Fangio 1957: Die Aufholjagd des Jahrhunderts
Mitzuerleben, wie der wohl größte Fahrer der Rennsportgeschichte durch einen Sieg seinen fünften und letzten WM-Titel an Land zog, war an sich schon ein unvergessliches Erlebnis. Dass dem Argentinier Juan-Manuel Fangio das Kunststück aber ausgerechnet auf der Nordschleife gelang, verlieh dem GP von Deutschland von 1957 Ewigkeitsstatus. Nach schnellster Trainingszeit im Maserati 250F begann „El Chueco“ (der Krummbeinige) das Rennen zunächst abwartend, studierte in dritter Position liegend den Fahrstil der vor ihm liegenden Lancia-Ferrari-Piloten Mike Hawthorn und Peter Colins. Irgendwann überholte er die beiden Briten und fuhr bis zur zwölften Runde einen Vorsprung von sieben Sekunden heraus. Doch dann legten seine Mechaniker den wohl schlechtesten Boxenstopp des Jahres hin, was Fangio – bei noch zehn Runden Restdistanz – wieder 48 Sekunden hinter die beiden Roten zurückwarf. Danach legte der „alte Mann“ eine epochale Aufholjagd hin, während der er den Rundenrekord in jeder Runde – und am Ende auf 9.17,4 Minuten – verbesserte. In der vorletzten Runde lag er wieder vorn und bekannte später einmal: „Ich bin in diesem Rennen Risiken eingegangen wie noch nie zuvor. Und wie auch nie wieder danach.“ Risiken, die Peter Collins nur ein Jahr später und ebenfalls auf dem „Ring“ das Leben kosteten...
Lauda 1976: Phönix aus der Asche
Während Fangio eines der größten Comebacks in der „Ring“-Geschichte gelang, sorgte Niki Lauda mit seinem Feuerunfall sicher für einen, wenn nicht sogar DEN furchteinflößendsten Moment in der Geschichte der „Grünen Hölle“ Der Österreicher gehörte schon zuvor zu den größten Kritikern der nach seiner Meinung zu gefährlich gewordenen Strecke und organisierte sogar eine Abstimmung unter den Fahrern, mit dem Ziel eines Boykotts. Doch seine Warnungen trafen auf taube Ohren, das Rennen lief wie geplant. Es war in der zweiten Runde, als Laudas Ferrari 312 T2 im Streckenabschnitt Bergwerk die Streckenbegrenzung touchierte und sofort in Flammen aufging. In der Mitte der Fahrbahn liegend, wurde das Auto auch noch vom Surtees mit Brett Lunger und dem Hesketh von Harald Ertl touchiert. Für 55 Sekunden bei 800 Grad Hitze im Auto gefangen, wurden Laudas Rivalen – allen voran der kleine Arturo Merzario – zu seinen Rettern. Nach zahlreichen Unfällen – darunter auch von Collins beim GP von 1958, brachte Laudas Crash das Fass zum Überlaufen – danach kehrte die Formel 1 nie mehr in die Eifel zurück.
Jenseits aller Grenzen
Seit den Zeiten eines Bernd Rosemeyer im Auto Union gab es immer wieder neue spektakuläre Rundenrekorde – wie die 7.06,4 Minuten, die Clay Regazzoni (Ferrari) beim GP von 1975 in die damals noch 22,835 Kilometer lange Bahn legte. Während der Bauarbeiten am neuen Grand Prix-Kurs lief daher 1983 das 1000-km-Rennen für Gruppe C-Sportwagen auf einer auf 20,832 Kilometer verkürzten Variante. Im Abschlusstraining knallte Deutschlands neuer und kometenhaft aufgestiegener Superstar Stefan Bellof im Rothmans-Werks-Porsche 956 eine Zeit für die Ewigkeit in die Bahn: 6.11,13 Minuten – 30 Sekunden schneller als die Bestzeit des damals amtierenden Formel-1-Weltmeisters Keke Rosberg. Im Rennen, dem dritten der WM, war der Gießener wieder jenseits von Gut und Böse unterwegs, ehe sein Porsche im Abschnitt Pflanzgarten Unterluft bekam. Mit viel Glück überstand der 25-Jährige den Abflug – gab schon kurz darauf wieder Autogramme. Die Abflugstelle heißt heute in Erinnerung an ihn „Stefan Bellof“-S....
Nürburging-Bestzeiten sind Marketingtools
Auch wenn diese Zeit bis heute nicht mehr unterboten worden ist, heißt das nicht, dass die Rekordjagden in der Eifel vorbei sind – im Gegenteil. Immer wieder werben auch Großserienhersteller wie Seat, Renault oder Honda mit neuen Bestzeiten ihrer heißen RS, Cupra oder Type-R-Modelle. Besonders werbewirksam ist das Prädikat „Nordschleifen-Bestzeit“ jedoch für Hersteller von Supersportwagen. Aktuell hält der McLaren F1 LM mit einer Runde in 6.43,2 Minuten den inoffiziellen Titel eines Rundenrekordhalters. Der Elektrosupersportwagen Nio EP9 blieb mit 6.45,9 Minuten aber nicht weit dahinter. Daher sollte sich McLaren so lange im Ruhm sonnen wie möglich und das Ergebnis maximal ausschlachten. Denn wer weiß, welcher Speed-Junkie sich als nächstes aufmacht, von der Bestzeit noch mal ein paar Zehntel abzuschleifen...
Zeitzeugen an der Kamera
Zum Glück gab es über alle Jahre immer Berichterstatter, die jedes Rennen, jeden Unfall und jeden Sieg mit der Kamera verfolgt haben. Und damit Motorsport-Fans das Gefühl gaben, live dabei gewesen zu sein. Zu den Bildbänden, welche die ganze Faszination der Nordschleife besonders eingefangen haben, gehört Stefan Bogners Tracks: Nürburgring Nordschleife. In seiner bekannten Fotosprache hat der Münchener die Strecke durchfotografiert und lässt als Bonbon noch jenen nun von „Strietzel“ Stuck gesteuerten Porsche 956 durchs Bild rollen, mit dem Bellof damals seine Wahnsinnsrunde hinlegte. Die großen Nürburgring-Bilder entstehen heute vor allem während des jährlichen 24-Stunden-Rennens. Doch sind wir sicher, dass auch an diesem Wochenende bei der Nürburgring Classic Bogners Kollegen wieder unvergessliche Szenen festhalten werden. Denn auch nach 90 Jahren hat die Nordschleife nichts von ihrem Reiz eingebüßt....
Fotos: Stefan Bogner / Rainer W. Schlegelmilch via Getty Images