Der Concorso d’Eleganza Villa d’Este ist eine der wichtigsten Veranstaltungen der Klassikerwelt – hier tanzt die internationale Szene noch immer um die Wunderwerke der traditionellen Karosseriekunst, hier kennt die Begeisterung für mythische Namen wie Bugatti, Delage und Cisitalia keine Grenzen. Doch wie sieht der Automobilconcours der Zukunft aus? Sind auch die modernen Sammlerautos der Jahrtausendwende dazu geschickt, in eleganter Kulisse von fachkundigen Menschen bewundert zu werden? Und mit welchen Modellen kann man Millennials erreichen, die sich vergleichsweise wenig für Automobile begeistern?
Eine Antwort auf diese Frage sucht in diesem Jahr der Mailänder Modeunternehmer Guglielmo Miani: Nur wenige Riva-Minuten vom Concorso-Trubel im Garten der Villa Erba entfernt, hatte er am Sonntag zur ersten Ausgabe seines Fuoriconcorso in die Villa Grumello geladen. Im Fokus des monothematischen Schönheitswettbewerbs standen die großen Bentley Continental R und T, mit denen die britische Marke in den 1990er Jahren ein fantastisches Comeback gefeiert hatte.
Wie fern dieses Jahrzehnt bereits ist, dämmerte vielen Besuchern angesichts der gewaltigen Coupés mit ihren fast comichaften Proportionen, ihrem überbordenden Luxus und ihren maßgeschneiderten Sonderausstattungen, die nur noch wenig mit den heutigen Prêt-à-Porter-Modellen aus Crewe gemeinsam haben. Das ein Showcar wie der Ferrari-fressende Bentley Continental R für den italienischen Ausnahme-Unternehmer Carlo Talamo wirklich im Werk gebaut wurde, ist auch Zeugnis britischer Exzentrik, die der Marke mit dem Übergang ins Wolfsburg-Zeitalter etwas verloren gegangen ist.
Auch der für den Sultan von Brunei auf 527 PS hochgedrehte Continental R „Sufacon“ oder der im Auftrag eines britischen Parlamentariers mit Cordstoffen ausgeschlagene Continental S sind eindrucksvolle Beweise dafür, dass die Bentley-Kunden der Neunzigerjahre durchaus die so extravagante wie rasante Tradition der „Bentley Boys“ von einst fortsetzen wollten – und zwar ohne Rücksicht auf Kosten und Konventionen. Ein kanariengelber Bentley Continental T, gebaut für den Schaulauf auf dem Place de Casino in Monaco? Zwei geheimfächer anstatt der serienmäßigen Rücksitze? Im Gegensatz zum Roulette von Monte Carlo war in Crewe für einige Jahre wirklich noch alles möglich!
Da scheint es kaum zu glauben, dass die gewaltigen, einst unbezahlbaren Reisewagen aus Bentleys Independence Days bis vor Kurzem auf dem Sammlermarkt zu Preisen eines neuen Kleinwagens zu haben waren. Mittlerweile haben die Kurse deutlich angezogen, doch noch immer finden sich im Mart phantastisch ausgestattete Exemplare zu durchaus realistischen Preisen. Es gehörte zur Anziehungskraft des Fuoriconcorso, dass diese Autos gerade erst wieder entdeckt und nicht – wie nebenan beim Concorso d’Eleganza – seit Jahrzehnten zu Höchstpreisen gehandelt werden. Ein Kompliment muss man Guglielmo Miani und seinem Team auch für die erstklassige Inszenierung machen: Ähnlich wie beim kalifornischen Porschetreffen Luftgekühlt war jedes Auto auf dem Gelände der Villa del Grumello so inszeniert worden, dass es ein wunderbares Fotomotiv abgab. Dank der eingeladenen Fotografen und Influencer war der Bentley-Showdown somit am Sonntagnachmittag auf allen Kanälen omnipräsent.
Gefeiert wurde beim Fuoriconcorso auch die Veröffentlichung des von Guglielmo Miani herausgegebenen und im Mailänder Verlag Giorgio Nada Editore erschienenen Bildbandes „Bentley - A Century of Elegance and Speed“. Auf 300 Seiten erzählt Autor Marko Macaus die 100-jährige Markengeschichte, die Fotos der Bentley Continental Coupés, die großteils auch in die Villa Grumello zu sehen waren, stammen von Ted Gushue. Das Vorwort von Classic-Driver-Chefredakteur Jan Baedeker war bei uns vor einigen Wochen bereits vorab zu lesen – wir empfehlen Ihnen aber dennoch, sich im Classic Driver Markt in Exemplar des Buches zu sichern, bevor es ausverkauft ist.
Und auch mit einem bemerkenswerten Ehrengast konnte der Fuoriconcorso punkten: Der britische Autodesigner John Heffernan hatte einst im Rahmen des "Project 90" den Bentley Continental R entworfen – und mit dem Aston Martin Virage eine weitere unterbewertete Ikone der 1990er Jahre geschaffen, der man durchaus einen Concours widmen könnte. Wir sind schon jetzt gespannt, welche Autos im kommenden Jahr beim Fuoriconcorso im Fokus stehen.
Fotos: Andrea Klainguti für Classic Driver © 2019