Würde man mit der nunmehr fünften Generation eine Acht fahren, keine Frage, sie würde perfekt aussehen. Ob bei all der modernen Technik noch ein Quäntchen M-Nostalgie bleibt, hat Classic Driver getestet.
Haben Sie schon einmal versucht, den M5 in Anwesenheit eines BMW-Fans kritisch zu beurteilen? Keine Chance! „Die beste Sportlimousine der Welt“ hat schon immer die Herzen höher schlagen lassen, etwa so wie der lokale Fußballverein oder die Lieblingsband. Der grenzenlose Enthusiasmus begann 1985 mit der ersten M5-Generation auf Basis der Baureihe E28, in den die Motorsport GmbH den Sechszylinder-Rennmotor aus dem BMW M1 implantierte. Wer die Haube der unscheinbaren 5er-Karosse öffnete, erlebte beim Anblick des M-Power-Sechszylinders ein Hochgefühl, als würde man hinter einem alten Scheunentor auf eine handverlesene Klassiker-Sammlung treffen.
Der Überraschungseffekt gelingt bei der heutigen, fünften Generation, Baureihencode F10, nur noch selten, sind Sportlimousinen im Businesslook mittlerweile allgegenwärtig: Mercedes hat den E 63 AMG, Audi den RS 6, Jaguar den XFR – um nur einige zu nennen. Obgleich sich im neuen M5 hinter viel Kunststoff der leistungsstärkste M-Motor aller Zeiten verbirgt. Der 4,4 Liter V8-Twinscroll-Turbomotor mit Direkteinspritzung leistet 560 PS zwischen 6.000 und 7.000 Touren, also fast doppelt so viel, wie die erste Generation der Sportlimousine.
Auch das Design wirkt nach vier Generationen M5 mindestens doppelt so dynamisch. Als Wolf im Schafspelz mag man den fünften M5 im ersten Moment nicht bezeichnen. Bis man sich den aktuellen BMW 5er noch einmal vor Augen ruft, der mit seiner athletischen Statur bereits eine sportliche Vorlage bietet. Dann sind es doch nur die obligatorischen M-Komponenten, die diesen 5er von der herkömmlichen Limousine unterscheiden. Dazu zählen natürlich die M-spezifischen Stoßstangen – am Heck mit Diffusor und Aussparungen für die Vierrohrabgasanlage –, die M-Rückspiegel und die 19 Zoll großen M-Leichtmetallräder mit Blick auf die leistungsstarke Compound-Bremsanlage.
Alles noch dezent im Vergleich zu dem, was sich unter der Haube des M5 abspielt, wenn man das Gaspedal durchtritt. Ab 1.500/min liegt das maximale Drehmoment von 680 Newtonmeter an und beschleunigt die Limousine bereits aus dem Drehzahlkeller so explosionsartig und konsequent durch, wie eine Gewehrkugel, die gerade den Lauf verlassen hat. Ist das Geschoss abgefeuert, vergehen 4,3 Sekunden von Null auf 100 km/h. Anfangs gönnt sich der heckgetriebene M5 noch etwas Schlupf, dann steckt die 1.945 Kilogramm schwere Limousine die gewaltige Krafteinwirkung locker weg, sofern die Straße trocken ist. Hier leistet das M-Differenzial mit elektronisch geregelter Lamellensperre für optimale Kraftverteilung ganze Arbeit. Als Fahrer kann man die Beschleunigung am besten mit Blick auf eine der Geschwindigkeitsanzeigen fassen – oder an den vorbeifliegenden Verkehrsteilnehmern. Die hat man allerdings schnell hinter sich gelassen, sofern man das optionale M Driver’s Package geordert hat, das die Vmax-Sperre von 250 km/h auf 305 km/h elektronisch lockert.
Während der M5 in den Fahrdynamik-Einstellungen „Sport“ und „Sport Plus“ zur Präzisionswaffe gegen die Zeit wird, bietet er im „Comfort“-Modus eher den Fahrstil seiner gut motorisierten Brüder. Wem die drei Basis-Einstellungen nicht reichen, der kann per i-Drive die einzelnen Fahrdynamik-Komponenten individuell auf einander abstimmen und dann jederzeit komfortabel über die Kurzwahltasten „M1“ und „M2“ am Lenkrad abrufen. Und wer den M5 nicht permanent scheucht, wird sich über den moderaten Verbrauch des Achtzylinders freuen, wenngleich die von BMW angegebenen 9,9 Liter auf 100 km/h in Praxis knapp unerreicht blieben.
Ob bei dieser Testfahrt M-Nostalgie aufkam? Wenn man bedenkt, dass der M5 schon immer für eine fahrdynamisch hochentwickelte Sportlimousine stand, ist all die Präzision und Anpassungsfähigkeit der aktuellen Generation reine Traditionspflege. Dennoch wünscht man sich vom neuen M5 zeitweise ein Quäntchen mehr Ungehorsam, etwas mehr Leichtigkeit. Nein, mit dem Charme früherer „übermotorisierter“ Limousinen kann der neue M5 nicht mithalten. Wer jedoch einen Fünfer mit 560 PS entspannt im Alltag bewegen möchte – mit der Gewissheit, jederzeit auch auf der Rennstrecke Bestzeiten zu erreichen – ist mit dem M5 gut beraten. Preis: 102.800 Euro.
Fotos: Jan Richter