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Eric Broadley - der Mann, der Enzo Ferrari das Fürchten lehrte

In diesem britischen Triumvirat, dass Motorsportgeschichte schreiben sollte, stand Eric Broadley immer etwas im Schatten von Colin Chapman und John Cooper. Aber seine Rennwagen mit dem schönen Namen Lola waren wegweisend und erfolgreich. Ohne sie, hätte es wohl den Ford GT40 nie gegeben.

Silicon Valley und seine Gründergeneration reklamieren zwar gerne für sich die Garage als Ort, an dem junge Wilde an der Umwälzung einer Industrie tüftelten. Doch auch im England der grauen Nachkriegsjahre der Fünfziger wehte der Geist der Pioniere durch Garagen. Der Startup von Colin Chapman, aus dem sich Lotus schälte ebenso wie jener des Vater und Sohn-Gespanns Cooper aus dem später der Mittelmotor geboren werden würde, entstanden zunächst in kleinen Hinterhofwerkstätten. Zu dieser begnadeten Gruppe von rennsportverrückten Hobby-Konstrukteuren, die mit begrenzten Mitteln erste Rennwagen schuf, gehört auch deren Zeitgenosse Eric Broadley. 

The spirit of innovation 

Sie alle zählten zum „750 Club” - benannt nach der Kubikzahl eines Vorkriegs-Austin - und traten jedes Wochenende in ihren Umbauten gegen einander an. Sein siegreicher „Broadley Special” von 1957 mit einem 1172cc-Fordmotor trug aber bereits die DNA der späteren legendären Lola Cars. Enzo Ferrari mochte damals noch nichts von diesem ernsten jungen Engländer gewusst haben. Das dürfte sich geändert haben, als Broadleys Mk6 die Gene für den Maranello-Schreck Ford GT40 lieferte.

Dass man auf Bildern stets einen korrekt gekleideten Eric Broadley sieht, auch dann, wenn er in der Boxengasse lässig auf einer Lola sitzend mit Piloten wie John Surtees oder Mario Andretti spricht, hat womöglich mehr mit seiner Herkunft als mit der formelleren Kleiderordnung der damaligen Zeit zu tun. Er entstammte einer Familie von Herrenausstattern im Londoner Stadtteil Bromley, wo er am 22. September 1928 geboren wurde - die Garage hinter dem erfolgreichen Geschäft war auch gleich der erste Firmensitz von Lola. Obgleich der Ruf des Benzins stärker war als jener der Nadelstreifen, wurde der junge Broadley als Brotberuf zunächst zum Vermesser ausgebildet. Angeregt von seinem Cousin Graham, war er schon früh vom Motorsport gefesselt und setzte sich selbst ans Steuer, ehe man ihm nahe legte, dass seine Autos ohne ihn noch schneller führen.  

What Lola wants, Lola gets

Es ist nicht wirklich verbürgt, ob der Song „What Lola Wants, Lola Gets” aus dem Musical „Damn Yankees” Eric Broadley zu seinem Markennamen anregte. Aber von der offiziellen Firmengründung 1959 in West Byfleet bis zum traurigen Ende der Lola-Rennwagen nach einem ruinösen erneuten Versuch, sich in den neunziger Jahren endlich als eigener Rennstall in der Formel 1 zu etablieren, schmückte dieser verheißungsvolle Frauenname die aerodynamisch ausgetüftelten, federleicht und organisch geschwungenen Karosserien, die wie die Lola Mk6 und das Monster T70 mit dem fast waagrecht verlaufenden Heck noch heute bei historischen Motorsporttreffen für erhöhten Pulsschlag sorgen.

Von Anfang an sah Broadley seine Kernkompetenz im Rennsport und strebte nie danach, in seiner Manufaktur auch Straßenwagen zu entwerfen. Wenn für ihn das alte Motto „race on Sunday, sell on Monday” galt, dann im Hinblick auf Kunden aus dem Sport. So war es, als sein wendiger Mk1 1958 mit dem kleinen Motor von Coventry Climax, der mühelos die Rivalen von Lotus und Cooper überholte, einen Rundenrekord in Brands Hatch aufstellte und für Geld in der knappen Kasse des Konstrukteurs sorgte. Und so war es auch später 1963 in Le Mans. Broadley, der seine Schöpfungen durchnummerierte, war mit dem visionären Mk6 - der als GT Berühmtheit erlangte - am Start. Mit der fast flachen Dachlinie, in das Dach eingezogenen Türen für raschen Ein- und Ausstieg der Fahrer, innovativen Glaserfaserkomponenten, ungewöhnlich schlanker Radaufhängung und dem brachialen 4,2-Liter-V8 von Ford wollte sich Broadley nach Erfolgen in Formelrennserien und Sportwagenrennen auch im prestigeträchtigen Langstreckensport etablieren. 

