagnell, London und Huddersfield, wo der Hauptsitz von David Browns Unternehmensgruppe domizilierte.
Wenn man sich heute in den stattlichen Wagen setzt, dann ist man zunächst einfach nur beeindruckt. Und fühlt sich gleichzeitig zurückversetzt in eine Zeit, als sich die Vorstands-Mitglieder der britischen Automobilindustrie in ihren gebürsteten Dreireihern, weiten Krägen und breiten Krawatten immer noch von den Nachwehen des Krieges erholten. In einer Epoche, als die optimistischen 1960er Jahre in ein rigides neues Jahrzehnt mündeten.
Nun - wie man hier sieht, ist es recht komfortabel, „Sir David“ zu sein, während „George“ seine Aufgabe am Volant wahrnimmt. Das Auto ist auch ein wenig gereift. In einem aristokratischen tiefdunklen Blau mit ebensolchem Interieur gehalten, fühlt man sich sofort geborgen. Wie in einem frühen Nicht-Vantage-V8. Es geht über Landstraßen von Buckinghampshire und der Motor wärmt langsam auf. Die Vergaser füttern zu und die Dreigang-Automatik schaukelt sich auf den von Kurven begrenzten Vortrieb ein. Es geht voran mit einer Mischung aus Sportlichkeit und Luxus - angenehm aufeinander abgestimmt. Well done.
Vermeintlich interessierte Käufer mögen Aston-Martin-Experten Desmond Smail nach einer Totalrestauration fragen. Doch der Lagonda ist gut und läuft gut so, wie er ist. Natürlich wären ein 6,3-Liter Motor, ein schneller schaltendes Getriebe, eine optimierte Bremsanlage und Federung aus dem späteren V8 eine schöne Ergänzung. Sie sind aber absolut kein Muss.
Der Autor dieses Artikels meint vielmehr, dass dieser besondere Aston seine Patina und Authentizität unbedingt behalten sollte. Ein Unikat ist nicht reproduzierbar. Und man sollte tunlichst vermeiden, den ursprünglichen Charakter zu rauben. Zeitgeschichte lässt sich nicht reproduzieren. Man könnte noch über das römische Violett und das rote Interieur nachdenken. Aber das ist eine andere Sache. „Erstmal nach Hause bitte, George!“
Fotos: Simon Clay