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Fiat Panda 4x4

Alternativ-Trend aus St. Moritz: Nicht der neueste Aston Martin oder Bentley gelten im Engadin als Gefährt des Winters.

Klein aber fein

Stilisten steigen lieber in den klassischen Fiat Panda 4x4 mit Allradantrieb, um vom Chalet zum Cresta Run zu traversieren. Denn auch die Haute-Volée hat erkannt: Weniger ist manchmal mehr.

Winter in St. Moritz und die Sportsmänner strömen zum Cresta Run. Aber nur, solange die Fahrbahn geräumt und weitgehend eisfrei ist. Denn was den Rennfahren in Knickerbockern und hautengen Rennanzügen die Mundwinkel nach oben zieht, ist für Autofahrer eher ein Alptraum. Steile Bergstraßen voller Eis und Schnee lassen die im Normalfall anwesenden Bentley und Aston Martin schnell zu Statisten werden. Hilflos regeln die elektronischen Systeme hunderte PS auf ein Minimum ein, um am Ende die Luxuskarossen kaum mehr voranzubringen. „Rien ne vas plus“ heißt es dann in der automobilen Bell Étage. Viel besser eignet sich da ein vermeintlich simples, aber höchst effizientes Fahrgerät wie der Fiat Panda 4x4.

Mit den üblichen Annehmlichkeiten aus der automobilen First Class kann der puristische, von Giugiaro entworfene Allradler natürlich nicht dienen. Airbag, Klima, Surroundentertainment? Fehlanzeige. ESP und elektronisches Sperrdifferential? Waren noch nicht erfunden, als der Kleine 1983 erstmals von den Bändern seiner Ziehmutter in Graz bei Steyr Puch lief. Doch das, was wirklich zählt, ist an Bord: Vier Räder, auf Geheiß tatsächlich alle angetrieben, und ein Lenkrad, serienmäßig aus gummiartigem Plastik, aber gegen Mehrpreis mit dem Leder nach Wahl bezogen – oder gleich durch ein Nardi-Volant ersetzt. Und natürlich ein Motor, der im besten Fall auf den Namen „Fire“ hört. Es ist jenes 1.100 ccm große Vierzylindermotörchen, das auch schon den Fiat Uno oder den Lancia Y antrieb. Problemlos im Alltag, genügsam im Verbrauch und äußerst langlebig. Sogar die Rallye Paris-Dakar hat der Panda 4x4 einst überstanden.

 

Es rappelt in der Kiste

Nur selten legt man im Allrad-Panda lange Strecken zurück. Vielmehr empfiehlt es sich, den kleinen Fiat als anspruchsloses, aber allzeit bereites Shuttle zwischen Dorf und Berghütte zu verstehen. Auf derlei Kurzstrecken fällt es kaum ins Gewicht, dass die beiden dünn gepolsterten vorderen Gartenstühle weder über Sitzheizung noch über eine Massagefunktion verfügen. Diese Art von verweichlichendem Tand wird ersetzt durch dicke Winterkleidung und die an zwei Blattfedern aufgehängte hintere Starrachse. Diese sorgt speziell auf schneebedeckten Eisbuckelpisten für ausreichend Bewegung in der Kiste.

Ein schwacher Trost für alle Luxusgeschöpfe: Dank des quadratischen Aufbaus stößt man sich bei den Fahrten durch unwegsame Schneewehen kaum den Kopf an den Dachsäulen. Wie überhaupt die Raumverhältnisse des kleinen Fiat auch Umsteiger von großen Limousinen nicht enttäuschen werden. So finden auch im Fond zwei Personen bequem Platz. Falls der Nachwuchs im Baby-Alter zum ersten Proberutschen nach Davos transportiert werden soll, kann die Bank sogar zu einer bequemen Wiege umgelegt werden, ganz ohne Aufpreis.

Pragmatisch gibt sich der kleine und wendige Fiat auch bei der Parkplatzsuche. Denn Parkplätze sind vor den angesagten Locations des „Top of the World“ absolute Mangelware - und „Parkierer“ in zweiter Reihe für die schweizerischen Ordnungshüter ein gefundenes Fressen. Selbst wenn der Panda mit seinen grauen Plastikschürzchen mal aneckt, ist das nicht weiter dramatisch. Denn damals war Kunststoff noch robust und etwas Patina schadet ebenfalls nie. Ebenso praktisch ist der schnell nachgerüstete Start-Stopp-Knopf. Man montiert ihn am besten dort, wo einst die – angesichts der geringen Motorleistung, eigentlich überflüssige – Zeituhr plaziert war. Statt dem Zündschlüsseldreh genügt dann ein lässiger Druck auf den zentralen Knopf und der Vierzylinder nimmt seine Arbeit auf. Das Diebstahlrisiko ist in Orten wie St. Moritz ohnehin gering: Denn zum Einen kennt hier jeder jeden. Und zum Anderen möchte vermutlich kaum ein Dieb am Steuer des Fiat Panda die langwierige Flucht über die verschneiten Serpentinenpässe antreten – Allrad hin oder her.

 

Unterhalt auf günstigem Niveau

Das traditionelle Problem eines italienischen Kleinwagens ist der Rost. Fiat nahm die Korrosionsvorsorge in den 80er Jahren nicht besonders ernst und so rafften die harten Bergwinter einen Teil der Population des knuffigen Panda bereits in frühen Jahren dahin. Nicht weiter schlimm, handelte es sich dabei doch meist um Modelle ohne einen geregelten Drei-Wege-Kat und mit dem altertümlichen 48-PS-Stoßstangenmotor aus dem Lancia A112. Das Angebot an Modellen mit Katalysator ist besonders in den südlichen Nachbarländern groß und nicht selten werden gepflegte Exemplare mit einer nachträglichen Hohlraumkonservierung angeboten.

Für diese Fahrzeuge mit meist geringen Laufleistungen und dem Charme der verschiedenen Sondermodelle (etwa „Trecking“ oder „ Town & Country“) sind in der Regel Summen um 2.500 bis 3.500 Euro fällig. Eine Reparaturkostenrücklage ist dabei wegen der einfachen Konstruktion und der geringen Teilepreise nicht notwendig. Die Wartung beschränkt sich auf den Wechsel von Kerzen und Filtern und kann auch mit nur wenig Begabung am Samstagnachmittag in Eigenregie durchgeführt werden. Steuer und Versicherung des Fiat Panda 4x4 bewegen sich ebenfalls auf niedrigstem Niveau, so dass einem entspannten Winterspaß nichts im Wege steht.

 

Die Fakten

 

Aufbau:
Zweitürige Ganzstahlkarosserie mit optionalem Faltdach und großer Heckklappe. Variabler Innenraum

Motor:
4-Zylinder Benziner mit 48 PS (1,0 Liter), ab 1991 mit 50 PS (1,1 Liter)

Antrieb:
Frontantrieb mit zuschaltbarem Allradantrieb ohne Mitteldifferential

Bodenfreiheit:
ausreichend für Bergexpeditionen mittleren Ausmaßes

Produktionszeitraum:
1983 - 2003

 

 

Text: Sven Jürisch
Fotos: Jan Baedeke