Der große Gewinner
Er war der strahlende Sieger des Wochenendes: Nicht nur das Publikum belohnte den Alfa Romeo 6C 1750 GS 6th Series Coupé von 1933 mit dem Coppa d’Oro Villa d’Este und der Trofeo BMW Group Italia. Auch die elfköpfige Jury kürte den Sechszylinder-Alfa zum schönsten Klassiker des Wettbewerbs. Dabei kann der Alfa aus dem Besitz von David Cohen aus Kalifornien weit mehr, als nur gut aussehen – 1935 sicherete er sich bei den 24 Stunden von Le Mans zudem einen Klassensieg. Die einzigartige Coupé-Karosserie wurde beim italienischen Karosseriebaumeister Figoni gefertigt, der damals auch für Bugatti, Duesenberg und Delage tätig war. Wir gratulieren!
Interpretationen von Eleganz
Die ältesten Klassiker beim Concours d’Elegance sind gerade einmal 90 Jahre alt – doch sie erscheinen wie aus einer anderen Welt. Kaum zu glauben, dass die gewaltigen Straßenyachten von Rolls-Royce oder Voisin mit ihren endlosen Hauben, silberblitzenden Kühlern und Art-Déco-Ausstattungen tatsächlich einmal über europäische Boulevards gerollt sind – und nicht durch die Comic-Straßen von Gotham City. Kaum zu glauben auch, dass ein Rolls-Royce Phantom I von 1925 tatsächlich fast geräuschlos über den Laufsteg schwebt – oder der Mercedes-Benz 540 K noch 1939 als Sonderanfertigung an den Industriellensohn Alfried Krupp von Bohlen und Halbach ausgeliefert wurde.
Die Kunst der Stromlinie
Aus dem Schiffs- und Flugzeugbau kommend, hielt in den 1920er Jahren ein neuer Trend im Automobildesign Einzug: die Stromlinie. Ziel war es, den Luftwiderstand durch eine möglichst glatte Formgebung auf ein Minimum zu reduzieren. Hatten die Kühler der Automobile wenige Jahre zuvor noch wie Felswände in den Fahrtwind geragt, glichen die neuen Entwürfe Torpedos auf Rädern. Im Wettbewerb fanden sich neben einem Tatra 87 im Kugelfisch-Look und einem Volkhart V2 Sagitta, an dem der deutsche Ingenieur Kurt C. Volkhart während des Zweiten Weltkrieges seine Aerodynamik-Forschung betrieb, auch zivilere „Streamliner“ wie etwa ein Maserati A6 1500 von 1947, vor dessen Proportionen man auch heute noch den Hut ziehen muss.
Die Helden von Le Mans
Die 24 Stunden von Le Mans sind eine Legende – und ebenso die Rennwagen und Fahrer, die seit 1923 auf dem Circuit de la Sarthe triumphierten. Ferrari, Porsche, Aston Martin und Jaguar verdanken ihren Erfolgen in Le Mans einen Großteil ihrer Strahlkraft. Umso beeindruckender war es, die größten Ikonen dieses Langstreckenrennens beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este vereint zu sehen: Jaguar D-Type, Aston Martin DBR1, Porsche 917, Ford GT40, Ferrari 250 GTO und 250 LM – hochkarätiger hätte man einen Tribut an die Helden von einst nicht besetzen können. Beim Defilee auf der eleganten Hotelterrasse wirkten die brüllenden Langstrecken-Maschinen derart furchteinflößend, als wären sie gerade der automobilen Unterwelt entstiegen. Wir hoffen, einige der Rennwagen im Juli bei der Le Mans Classic in Aktion zu erleben.
La Dolce Vita
Glamouröse Frauen, elegante Hotels, laue Sommernächte, Champagner mit Blick auf’s Meer: Ist es nicht erstaunlich, wie wir die italienischen Sportwagen der 1960er und 1970er Jahre heute als Botschafter eines aussterbenden Lebensstils begreifen? Beim Concorso findet man alljährlich die schönsten und seltensten Vertreter dieser Spezies. Peter Kalikow aus den USA war mit einem atemberaubenden Ferrari 400 Superamerica angereist, der italienische Concorso-Stammgast Corrado Lopresto zeigte ein Lancia Flaminia Coupé als Unikat, Gerard van Bergen aus den Niederlanden beeindruckte mit dem Prototyp des Ferrari Daytona. Die aufregendste Kombo waren jedoch ein Lamborghini Miura SV/J von 1972, der einst durch die korsische Macchia gerast war, und einer von nur 157 gebauten Lamborghini Countach LP400 – ein brutalistisches Meisterstück!
