„Wenn wir uns heute versammeln, ist es kaum zu glauben, dass nun schon 20 Jahre seit dem ersten Goodwood Revival im Jahr 1998 vergangen sind“, schien der Duke of Richmond selbst erstaunt zu sein über die so schnell verflossene Zeit. In der Tat ist es jetzt zwei Jahrzehnte her, dass er seine Pläne für eine Wiederbelebung des Goodwood Motor Circuit für zumindest ein Wochenende im Jahr verwirklichen konnte. Und damit einen Zeitsprung in die goldene Epoche des britischen Motorsports verwirklichte.
Wie er vor einem Starterfeld voller ehemaliger Revival Sieger betonte, hatte das Event, wie wir es kennen und lieben, nicht die einfachste Geburt. „Eine lokale Oppositionsgruppe bereitete uns viel Kopfzerbrechen, doch dann gründeten viele zusätzliche Befürworter die Goodwood Support Association. Danach fühlten wir uns, als würde zu unserer Unterstützung eine Kavallerie am Horizont auftauchen“, so Lord March. Am Ende setzten sich Passion und Begeisterung durch, und heute ist das Revival ohne Zweifel das größte und beste historische Motorsportevent der Welt.
Doch zurück in die Gegenwart und zur Trumpfkarte des Revivals: der Eskapismus. Und damit die Fähigkeit, Dich aus der Realität herauszureißen und in eine kaleidoskopische Welt voller Farben und Geräusche zu entführen. Die so vor Geschwindigkeit und Nostalgie vibriert, dass es manchmal schon überwältigend wirkt. Wären nicht die hinterm Ohr geklemmten Smartphones oder die um den Hals baumelnden Digitalkameras – man könnte glatt vergessen, dass man nicht im Jahr 1958, sondern 2018 lebt.
Das Event lässt sich am besten als ein einziges und gigantisches Filmset beschreiben. Wo man auch hinschaut, findet sich ein anderes authentisches Szenenbild, ein charmanter Charakter oder ein kunstvolles Detail. Ein paar hoffnungslos ungeschickte Handwerker wuschen imaginäre Fenster. Die rot und knapp bekleideten Glam Cab Girls schickten kecke Komplimente in Richtung aller männlicher Wesen in ihrem Blickfeld, ein junges und scheinbar direkt der Youthquaker-Bewegung der 60er-Jahre entsprungenes Model räkelte sich für Fotoaufnahmen in einem zeitgenössischen Rolls-Royce und ein Gentleman mit Anzug und Melone saß zeitungslesend auf einer Bank, hinter ihm eine dampfende Lokomotive.
Das nostalgische Rückgrat des Revivals ist aber noch immer der Motorsport. Und passend zum 20-Jährigen Jubiläum sah Goodwood einige der spannendsten Rennen in der Geschichte des Events. Zum Beispiel in der Kinrara Tropohy am Freitagabend, bei dem sich der von Niklas Halusa und Emanuele Pirro gesteuerte „Breadvan“-Ferrari 250 GT und der Jaguar E-Type von Jon Minshaw und Phil Keen ein einstündiges Duell auf Biegen und Brechen lieferten. Am Ende behielten die Ferrari-Fahrer die Oberhand, wenngleich auch nur mit fünf Sekunden Vorsprung.
Weil in der Kinrara Trophy mit ihren zahlreichen Ferrari 250 nichts für sie zu holen war, machten die AC Cobra und Jaguar E-Type in der RAC TT Celebration den Sieg unter sich aus. Trotz einer Zeitstrafe für das Touchieren der Schikane griff die holländische Vater/Sohn-Paarung David und Olivier Hart in ihrer Cobra nach den Zigarren für den Sieger - nachdem Andrew Smith und Oliver Bryant, die in einer weiteren Cobra wie die Favoriten aussahen, wegen technischer Probleme aufgeben mussten.
