Direkt zum Inhalt

Magazin

Bug vs Zag – die seltsamen Helden der Generation Super Mario

Die Posterautos der 1970er und 1980er Jahre erzielen immer höhere Preise – doch was kommt als nächstes? Wir haben zwei giftgelbe italienische Ikonen der 1990er Jahre zusammen gebracht, die schon die „Generation Super Mario“ polarisiert haben.

Design, das polarisiert

Natürlich ist Geschmack relativ. Und doch kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Bugatti EB110 und der Alfa Romeo Roadster Zagato – kurz RZ – in den 1990er Jahren unter Designern und Automobilexperten für teils hitzige Diskussionen sorgten. Während sich die Gestalter Ende der 1980er Jahre langsam von den Kanten und Kästen ihrer Zeit verabschiedeten und zu organischeren Formen zurückkehrten, hatte Zagato an seinem Lineal festgehalten und zunächst ein kastig-untersetzes Alfa SZ Coupé, kurz darauf sogar eine noch gedrungener und klotziger wirkende Cabriolet-Variante entworfen. Zur gleichen Zeit arbeiteten die Design-Großmeister Gandini, Giugairo, Bertone und Tjaarda an ihren Visionen eines modernen Bugatti, bevor der Cousin des Firmenretters Romano Artioli dem EB110 den letzten Schliff gab. So kam es, dass auch der neue Bugatti eine italienisch-experimentelle Handschrift trug – tatsächlich wurde der Mittelmotorsportwagen in Modena und nicht in Molsheim gefertigt. Ein gewisser französischer Flair umwehte den Keil mit den seltsamen nah zusammen stehenden Scheinwerferaugen dennoch.

Charakter statt Schönheit

Auch wenn man beide Autos nicht als klassische Schönheiten bezeichnen konnten, so hatten sie doch Charakter. Vor allem im damals so populären Gelb waren die eigenwilligen Italiener echte Hingucker. Während der Bugatti EB110 Super Sports – so der volle Name der schnellsten Version – nur dreimal in dieser Farbe ausgeliefert wurde (am berühmtesten ist sicherlich das Exemplar von Michael Schumacher), war Gelb für den Alfa RZ eine von nur drei verfügbaren Lackierungsvarianten und deshalb recht populär. Dabei dürfte die Signalfarbe nicht nur Autofans in ihren Bann gezogen haben – während unseres Fotoshootings folgte uns ein ganzer Schwarm von Wespen, der in den beiden Neo-Klassikern wohl eine neue Führungsspitze erkannte. 

Auf der Flucht

Um unsere zudringlichen Verfolger abzuhängen half schließlich nur eines: Die Motoren starten und das ungleiche Duo auf Touren bringen. Wer angesichts der optischen Extravaganz ein ähnlich opulentes Motorenkonzert erwartet, wird allersings enttäuscht: Der Drei-Liter-V6 des Alfa erwacht eher mit leisen Tönen zum Leben und – wahrscheinlich noch überraschender – auch der V12 des Bugatti mit seinen 3,5 Litern Hubraum und vier Turboladern klingt überraschend zivil. Nur wenn man das Gaspedal mit Nachdruck nach unten Schiebt und die Drehzahlnadel die 5.000 Touren hinter sich lässt, zeigt der Bugatt sein zweites Gesicht als eine Art gelber Hulk, der einen mit 610 PS in die Schalensitze presst und bei jedem Gangwechsel das Trommelfell an seine Grenzen bringt. Echtes italienisches Drama, ganz ohne Zweifel. Lässt man sich wieder in niedrigere Drehzahlregionen fallen, beträgt sich der Bugatti jedoch wieder so zivilisiert, wie man es sich von einem Automobil seiner Abstammung wünscht. Zum Komfort trägt auch die luxuriös ausgestattete (allerdings in schreiendem Rot gehaltene) Kabine sowie ein Allradantrieb bei.

Das Monster wird enthauptet

Der sanfte Sechszylinder des Alfa ist derweil ein Labsal für die vom schrägen Styling geschundene Fahrerseele –fast meint man beim Beschleunigen, im Fahrtwind den Klang einer Pavarotti-Arie zu vernehmen. Mit dem Getriebe im Heck ist auch das Handling überraschend agil – auch wenn „Il Mostro“ durch die Enthauptung wertvolle Stabilität eingebüsst hat. Und natürlich muss man auch bei einigen anderen Details der Neunzigerjahre-Kleinserien ein paar Augen zudrücken: Die Spaltmaße des Zagato sind kaum schlüssiger als die Gesamterscheinung, während die Klimaanlage den Kampf mit dem V12-Heizkraftwerk im Heck gar nicht erst aufzunehmen scheint. Doch alles in allem kann man sowohl mit dem Alfa, als auch dem Bugatti so problemlos am Verkehr teilnehmen, wie mit ihren heutigen Artgenossen – sofern es diese denn überhaupt gibt.

Analoge Exzellenz

Automobilhistorisch stehen unsere gelben Getüme für eine Epoche des Umbruchs, als Höchstleistungen von rein analog erzielt wurden, die digitale Revolution jedoch immer weiter Einzug hielt. Das macht sie auch für Sammler interessant. Und wie wir in jüngster Zeit bereits an den Poster-Autos der 1980er Jahre wie Ferrari Testarossa und Porsche 930 Turbo gesehen haben, interessiert sich jede Käufergeneration stets für die Traumautos ihrer Kindheid. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass die Glücksritter unter den Twenty- und Thirtysomethings, die ihre Kindheit und Jugend in den 1990er Jahren verbracht haben, ihre Startup-Millionen in genau diese schrägen Designikonen investieren werden. Die kleinen Produktionszahlen machen den Alfa RZ und den Bugatti EB110 SS zusätzlich begehrt – beide sind die seltensten Exemplare ihrer Modellreihen. Wir würden uns deshalb auch nicht wundern, unsere „Wespenflüsterer“ bald von Juroren umschwärmt auf dem Concours-Rasen wiederzusehen. 

Ihrer Zeit voraus

„Beide Autos, der Bugatti EB110 SS und der Alfa RZ, waren ihrer Zeit weit voraus“, sagt auch Auktionator Max Girardo, der die beiden Neunzigerjahre-Klassiker am 7. September 2015 für RM Sotheby’s in London versteigern wird, und fügt mit Blick auf den Bugatti hinzu: „Ich bezweifle sogar stark, das jemals wieder ein Auto mit V12, Allradantrieb und vier Turboladern gebaut wird. Sogar der Motor des Bugatti war von der Pike auf selbst konstruiert. Auch der Alfa RZ ist etwas ganz Besonderes, schließlich nahmen Alfa Romeo und Zagato mit ihm ihre traditionsreiche Zusammenarbeit wieder auf. Zu einer Zeit, als sich die Designer allerorts beruhigten, waren der Bugatti EB110 und der Alfa Romeo Zagato die letzten beiden wirklich schrägen Entwürfe. Heute ist schräges Design wieder äußerst beliebt – egal, wen Sie fragen: die Neunzigerjahre kommen zurück! Und mehr „Nineties“, als bei diesen beiden Autos, das geht wirklich nicht.“

Fotos: Tom Shaxson for Classic Driver ©2015

Beide Autos im Classic Driver Markt