Die „Save the Date“-Einladung beim internationalen Bergrennen in Arosa in einem Porsche an den Start zu gehen, sorgte für ungewohnte Euphorie an einem Montag. Mit welchem 911-Boliden wird mich das Porsche-Museum wohl die anspruchsvollen 7,8 Kilometer den Berg hinauf schicken? Doch schon schnell sollte dieses Hochgefühl einen gehörigen Dämpfer erleiden: „Herr Rathgen, Sie gehen mit unserem 924 Carrera GT an den Start.“ Mein erstes Bergrennen hinter dem Drei-Speichen-Lenkrad des „Hausfrauen-Porsche“? Niemals, dachte ich und begann zu schmollen.
Die Ankunft im grauen, verregneten Arosa entsprach denn auch ganz meiner seelischen Verfassung. Da bot sich die seltene Gelegenheit auf öffentlichen – selbstverständlich gesperrten – schweizerischen Straßen in einen Geschwindigkeitsrausch zu verfallen, dem nur das eigene fahrerische Können und die Physik Grenzen setzen und ich soll mit dem traurig drein blickenden Porsche 924 das ganze erleben. Doch als höflicher Gast lasse ich mir meine innere Entrüstung nicht anmerken und lächle freundlich bei der Schlüsselübergabe. „Aber passen Sie bitte gut auf unseren roten Feuerstuhl auf“, gab mir der junge Mann vom Porsche Museum noch mit auf den Weg. Lächelnd, den Kopf zustimmend nickend, wandte ich mich meinem Renngefährt zu.
Das standen wir nun. Die zweithöchste Evolutionsstufe – nach dem brachialen GTS – der 924-Baureihe in indischrot und ich. Den Rennhelm unterm Arm, bereit für eine Proberunde, betrachte ich kritisch die breiten „Backen“ und die 16-Zoll-Räder. Was soll ich sagen? Nach den ersten Metern in den schwarz roten Nadelstreifenpolstern muss ich mir eingestehen, dass ich dem teuflischen Laster des Vorurteils erlegen bin. Der Porsche 924 CGT – wie ihn seine Freunde nennen – macht richtig Spaß! Selten habe ich es erlebt, das 1.984 cm³ Hubraum sich so agil präsentieren. Zwar muss man sich erst daran gewöhnen, dass der Atemstoß des Turbos relativ spät einsetzt, doch wenn er kommt, drückt er den, dank leichter Aluminiumtüren und GfK-Verbreiterungen nur rund 1.100 Kilogramm schweren Straßenporsche mit passablen „Wums“ nach vorne. Nach ein paar Kilometern gewöhne ich mich auch an die ungewöhnliche Schaltkulisse, bei der man den ersten Gang unten links findet und nicht, wie meist an der Position oben rechts.
Leider bleiben mir nur noch wenige Minuten, bis sich die Kolonne in der „Regularty-Klasse“ – das heißt es gewinnt derjenige, der am genausten an die vorgelegte Zeit vom ersten Lauf, beim zweiten Rennlauf herankommt – in Richtung Start bewegt. Am Start angekommen beginnt die zermürbende Wartezeit, von der sich nur „Frischlinge“ wie ich nervös machen lassen. Die „alten Hasen“ halten entspannt einen Klönschnack während ich mir Gedanken darüber mache mich nicht zu blamieren – oder noch schlimmer siebzig Meter in die Tiefe zu stürzen, weil ich auf der nassen Strecke an der falschen Stelle ins Schleudern gerate.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist die Zeit für mich und meinen roten Freund gekommen. Ich bin so nervös, dass ich mich am liebsten unter der markanten Lufthutze für den Ladeluftkühler verstecken möchte, doch da kommt schon das Signal zum Start. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis die 225er-Gummischlappen den richtigen Gripp finden, doch dann lassen es die 210-Turbo-PS krachen. Allerdings hält der Beschleunigungsrausch nur recht kurz an, denn schon nährt sich die erste von insgesamt 76 tückischen Kurven. Vom Dritten runter in den Zweiten und ein beherzter Tritt auf die Bremse und mein Porsche meistert diese Hürde mit Bravour. Man mag es nicht glauben, aber die Straßenversion des 924 Carrera GT trägt viel mehr Erbgut seiner Rennpaten der berühmten „Gruppe 4“ als man denken mag. Gutmütig, aber keineswegs gelangweilt legt sich der Zuffenhausener in eine Kurve nach der anderen. Einzig die niedrige Position des Lenkrades bereitet mir etwas Schwierigkeiten. Die viel gepredigte „Viertelnachneun-Stellung“ der Hände ist einfach nicht möglich.
Mit dem gespannten Blick in den Rückspiegel versuche ich abzuschätzen, wie schnell ich bin. Anscheinend schnell genug, da ich keinen Verfolger sehe. Doch diese Unachtsamkeit soll bestraft werden. Parademäßig fahre ich auf eine Spitzkehre zu und fahre sie von außen an, um dann am Scheitelpunkt in die Straßenmitte zu ziehen. Exakt so wie mir DTM-Fahrer Roland Asch noch kurz vor dem Start letzte Instruktionen gegeben hat. „Kerle, pass aber auf, dass Du nicht zu weit rauskommst!“, so oder so ähnlich waren seine Worte. Doch genau das ist mir passiert! Mit aller Kraft versuche den Wagen gegen die Trägheitsgesetze auf die innere Seite der Fahrbahn zu drücken, doch ohne Erfolg. Das Heck bricht aus und nur mit viel Glück bringe ich den Porsche wieder unter Kontrolle. Zeit um sich über das Geschehene Gedanken zu machen bleibt nicht, denn die restlichen 24 Kurven warten.
Der Carrera GT arbeitet sich weiter sportlich Kurve um Kurve nach oben in Richtung Ziel. Mit jedem Streckenmeter gewinne ich an Sicherheit und kann den Spaß mit dem roten Flitzer mehr und mehr genießen. Nach 6:59:12 überfahre ich die Ziellinie und genieße die letzten Adrenalin-Schübe in meinen Adern. Rückblickend hätte ich mir kein anderes Auto für meine persönliche Bergrennen-Premiere wünschen können. Auch wenn das Design und der Auftritt des Porsche 924 Carrera GT viel negatives Feedback hervorruft, möchte ich allen Porsche-Puristen empfehlen den aufgeblasenen Vierzylinder einmal selbst zu fahren, um sich dann ein Urteil zu bilden. Für mich ist der 924 CGT nicht der schönste Porsche, gehört aber zu den unterschätztesten Kalibern aus Zuffenhausen.
Fotos: Urs Homberger