Kleine Juwelen
Es kommt nicht auf die Größe an – diese Erkenntnis sollte mancher Hersteller angesichts des neuesten SUV-Booms gerne wieder beherzigen. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden gerade in Italien leichte und vor allem kompakte Sportwagen gebaut, die uns heute fast wie Miniaturen vorkommen. Am Steuer eines Moretti 750 Grand Sport von 1954, eines Abarth-Fiat 500 von 1957 oder auch eines Porsche 550/1500 RS durch die Serpentinen der italienischen Alpen zu preschen, ist ein unbeschreibliches Erlebnis – und sollte dem einen oder anderen Designer dringend als Schulungsmaßnahme ins Pflichtenheft geschrieben werden.
Aus der Ära des Rock’n’Roll
Während im Amerika der 1950er Jahre die Halbstarken das Steuer übernahmen, wurde der Rock’n’Roll in Europa vor allem ingenieurstechnisch ausgelebt: Vom Porsche 356 Pre A über den Mercedes 300 SL bis hin zum BMW 507 entstanden kurvenreiche Rockstars mit betörendem Hüftschwung und heiserem Bass. Heute sind die röhrenden Antihelden von einst der Inbegriff von klassischer Eleganz – der Flügeltürer von Lionel Scotto le Massese aus Frankreich, der sich zum Schaulauf im passenden Outfit hinter’s Steuer geklemmt hatte, wurde durch die Jury gar mit der Trofeo Vranken Pommery für die beste Automobilikone bedacht.
Die Ferrari-250-Dynastie
Er ist der teuerste und begehrteste Sportwagen aus Maranello, zwischen 1953 und 1966 wurden keine 2.500 Exemplare gebaut. Ob Rennwagen wie Testa Rossa, Monza und GTO oder Serienmodelle wie der GT – in allen schlug als Herzstück der von Gioacchino Colombo entwickelte Hochleistungs-V12. Dabei gleicht kaum ein Ferrari 250 dem anderen – die Karosserievarianten von Italiens namhaftesten Designstudios würden ein eigenes Kunstgeschichtsstudium rechtfertigen. In diesem Jahr hat das Concorso-Komitee dem 250 eine große Retrospektive gewidmet. Als Klassensieger wurde der atemberaubende Ferrari 250 GT Berlinetta Zagato von 1956 ausgezeichnet, die Ehrung für das schönste Interieur ging an einen ausgefallenen Ferrari 250 Europa mit Vignale-Karosserie.
Gentleman’s Sports Cars
Ein Gentleman ist jemand, der seinen Erfolg nicht nach außen kehren muss, um sich seiner Position zu versichern. Gleiches gilt auch für des Gentlemans Sportwagen: Nicht der laute Auftritt ist hier gefragt, sondern die distinguierte Fortbewegung durch eine ehrenhafte Lebenswelt. Gut, man kann es auch übertreiben mit der Zurückhaltung – weswegen wir uns aus dem Concorso-Aufgebot das leuchtend rot lackierte Bentley S1 Continental Fastback Coupé von Sir Anthony Bamford als Favoriten ausgesucht haben: Für eine sommerliche Spritztour vom Comer See an die Cote d’Azur gäbe es wohl kaum ein adäquateres Automobil.
Concept Cars
Dass der Concorso d’Eleganza Villa d’Este auch immer mehr Relevanz für die moderne Sportwagenwelt gewinnt, liegt sicherlich an der eigenen Klasse für Concept Cars und Prototypen. Erst durch die Kombination der Klassiker von Gestern mit den Entwürfen aus einer möglichen automobilen Zukunft schließt sich der Kreis. In diesem Jahr feierte neben dem BMW Zagato Coupé ein zweites Showcar seine Weltpremiere am Comer See: Der Aston Martin Project AM310 gibt einen Ausblick auf den neuen DBS, der im August beim Pebble Beach Concours d’Elegance enthüllt werden soll. Das Publikum begeisterte sich derweil für das Alfa Romeo 4C Concept – der kleine Italo-Sportler wurde mit dem Concorso d’Eleganza Design Award geehrt.
Weitere Informationen zum Aston Martin Project AM310 finden Sie hier.
BMW Zagato Coupé
Double-Bubble-Dach, Kamm-Heck – wer sich für Automobildesign begeistert, erkennt einen Zagato auf den ersten Blick. Doch anders als Pininfarina und Bertone hat das Designstudio aus Mailand in der Vergangenheit vor allem Unikate und Sammlerstücke für andere Hersteller entworfen. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich der Aston Martin DB4GT Zagato, der heute zu Millionenpreisen gehandelt wird. Erstmals hat nun auch BMW mit der italienischen Carrozzeria kooperiert. Auf Basis des BMW Z4 und in enger Zusammenarbeit mit den Münchener Gestaltern Adrian van Hooydonk und Karim Habib hat Zagato-Designchef Norihiko Harada einen eindrucksvollen Prototypen entworfen: Lackiert im Farbton „Rosso Vivace“ und ausgestattet mit einem Doppelnieren-Grill im Z-Muster, debütierte das BMW Zagato Coupé am Vorabend des Concorso im Park der Villa d’Este. Zum Artikel >>
Fotos: Nanette Schärf / Jan Baedeker