Wie zu erwarten gab es in der mit Stars gespickten St. Mary’s Trophy wieder Action im Überfluss. Kein Wunder, wenn sich ein Ford Cortina mit einem Oldsmobile oder ein Mini mit einem Plymouth Barracuda oder Ford Galaxie duelliert. Und am Ende ein Alfa Romeo Giulia GTA lachender Dritter ist. Wer von den Zuschauern bis zum Abschlussrennen am Sonntag aushielt, wurde dann noch bei der Sussex Trophy mit einem göttlichen Duell belohnt. Pole-Mann Phil Keen war in seinem Lister-Jaguar wegen eines klemmenden Gaspedals nicht vom Fleck gekommen und musste aus der Boxengasse dem Feld hinterhereilen.
Womit eine der eindrucksvollsten Aufholjagden begann, die wir je beim Revival erlebt haben und die die Kommentatoren dazu veranlasste, den Knobbly spontan zum „Gobbly“ zu adeln. Am Ende überholte Keen den bis dahin Führenden in der vorletzten Runde und holte sich den Sieg, der ihm in allen anderen Rennen des Wochenendes verwehrt worden war.
Einem der erfolgreichsten privaten Rennstallbesitzer, Rob Walker (1917-2002), wurde beim Revival 2018 in Form einer Parade von 20 seiner im schottischen Blau lackierten Rennwagen gedacht. Darunter war auch sein privater Facel Vega, den er mit einem bewusst langsam anzeigenden Tachometer ausrüsten ließ, um so seine Frau nicht zu verschrecken. Wir trafen uns mit seinem Sohn Robbie, der sehr beeindruckt von der Feier war.
„Es ist schwer, meine Emotionen zu beschreiben“, sagte er uns. „Es sind so unterschiedliche Fahrzeuge. Eines weiß ich aber ganz gewiss: Mein Vater wäre so stolz, hier dabei gewesen zu sein und hätte jede Minute geliebt.“ Und welches sind seine Lieblingsautos? „Der Delahaye 135S, mit dem er 1939 selbst in Le Mans fuhr, ist der einzige, der noch im Familienbesitz ist. Ansonsten ist der Lotus 18 mein Favorit, denn ich war dabei, wie Stirling Moss 1961 damit den GP von Deutschland am Nürburgring gewann.“
Einige der Walker Modelle wurden in einer farbenfrohen, von Peter Russell aufgebauten Nachbildung der Silverstone Boxengasse der 50er-Jahren ausgestellt. „Mein Vater war professioneller Modellbauer und fertigte 1952 ein Modell der Silverstone Boxen für den Talentwettbewerb School Boys’ Own Exhibition an“, verriet uns Russell. „Sie bauten die Anlage im Maßstab 1:12, ich habe sie nun in Original-Größe nachgeahmt. Bei den Farben bezog ich mich auf ihr Modell, denn die Fotos von damals sind alle schwarz/weiß.“
Zum 20. Jubiläum hatten sich zahlreiche frühere Sieger, Teamchefs und deren Autos eingefunden. Allen voran der berühmte ERA „Remus“, in dem Ludovic Lindsay 1998 das allererste Revival Rennen – den Woodcote Cup – gewinnen konnte. In einem besonders emotionalen Moment wurde Lindsay für eine Demo-Fahrt noch einmal mit seinem Siegerauto vereint. In seiner Rede erinnerte der Duke of Richmond auch an große Fahrer, die nicht mehr unter uns weilen und so viel zum Erfolg des Revivals beigetragen haben. Darunter John Surtees, Dan Gurney, Barry Sheene und der am Samstag des Revival Wochenendes plötzlich gestorbene Barrie „Whizzo“ Williams.
Unser Fotograf Mathieu Bonnevie – ein Goodwood Neuling (oh, wie wir ihn beneiden) – fasste die Magie des Revivals eindrucksvoll zusammen. Wir hatten ihm zuvor angekündigt, dass dies das beste Automobil-Event weltweit sei. Darauf seine Antwort. „Es ist nicht von dieser Welt!“ Ins Schwarze getroffen, Mathieu – sehen wir uns im nächsten Jahr?
Fotos: Mathieu Bonnevie und Robert Cooper für Classic Driver © 2018