Cue the skills-scramble

Fast hätte die Lola nicht antreten können, aber Broadley fuhr sie selbst keine Minute zu früh vor dem Start an die Sarthe. Der GT musste zwar, weil die Abstimmung noch nicht ausgereift war, nach 15 Stunden wegen eines Getriebeschadens aufgeben, aber was dann geschah, gehört zum Stoff aus dem Legenden gewoben werden. Henry Ford II wollte schon seit etlichen Jahren wieder in den Motorsport einsteigen. Ein so kühner wie irrwitziger Versuch, die Scuderia Ferrari zu kaufen, war letztlich am Widerwillen des großen Enzo gescheitert. Trotzdem sahen sich die Herren aus Detroit weiter auf dem Kontinent um - und entdeckten in Le Mans Broadley und die Monoposto-Lola. Dabei war Broadley weder Mechaniker noch Ingenieur, aber vom Gesamtkunstwerk Motor und Getriebe, Fahrwerk und der windschlüpfig optimalen Verhüllung der Technik verstand er so viel wie wenig andere.

Als Eric Broadley als Berater an Bord kam, war das Projekt GT40 bereits in der Entstehungsphase. Der Mk6 lieferte das Vorbild, zumal in ihm schon der hauseigene Motor eingepasst worden war. Zudem wurde im englischen Slough ein eigenes Entwicklungsteam eingesetzt für das Geld keine Rolle spielte. Von 1966 an gewann dieses Vexierbild des GT - nunmehr mit sieben Litern Hubraum - vier Mal nach einander gegen den Erzrivalen Ferrari die 24 Stunden von Le Mans. Beim ersten Sieg saß Bruce McLaren am Steuer, der später die britische Tradition von Broadley, Chapman und Co. weiterführen sollte. 

Deafening silence

Doch da war der wortkarge Eric Broadley schon längst vom Kompetenzgerangel genervt aus seinem Ford-Abenteuer ausgestiegen. Aus seinen 18 Monaten im Konzern nahm der bekennende Einzelgänger aber nicht nur Erfahrungen mit, sondern genügend Mittel, um in den folgenden Jahrzehnten mit Modellen wie dem T70 oder dem T90 mehrfach bei Can-Am-Rennen zu dominieren und auch drei Mal die Indy 500 wie auch die 24 Stunden von Daytona zu gewinnen, unter anderem als Zulieferer von Team Penske mit dem allradgetriebenen T150, der wie die reduzierte Essenz des Mk6 wirkte.  Bis in die achtziger Jahre zählte Lola zu den führenden Rennwagenherstellern.  Eine Lola wurde in der Folge nicht nur von Ford- und Chevroletmotoren, sondern auch von Aston Martin-, Honda- und BMW-Triebwerken befeuert. Am Steuer saßen Größen wie Hill und Surtees, Roy Salvadori und Al Unser, Jo Siffert, Dieter Quester und Jacky Ickx.

Die Formel 1 war Broadleys Traum und letztlich sein Scheitern. Schon 1962 debütierte er erfolgreich mit dem Mk4 und den Fahrern Surtees und Salvadori in der höchsten Klasse. Ende der achtziger Jahre belieferte Lola dann zwei wenig erfolgreiche Teams. Als eigener Rennstall sollte es endlich mit einem potenten Sponsor 1997 klappen. Doch es war nicht genug Geld da - Lola Cars musste Konkurs anmelden und Broadley sein Lebenswerk verkaufen. Der besessene Mann, dessen Mk6 Enzo Ferrari sicherlich nicht entgangen war, starb vor wenigen Monaten. Aber die Mk-Reihe, die T40, T60, T120 und wie sie alle hießen, die heute auf Auktionen oder bei historischen Rennen auftauchen, zeugen von den britischen Renngenen, die in Garagen geboren wurden. Und, dass Lola - fast immer - bekommen hatte, was sie wollte.

Fotos: Alvis Upitis, Tony Triolo, GP Library via Getty Images / Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017 

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