Das Dunkel der Nacht verschluckt alles, die Dämmerung hat sich verflüchtigt und nun ist der Wald in Schwarz gehüllt, undurchsichtig bis auf das Funkeln der Sterne durch das Blätterdach. Die Stille wird nur unterbrochen von Tieren, die durch das Unterholz huschen, aber im Grunde sind sie lautlos. In der Ferne jedoch ist jetzt das Rumpeln eines Motors zu hören, der zunächst nur leise ist und dann plötzlich mit donnerndem Getöse aus dem Wald dröhnt. Begleitet von den Strahlen der Scheinwerfer, die die Nacht spalten, weil sie in der Schwärze nach dem rechten Weg suchen. Dann, als der Motorensound sein Crescendo erreicht, schießt ein Rallyewagen durchs Bild, driftend und mit einer solchen Geschwindigkeit in diesem beengten Raum, dass er die Szenerie zu sich heranzuziehen scheint, anstatt durch sie hindurchzufahren. Und dann verschwindet er mit einem doppelten Heulen, Stille kehrt ein. Wo kann man so was erleben? Bei der Roger Albert Clark Historic Rallye.
Die Roger Albert Clark, eher bekannt als RAC, lässt die goldenen Zeiten der klassischen Wald-Etappenrallyes früherer Zeiten wieder aufleben. Es handelt sich um einen fünftägigen, unverfälschten Wettbewerb im Wald. Mit klassischen Hecktrieblern, die Erinnerungen an Rallye-Größen wie Kankkunen, Sainz, Waldegaard und Vatanen wachrufen. In diesem Jahr fand die Rallye Ende November statt. 150 Fahrzeuge nahmen teil, und erst am letzten Tag des über 560 Sonderprüfungs-Kilometer gehenden Events fiel die Entscheidung über den Sieg. Wie die besten klassischen Motorsportveranstaltungen war auch diese keine Parade; schon auf der allerersten Etappe rollte einer von 93 (!) Escort-Piloten und einer der Favoriten, Roger Chilman, seinen Ford in der Nacht von Northumbria aufs Dach. Die Ausfallrate blieb während der gesamten Rallye hoch, und noch während des ersten Tages der Rallye wurden mehrere große Namen von Glatteis überrascht, darunter Chris Harris von Top Gear.
Unter den Teilnehmern waren mehrere Spitzenfahrer, darunter Osian Pryce, Vizemeister der britischen Meisterschaft 2021, sowie ehemalige Sieger und Podiumsplatzierte wie Gwyndaf Evans und Stig Blomqvist. Es gibt aber auch diejenigen, die sich einfach nur mit den klassischen Etappen messen wollen, und dieses Jahr machte da keine Ausnahme. Auch wenn es einige gibt, die diese Veranstaltung sehr professionell angehen, so steht sie doch – ganz in der Tradition des Rallyesports – auch lupenreinen Amateuren offen.
An den fünf Tagen sollten die Autos klassische Etappen wie die im Kielder Forest, in Dyfnant und geplante Abstecher nach Greskine und Ae Forest bewältigen. Doch selbst die am besten ausgearbeiteten Pläne können manchmal über den Haufen geworfen werden. Und so kam es auch diesmal: Während viele Autos unter den Strapazen der Etappen litten, wurden manche Prüfungen von den Unbilden des Wetters heimgesucht, als am Samstagabend der Sturm Arwen über das Land fegte. Die abendlichen Fahrten durch „Killer Kielder“ mussten abgebrochen werden, da umgestürzte Bäume die Strecke blockierten, und etwa 20 Teams mussten die Nacht in ihren Autos verbringen, da sie in den Wäldern abgeschnitten waren. Auch am nächsten Tag war die Veranstaltung beeinträchtigt, die schottischen Etappen fielen leider ebenfalls dem Zorn von Arwen zum Opfer.
So kam es, dass die Rallye in Wales fortgesetzt wurde. Wo sich am letzten Tag im Abstand von wenigen Kilometern die beiden führenden Escort-Crews verabschiedeten. Erst erwischte es den in Schlagdistanz zum Spitzenreiter Paul Barrett liegenden Osian Pryce, an dessen Escort beim Anbremsen ein hinterer Achsschenkel brach und ihn nach einem Dreher an der Böschung stranden ließ. Das hätte den Weg freigemacht für Barrett, doch in einer langsamen Kurve trug es ihn zu weit nach außen, was reichte, um den Wagen abzurollen, wodurch ein Lenkhebel brach.
Die extremen Witterungsbedingungen rückten die Probleme des Klimawandels in den Vordergrund, die derzeit so präsent sind und die Zukunft des klassischen Motorsports bedrohen. Ein Team versuchte jedoch in diesem Jahr, dem Sport einen möglichen grünen (Aus)weg in die Zukunft zu weisen, indem es eine vollständig klimaneutrale Kampagne durchführte. Unter dem Namen NET-HERO kompensierten der F1-Guru Tony Jardine und Allan Harryman, Sohn des berühmten Rallyebeifahrers Terry, alle Emissionen des gesamten Teams mit Hilfe der Kohlenstoffgutschriften-Plattform NET HERO, einer einfachen App, die als Abonnement-Service funktioniert. Ein Pay-as-you-go-Service, wenn Sie so wollen – als Kohlenstoffausgleich für Autofahrer jeder Kategorie. Das Team hatte während des gesamten Rennens mit mechanischen Problemen zu kämpfen, erreichte aber mit seinem Hillman Avenger einen respektablen fünften Platz in der Klasse.
Nach all diesen Dramen fiel der Sieg schließlich an Ryan Chapman und Craig Thorley in ihrem von Tuthill vorbereiteten Porsche 911 in Safari-Spezifikation – ein absoluter Liebling der Fans, der den erste Sieg eines Nicht-Escort in der erstmals 2004 ausgetragenen RAC für historische Fahrzeuge davontrug. Trotz der abgesagten Etappen hatte die Rallye von allem etwas zu bieten, und wie es ein Streckenposten ausdrückte: „Wir standen bei Sauwetter und abgesagten Etappen im Wald, genau wie früher bei der RAC!“ Die Roger Albert steht fest zu den Werten der alten Schule des Rallyesports, aber mit der möglichen weltweit ersten kohlenstoffneutralen Teilnahme von Jardine und Harryman hat sie nun auch einen Fuß in der Zukunft.
Text & Fotos: Will Broadhead